Der Kläger war ab Februar 2017 bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt. Er war seitdem als Schweißer im selben Betrieb eingesetzt. Immer um den Jahreswechsel, insgesamt 42 Tage, wurde er wegen allgemeiner Betriebsruhe beim Entleiher nicht beschäftigt.
Als Mitglied der IG Metall klagte er gegenüber dem Einsatzbetrieb auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ab Februar 2019. Der Entleiher sollte ihm ein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages als Schweißer mit entsprechender Vergütung anbieten. Das Arbeitsgericht Siegburg gab der Klage statt.
Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (TV LeiZ)
Dieser Tarifvertrag regelt für den Fall, dass es im Einsatzbetrieb keine Betriebsvereinbarung zur Übernahme von Leiharbeitnehmern gibt, folgendes:
Nach 24 Monaten Überlassung hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten.
Bei Unterbrechungen von weniger als drei Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
Urlaub, Freizeitausgleich und arbeitsfreie Feiertage unterbrechen die Überlassung nicht
Im Prozess stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, für die Frist von 24 Monaten zählten nur die Einsatzzeiten, in denen der Leiharbeitnehmer auch tatsächlich im Betrieb erschienen sei. Die 42 Tage Unterbrechung während der Betriebsruhe seien abzuziehen.
Das sah das Gericht anders. Da in die Zeitspanne der Überlassung notwendigerweise auch freie Tage wegen Urlaub etc. fallen, könnten diese Zeiten die Dauer der Überlassung nicht unterbrechen. Dafür spreche auch die tarifliche Unterscheidung zwischen „Überlassung“ und „Einsatzzeiten“.
Anspruch auf irgendein Arbeitsverhältnis?
Seitens des beklagten Betriebs hatte man dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten. Allerdings mit einer anderen Tätigkeit, die mit einer deutlich niedrigeren Entgeltgruppe als das Schweißen zu vergüten wäre. Nach dem TV LeiZ habe man nur dem schon lange eingesetzten Leiharbeiter einen Arbeitsplatz in der Stammbelegschaft anzubieten. Dieser könne hinsichtlich Abteilung, Tätigkeit und Entlohnung vom bisherigen Arbeitsplatz abweichen.
Das Arbeitsgericht widerspricht auch hier. Der TV LeiZ verpflichte den beklagten Entleihbetrieb dazu, dem Kläger einen Arbeitsvertrag zu den Bedingungen anzubieten, die für den Arbeitsplatz galten, den er als Leiharbeitnehmer eingenommen hatte. Räumte man hier ein Ermessen ein, widerspräche das Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.
LINKS:
Über das Gesetz zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassung haben wir hier berichtet: Mehr Rechte für Leiharbeiter
Allgemeine Infos zur Arbeitnehmerüberlassung gibt es in unserem Glossar.
Und hier kann das Urteil vom Arbeitsgericht Siegburg im Volltext nachgelesen werden.
Das sagen wir dazu:
Eine rundherum erfreuliche Entscheidung, von der wir hoffen, dass sie bestehen bleibt. Denn die Gegenseite hat Berufung eingelegt.
Zu diesem Ergebnis kommt man indes nur dann, wenn der TV LeiZ gilt. Hier ist der Kläger Mitglied der IG Metall und die Beklagte gehört dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen an. Der hier einschlägige § 3 des Tarifvertrags gilt zudem nur für Betriebe ohne Betriebsvereinbarung zur Zeitarbeit.
Die Höchstdauer der Überlassung von 24 Monaten wäre für die Leiharbeitnehmer*innen überhaupt nicht mehr greifbar, wenn Urlaub und Freizeitausgleich diese unterbrechen würden. Konsequent hält es das Gericht für unerheblich, dass der Entleiher während der Betriebsruhe keine Überlassungsvergütung an die Zeitarbeitsfirma zahlt. Denn auch durch eine solche Vereinbarung wird die Überlassung nicht beendet, sondern es findet nur kein Einsatz statt.
Der Arbeitsvertrag muss dem „alten“ Arbeitsplatz entsprechen
Besonders wichtig ist die Klarstellung des Arbeitsgerichts zum Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrages. Es kann nicht richtig sein, wenn der neue Arbeitgeber seiner tariflichen Verpflichtung schon nachkäme, indem er irgendeinen Arbeitsplatz anbietet. Der TV LeiZ will verhindern, dass Arbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitern besetzt sind. Das wird nicht erreicht, wenn der ehemalige Leiharbeitnehmer dann ganz woanders eingesetzt und sein Arbeitsplatz vielleicht sogar wieder mit einem anderen Zeitarbeiter besetzt wird.
Und natürlich haben die Leiharbeitnehmer*innen ein Interesse daran, an ihrem Arbeitsplatz wie die Stammbelegschaft bezahlt zu werden. Was hätten sie von einer Übernahme durch den Entleiher, wenn sie dann eine andere und schlechter bezahlte Arbeit machen müssten?
Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien wird gestärkt
Am 1. April 2017 ist das Gesetz zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassung in Kraft getreten. Das Arbeitsgericht stellt hier klar: Der TV LeiZ gilt unverändert weiter. Denn das Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) sieht vor, dass Tarifverträge eine vom Gesetz abweichende Überlassungsdauer regeln dürfen. Und das gilt auch für Tarifverträge, die vor April 2017 geschlossen wurden. Schließlich war dem Gesetzgeber nicht nur bewusst, dass es solche Tarifverträge gab. Der TV LeiZ war sogar Vorbild für die gesetzliche Neuregelung.
Rechtliche Grundlagen
Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (TV LeiZ)
1.Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß § 3 gilt Folgendes:
-Nach 18 Monaten Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.
-Nach 24 Monaten Überlassung hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen. Bei Unterbrechungen von weniger als drei Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
Protokollnotiz
Zu den Einsatz-/Beschäftigungszeiten nach den obigen Spiegelstrichen zählen auch die zurückgelegten Zeiten vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages.
2.Wird die erste Einstellung eines Leih-/Zeitarbeitnehmers wegen eines Sachgrundes durchgeführt, der voraussichtlich länger als 18 bzw. 24 Monate vorliegt, und wird dies dem Betriebsrat im Rahmen des Verfahrens nach § 99 BetrVG mitgeteilt oder ergibt sich in den ersten zwölf Monaten ein sachlicher Grund und wird dieser dem Betriebsrat unverzüglich mitgeteilt, besteht keine Pflicht, einen Arbeitsvertrag anzubieten, soweit der Leih-/Zeitarbeitnehmer im Rahmen dieses Sachgrundes eingesetzt wird.
Das sagen wir dazu