Mit Hilfe des DGB Rechtsschutz wehrt sich ein Betriebsratsmitglied erfolgreich gegen eine minderwertige Tätigkeit. Copyright by Wellnhofer Designs/fotolia
Mit Hilfe des DGB Rechtsschutz wehrt sich ein Betriebsratsmitglied erfolgreich gegen eine minderwertige Tätigkeit. Copyright by Wellnhofer Designs/fotolia

Die Klägerin ist Mitglied der IG Metall. Seit Mai 1992 ist die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt, ein Unternehmen der Lichtproduktion, sie stellt unter anderem Lichtwerbung her. Die Klägerin ist seit Jahren Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates. 

Klägerin arbeitete mit spezieller Software

Im Arbeitsvertrag geregelt ist eine Tätigkeit als technische Zeichnerin. Der Arbeitsvertrag verweist auf die für die Beklagte geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung. § 1 Ziffer 4 des Arbeitsvertrages regelt:

„Die Verwendung des Arbeitnehmers richtet sich im Rahmen des Zumutbaren nach den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers“ 

Außerdem ist eine einfache Schriftformklausel vereinbart. Seit mehreren Jahren geht die Klägerin nicht mehr ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit nach. Tatsächlich erfüllt die Klägerin Aufgaben, die dem Berufsbild „Schilder- und Lichtreklamehersteller“ entsprechen. 

Hierbei arbeitet sie mit einer speziellen Software an einem Computer. Die Tätigkeit verlangt von ihr, dass Produktionsdaten richtig erstellt und gespeichert werden. Zudem muss die Klägerin Datenzettel und weitere Informationen weiterleiten.

Abmahnungen und Versetzung

Seit 2012 erhielt die Klägerin von der Beklagten mehrere Abmahnungen. Im Januar 2014 wurde sie von ihrem bisherigen Arbeitsplatz in ein anderes Büro versetzt. Der Klägerin wurde auch untersagt, die Produktionshalle zu betreten. Das im Büro befindliche Telefon wurde im Juli 2015 abmontiert. 

Im Oktober 2017 ging der Klägerin ein Versetzungsschreiben der Beklagten zu. Darin heißt es:

„…wir setzen Sie für den Zeitrahmen vom 16.10.2017 bis 15.11.2017 unter Ausübung unseres Direktionsrechts auf einen anderen Arbeitsplatz um. Sie werden ab dem 16.10.2017 bis zum 15.11.2017 Ihre Tätigkeit in der LED-Abteilung erbringen.“ 

Sodann erhielt die Klägerin eine schriftliche Arbeitsanweisung. Sie bekam Werkzeuge ausgehändigt und hatte nunmehr wie folgt zu arbeiten:

  1. Litzenkabel gem. Muster auf Länge schneiden mit dem Seitenschneider
  2. Eine Seite des Kabels mit der Abisolierzange K ab isolieren
  3. Eine Seite des Kabels mit der Abisolierzange L ab isolieren
  4. Fertiges Kabel in den Karton legen
  5. Abschnitte und Reste der Isolierung in den Mülleimer legen

Via E-Mail kündigte die Beklagte an, den Bildschirm am Arbeitsplatz der Klägerin zu entfernen, um für die neue Tätigkeit Platz zu schaffen. Die ursprünglich nur für vier Wochen geplante Versetzung verlängerte die Beklagte zweimal, bis Januar 2018. 

Gewerkschaft schaltet sich ein

Die Klägerin wandte sich zunächst an ihre Gewerkschaft, die IG Metall. Diese verlangte von der Beklagten schriftlich, die Klägerin wieder vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Beklagte reagierte hierauf mit einer widerruflichen Freistellung der Klägerin.

Im März 2018 widerrief die Beklagte sodann die Freistellung und erklärte gegenüber der Klägerin schriftlich:

„Nunmehr werden Sie in vorbereitende Installationsarbeiten für die Abteilung Elektrotechnik/LED-Technik versetzt. Die Tätigkeit wird an Ihren bisherigen Arbeitsplatz im Verwaltungsgebäude ausgeübt. Wir fordern Sie hiermit auf, Ihre Tätigkeit in unserem Betrieb wiederaufzunehmen und die zuvor genannten Tätigkeiten zu übernehmen.“ 

Klägerin zieht vor Gericht

Die Klägerin wollte dies nicht länger hinnehmen. Sie erhob Klage und wurde hierbei von der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Essen, vertreten. 

Die Klage begründete die Klägerin damit, vor der Versetzung seit mehr als 25 Jahren als technische Zeichnerin in der Grafikabteilung beschäftigt worden zu sein. Die in den letzten Jahren von ihr ausgeführten Arbeiten einer Schilder- und Lichtreklameherstellerin beschränkten sich vollumfänglich auf Tätigkeiten an einem Computer. 

Zwar würden auch handwerkliche Tätigkeiten zum Berufsbild „Schilder- und Lichtreklamehersteller“ gehören. Solche habe sie jedoch nie ausgeübt. Bei der Beklagten seien Computerarbeit und Handwerk getrennte Abteilungen. Zudem habe sie auch Tätigkeiten ihrer ursprünglichen Beschäftigung als technische Zeichnerin ausgeübt. So habe sie etwa mehrfach Zeichnungen für Befestigungskonstruktionen für Schilder oder Lichtreklame gefertigt. 

Weiter führte die Klägerin aus, ihr aktueller Arbeitsraum sei das Lohnbüro. Dieses läge gegenüber der Grafikabteilung, der sie nach wie vor zugeordnet sei. In der Abteilung Elektrotechnik/LED-Technik sei sie nie beschäftigt gewesen. Mithin sei die Versetzung vom März 2018 rechtswidrig. Die aktuelle Tätigkeit sie nicht gleichwertig im Vergleich zu der vorherigen Beschäftigung. Die von der Beklagten behaupteten Fehler lägen im Übrigen im üblichen Rahmen.  

Schikane eines unbequemen Betriebsratsmitglieds

Die Klägerin sah die eigentliche Motivation der Beklagten für die Versetzung in ihrem Betriebsratsmandat. Als unbequemes Mitglied des Gremiums sei sie der Beklagten offenbar lästig. Zudem sei der Betriebsrat bei der Versetzung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Letztlich sei aber die Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, die Versetzung sei rechtmäßig. Eine Beschäftigungsmöglichkeit als technische Zeichnerin sei im Betrieb nicht mehr vorhanden. Zuletzt habe die Klägerin diese Tätigkeit im Jahr 1994 ausgeübt. Damals seien noch keine Computer im Betrieb verwendet worden.

Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung über die Jahre in sehr verschiedenen Abteilungen erbracht, etwa im Versand, der Schildermalerei und auch in der Produktion. Im Rahmen der Einarbeitung in die Tätigkeit der Schilder- und Lichtreklameherstellung sei sie auch in der Produktion/-LED-Abteilung eingesetzt worden. Die Tätigkeit habe im Wesentlichen im Erstellen von Produktionsdaten für unterschiedliche Maschinen bestanden. Außerdem habe die Klägerin die von Kunden zur Verfügung gestellten Daten für die Weiterbearbeitung an der Produktionsmaschine angepasst.

Gericht gibt Klägerin Recht

Weiter begründet die Beklagte die Versetzung mit einem nun geringeren Leistungsvermögen der Klägerin. So habe die Klägerin seit 2009 trotz detaillierter Anweisungen im Computerraum fehlerhafte Arbeit verrichtet. Die Klägerin sei zur ordnungsgemäßen Ausführung am Computer entweder nicht fähig, oder nicht gewillt.

Das Verbot, die Produktionshalle zu betreten, habe man aussprechen müssen wegen dem Verhalten der Klägerin. Sie habe dort Mitarbeiter von der Arbeit abgehalten. Gleiches gelte für die Entfernung des Telefons.

Jedenfalls gehöre der aktuelle Einsatzort der Klägerin zu der Abteilung Elektrotechnik/LED-Technik. Dieser Abteilung sei sie auch bisher schon zugeordnet gewesen. Von den Argumenten der Beklagten zeigte sich das Arbeitsgericht Essen unbeeindruckt. Das Gericht gab der Klage statt. Die Versetzung vom März 2018 ist unwirksam

Anderer Arbeitsbereich

Nach Ansicht des Gerichts lag eine Versetzung vor. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin habe sich geändert. Früher sei die Klägerin am Computer tätig gewesen. Sie habe mit spezieller Software Produktionsdaten erstellt und gespeichert, sowie Datenzettel und weitere Informationen weitergeleitet.

Nun aber müsse die Klägerin Handarbeit leisten, etwa Kabel nach Vorgabe zuschneiden, ganz ohne Computer.

Dass die Klägerin in der Vergangenheit im Versand, der Schildermalerei oder der Produktion gearbeitet hat, ist für das Arbeitsgericht ohne Belang.

Maßstab für Bewertung der Weisung

Der Arbeitgeber konnte sich nach Überzeugung des Gerichts nicht auf die Klausel des Arbeitsvertrages berufen, nach der eine „Verwendung nach den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers“ möglich sei. Denn diese Klausel sei unwirksam.

Als Allgemeine Geschäftsbedingung sei die Klausel nicht klar und verständlich. Sie benachteilige zudem die Klägerin unangemessen. Denn einerseits wurde eine Tätigkeit als technische Zeichnerin vereinbart, anderseits sollte der Beklagten aber ein weites Direktionsrecht zustehen.

Die Rechtmäßigkeit der Klausel richtete sich deshalb nach dem Gesetz. Danach können Arbeitnehmern nur gleichwertige Tätigkeiten zugweisen werden. Ob eine Tätigkeit gleichwertig ist, dafür muss die Arbeitgeberin Beweis erbringen. Dies ist ihr nicht gelungen.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts ist die neue Tätigkeit der Klägerin nicht gleichwertig. Die Eingabe von Daten in ein Softwareprogramm sei anspruchsvoller als Handarbeit. Im Rahmen der Computerarbeit müssen zahlreiche Aspekte beachtet werden. Demgegenüber ist die neue handwerkliche Tätigkeit auf wenige Handgriffe beschränkt.

Als „kleines Schmankerl“ hält das Arbeitsgericht der Beklagten zudem einen eklatanten Widerspruch in ihrem Vorbringen vor: So hat die Beklagte der Klägerin die neue Tätigkeit gerade deshalb zugewiesen, weil sie nach Meinung der Beklagten die vorherige Tätigkeit nicht fehlerfrei erbringen konnte oder wollte. Die Versetzung vor diesem von der Beklagten geäußerten Hintergrund macht aber nur Sinn, wenn die neue Tätigkeit weniger anspruchsvoll ist als die bisherige.

Hier finden Sie das Urteil des Arbeitsgerichts Essen

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Rechtliche Grundlagen

§ 106 GewO

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.