Bei Streit um den Inhalt eines Zeugnisses, kommt es vor Gericht fast immer zu einem Vergleich. Hier musste ein Urteil her. Copyright by MG / Fotolia.
Bei Streit um den Inhalt eines Zeugnisses, kommt es vor Gericht fast immer zu einem Vergleich. Hier musste ein Urteil her. Copyright by MG / Fotolia.

Die junge kaufmännische Angestellte war von September 2016 bis Jahresende 2017 in einem Möbelhaus angestellt. Ende März 2017 erkrankte sie und war bis zum Schluss arbeitsunfähig.

Im Zeugnis stand die Dauer der Arbeitsunfähigkeit

Nicht genug, dass der Arbeitgeber anders als zuvor versichert, das Arbeitsverhältnis dann doch wegen der langen Ausfallzeit kündigte. Er erwähnte die Krankheitszeit dann auch noch im Arbeitszeugnis der Klägerin. Während im Kündigungsschutzverfahren noch eine gütliche Regelung gefunden werden konnte, gewann dann beim Thema Arbeitszeugnis die ostwestfälische Sturheit die Oberhand. Der Arbeitgeber war nicht bereit, diesen Satz aus dem Zeugnis zu streichen: „Während dieser Beschäftigungszeit war Frau (…) in der Zeit vom 20.03.2017 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt.“

Außergerichtliche Bemühungen durch den DGB Rechtsschutz Bielefeld auf Streichung des Satzes blockte der Arbeitgeberverband als Vertreter des Möbelhauses ab. Die Angabe der Arbeitsunfähigkeit verbliebe auf seinen Rat im Zeugnis. Die Spruchpraxis der Arbeitsgerichte gebe ihm in der Frage Recht.

Klage auf Zeugnisberichtigung erfolgreich

Das Arbeitsgericht Bielefeld sah das anders. Mit dem streitigen Satz sei das Zeugnis nicht wohlwollend formuliert.

Die Einschätzung des Gerichts konnte allerdings den Arbeitgeber und seinen Prozessvertreter nicht umstimmen. Sie verblieben dabei, dass der fragliche Satz seine Berechtigung im Zeugnis habe. Also musste eine Entscheidung her. Das Gericht verurteilte das Möbelhaus dazu, der Klägerin ein neues Zeugnis zu erteilen, ohne Angabe zur Dauer der Ausfallzeit wegen Krankheit. 

Ob die Sturheit nachließ oder andere Gründe maßgeblich waren, wer weiß. Die Klägerin erhielt zumindest kurze Zeit später das ausgeurteilte Zeugnis. Der Arbeitgeber ging nicht in Berufung.

Rechtsprechung zur Angabe krankheitsbedingter Fehlzeiten im Zeugnis

Umstände, die für den Beschäftigten sowie seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, gehören nicht in das Zeugnis. Eine Arbeitsunfähigkeit ist also grundsätzlich im Zeugnis nicht zu erwähnen.

Nur wenn die Ausfallzeit für die Bewertungsgrundlage wesentlich ist, gebietet es der Zweck des Zeugnisses, die Information mit aufzunehmen. Deshalb bejaht die Rechtsprechung allein in speziellen Einzelfällen die Angabe einer krankheitsbedingten Ausfallzeit im Arbeitszeugnis.

Tätigkeit, die ein aktuelles Fachwissen erfordert

Die Ausfallzeit muss zum Beispiel im Zeugnis stehen bei einer mehrjährigen Ausfallzeit, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die ein aktuelles in der Praxis angewandtes Fachwissen erfordert. Bejaht wurde dies bei einer Finanzbuchhalterin. Die Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten in der Sachbearbeitung ist von den Anforderungen an aktuelles Fachwissen her nicht vergleichbar. 

Die Behauptung des Arbeitgebers, um die Aufgaben der Klägerin auszuführen sei der Erwerb von Fachwissen, sowie etwaiger sozialer Kompetenzen und bestimmter Arbeitstechniken erforderlich, überzeugte das Gericht nicht.

Verhältnis zwischen der Dauer von Krankheit und Beschäftigung

Immer schauen die Gerichte auf die Dauer der Ausfallzeit im Verhältnis zum Bestand des Beschäftigungsverhältnisses. Unbestritten war die Klägerin anteilsmäßig in dem kurzen Arbeitsverhältnis sehr lange krank. Das Gericht wertete die Dauer der Ausfallzeit als wesentlich im Sinne der Rechtsprechung.

Damit ist es aber nicht getan. Auch eine wesentliche krankheitsbedingte Fehlzeit ist erst dann im Zeugnis zu nennen, wenn sie charakteristisch für das Arbeitsverhältnis war.

Eindruck über die Fähigkeiten darf nicht täuschen

Es müssen weitere Umstände dazu kommen, aus denen sich ergibt, dass ein falscher Eindruck von den Fähigkeiten und Kenntnissen des Arbeitnehmers entsteht, wenn die Ausfallzeit nicht im Zeugnis steht. Es kommt also darauf an, ob eine Bewertung der Arbeitsleistung trotz der Fehlzeit möglich ist.

Die Arbeitsunfähigkeit stellte sich hier für die Klägerin nicht als charakteristisch dar. Eine Bewertung ihrer Arbeitsleistung war trotz der Fehlzeit möglich, so dass die krankheitsbedingte Fehlzeit nicht im Arbeitszeugnis zu nennen ist.

Sechs Monate sind ausreichend, um Arbeitsleistung bewerten zu können

Die Arbeitgeberseite behauptete, eine ins Detail gehende fachliche Einarbeitung in die beschriebenen Arbeitsbereiche sei bei einem tatsächlichen Arbeitszeitraum von lediglich sechs Monaten kaum möglich. Allerdings beschränkte sich die vermeintliche Beschreibung der Arbeitsbereiche auf die pauschale Angabe, die Klägerin habe vielseitige, sehr unterschiedliche Tätigkeiten verrichtet. Eine Begründung, warum ausgerechnet beim Job der Klägerin eine Einarbeitung von sechs Monaten nicht reichen sollte, gab es nicht. Dagegen sprach die Regelung im Arbeitsvertrag, die nur eine dreimonatige Probezeit vorsah, die mögliche Probezeit von sechs Monaten also um drei Monate verkürzte.

Die Klägerin schätzte die Einarbeitungszeit sogar nur auf vier bis sechs Wochen. Denn sie war bereits zuvor drei Jahre in der Möbelbranche im kaufmännischen Bereich tätig.

Dass die Wartezeit nach § 1 KSchG, also die sechs Monate bis das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, grade mal um 19 Tage überschritten war, als die Klägerin erkrankte, erachtete auch das Gericht als unerheblich.

 

Das Urteil vom Arbeitsgericht Bielefeld ist hier nachzulesen.

 

Allgemeine Infos gibt es hier: 10 Fragen und Antworten zum Zeugnis

 

Lesen Sie auch: Selbständige Arbeitsweise gehört nicht unbedingt ins Zeugnis

Das sagen wir dazu:

Ein Zeugnis darf nicht wahrheitswidrig sein. Darauf pochte die Arbeitgeberseite immer wieder. Das ist natürlich völlig richtig. Man muss allerdings schauen, was in ein Zeugnis hineingehört und was nicht. Nur, wenn eine Information im Zeugnis stehen muss, kann es wahrheitswidrig sein, diese herauszulassen.

Mit einem Zeugnis ohne Angabe der Ausfallzeit würde einem zukünftigen Arbeitgeber das Bild einer kontinuierlichen Arbeitsleistung von 16 Monaten vermittelt. So argumentierte der Arbeitgeber. Da Ausfallzeiten aber bis auf begründete Ausnahmen eben nichts im Zeugnis zu suchen haben, wird mit einem Arbeitszeugnis erst einmal die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses dokumentiert und nicht die tatsächlich gearbeiteten Tage.

Krankheit sagt nichts über Leistung und Fähigkeit aus


Die Arbeitgeberseite meinte zudem, ein neuer Arbeitgeber müsse über die Krankheit der Klägerin informiert sein, auch ob diese ausgeheilt sei. Aber nicht doch! Bei der Frage, ob die Ausfallzeit ins Zeugnis gehört, geht es ganz und gar nicht darum, dem nächsten Arbeitgeber zu signalisieren, ob eine ehemalige Mitarbeiterin möglicherweise gesundheitliche Probleme hat.

Rechtliche Grundlagen

§ 109 Gewerbeordnung

§ 109 Zeugnis
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.