Das Arbeitsschutzkontrollgesetz soll die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie erheblich verbessern und für Tierwohl sorgen. Copyright by Adobe Stock/ contrastwerkstatt
Das Arbeitsschutzkontrollgesetz soll die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie erheblich verbessern und für Tierwohl sorgen. Copyright by Adobe Stock/ contrastwerkstatt

 In der Fleischindustrie herrschen schon seit vielen Jahren Arbeitsbedingungen, die jeder Beschreibung spotten.  Am 13. Mai 2020 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil anlässlich einer aktuellen Stunde im Bundestag erklärt, dass Kern des Übels eine Art von Sub-Sub-Sub-Unternehmertum sei. Bereits damals kündigte er Maßnahmen wie das Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen mehr Personal und schärfere Kontrollen im Arbeitsschutz an.


Vorschriften allein laufen ins Leere

Vorschriften allein nützen in dieser Branche nämlich offensichtlich nicht viel. 2017 ist das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz sollten gerade die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in der Fleischwirtschaft verbessert und sichergestellt werden. Funktioniert hat das nicht.

Das Corona-Kabinett hatte angesichts einiger Corona-Ausbrüche in mehreren fleischverarbeitenden Betrieben Eckpunkte eines Arbeitsschutzprogramms beschlossen. Kern des Programms sollte sein, dass ab Januar 2021 das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch durch Beschäftigte des eigenen Betriebes zulässig sein sollen. Unternehmer der Fleischindustrie rangen entsetzt nach Atem und befürchteten den Untergang des Abendlandes.


Unternehmer in der Fleischindustrie scheuen offensichtlich unternehmerisches Risiko

Ein damals aktiver Funktionär eines blau-weiß gefärbten Fußballclubs aus NRW -im Nebenjob Unternehmer in der Fleischindustrie  - warnte Arbeitsminister Heil in einem Schreiben vor Abschaffung von Werkverträgen in seiner Branche. Ein generelles Verbot hätte nämlich massive, strukturell-negative Veränderungen für die Agrarwirtschaft zur Folge. Wobei offen blieb, was er mit „strukturell-negativ“ meinte.

Klar ist nur, was in der bis dato herrschende Struktur in der Fleischindustrie negativ ist. Aufgrund der komplizierten Sub-Sub-Unternehmer-Struktur fehlt es an einer Gesamtverantwortung. Wobei die größten Profiteure, die Unternehmer der Fleischkonzerne, beinahe jede Verantwortung auf irgendwelche Subunternehmen abwälzen können.


Wer in Glashaus sitzt ….

Das Schreiben des ehemaligen Fußballfunktionärs Clemens Tönnies an Hubertus Heil hatte vermutlich kaum das Briefkuvert verlassen, als ausgerechnet in seinem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück der bis dato heftigste Ausbruch in einem Schlachthof passierte. Die Verantwortungslosigkeit seiner Subunternehmen hat Herrn Tönnies so stark getroffen, dass er in einem Fernsehinterview mit entsetztem Blick scharf formulierte, so könne es nicht weitergehen.
Da geben wir ihm Recht. Was nicht weiter gehen kann, ist nämlich gerade das, was bundesweit als „System Tönnies“ bekannt ist. Und das ist nämlich gerade die unsägliche Sub-Sub-Struktur, die Unternehmer*innen wie Herrn Tönnies hübsch verdienen lässt, ohne wirkliche unternehmerische Verantwortung.


Hubertus Heil: die Arbeitsbedingungen und die Unterkünfte der Arbeiter in der Fleischindustrie sind oft unterirdisch

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern schon seit langem ein Verbot von Werkverträgen in der fleischverarbeitenden Industrie. Und sie kritisieren ebenso lange die zu geringe Kontrolldichte und den Personalabbau in den Arbeitsschutzbehörden, was zu Lasten der Beschäftigten ginge und dem Tierwohl widerspricht.

Die Bundesregierung hat Ende Juli 2020 den Entwurf eines Arbeitsschutzkontrollgesetzes vorgelegt, das Rahmenbedingungen für gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten schaffen soll. Dabei sollen verschiedene Eckpunkte des am 20. Mai 2020 vom Bundeskabinett beschlossenen „Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“ umgesetzt werden.

„Dass die Arbeitsbedingungen und die Unterkünfte der Arbeiter in der Fleischindustrie oft unterirdisch sind, war in den letzten Wochen unübersehbar - und nicht länger hinnehmbar. 16-Stunden-Tage und beengtes Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften akzeptieren wir nicht länger. Gezielte Kontrolle und klare Verhältnisse sind das Gebot der Stunde“, erklärte dazu Hubertus Heil.


Branchenübergreifende Standards für Unterkünfte

Man würde branchenübergreifend Standards für die Unterkünfte festlegen und dafür sorgen, dass die Arbeitgeber wieder unmittelbare Verantwortung für ihre Leute hätten und sich nicht hinter Sub-Konstruktionen wegducken könnten, teilte der Bundesarbeitsminister mit.  Die Verantwortungslosigkeit in Teilen der Fleischindustrie müsse beseitigt werden.

Der Einsatz von Werkvertrags- sowie Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern ist damit künftig in der Fleischindustrie nicht mehr zulässig. Für Verstöße gegen dieses Verbot sieht der Gesetzesentwurf entsprechende Bußgeldtatbestände vor. Handwerksbetriebe, die in den Bereichen der Schlachtung, Zerlegung oder Fleischverarbeitung tätig sind, sind allerdings von dem Verbot ausgenommen.


Die Bundesregierung will die Kontrolldichte verstärken

Für Unterkünfte von Beschäftigten wird es Mindestanforderungen geben.  Zudem ist eine Dokumentationspflicht im Hinblick auf die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkünften vorgesehen. Dadurch soll die Überwachungs- und Beratungstätigkeit der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden, der Unfallversicherungsträger sowie weiterer für die Gefahrenabwehr zuständiger Behörden unterstützt werden.

Zudem soll will die Bundesregierung die Kontrolldichte verstärken. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) soll eine Bundesfachstelle für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit eingerichtet werden, die dafür sorgt, dass die nach dem Gesetz vorgesehene Mindestbesichtigungsquote umgesetzt wird.

Die Bundesfachstelle soll darüber hinaus das Monitoring der Arbeitsschutzaufsicht durchführen und auf dieser Grundlage Beiträge zur nationalen und internationalen Berichterstattung erstellen.


Eine Ermächtigung des BMAS, spezielle Rechtsvorschriften zu erlassen

Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Ermächtigungsgrundlage, wonach das BMAS ohne Zustimmung des Bundesrates in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite wie der Corona-Krise befristet spezielle Rechtsverordnungen zu besonderen Arbeitsschutzanforderungen erlassen kann.
Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) soll ein Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit verankert werden, der übergreifende Aufgaben wahrnimmt und das ArbSchG konkretisiert, sofern Arbeitsschutzverordnungen keine spezielle Regelung enthalten.
Der DGB hat in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf die Maßnahmen im Wesentlichen begrüßt, sie aber in Teilen nicht für genügend ambitioniert gehalten.


Kontrolle ist besser

Tritt das Gesetz in Kraft, gibt es einen geeigneten rechtlichen Rahmen, das dem „System Tönnies“ den Garaus macht. Wobei nicht nur Schlachtbetriebe des Herrn Tönnies nach diesem System betrieben werden. Unternehmer*innen in der Lebensmittelindustrie müssen endlich selbst die Verantwortung dafür übernehmen, was in ihren Betrieben geschieht. Der gesundheitliche Schutz der Beschäftigten und das Tierwohl gehen dabei jedem Profitinteresse vor.
Das Gesetz muss noch Bundestag und Bundesrat passieren, bevor es in Kraft tritt. Danach kommt es darauf an, mit welchen Mitteln und wie häufig die Aktivitäten in den Schlachtbetrieben überwacht werden. Denn die Erfahrungen mit dem GSA Fleisch von 2017 haben gezeigt, dass Lenin mit vielem Unrecht hatte, mit einem aber nicht, wenn es um profitorientierte Unternehmer*innen geht: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Hier geht es zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz)

Hier geht es zur Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Referentenentwurf des Arbeitsschutzkontrollgesetzes vom 21.07.2020


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