

Die Vorwürfe, die ein Bochumer Innenausbau-Handwerksbetrieb gegenüber einem 33-jährigen ehemaligen Beschäftigten erhob, waren schon skurril: Ehrenrührig, beleidigend und geschäftsschädigend sollen sie gewesen sein, die Äußerungen, die der Ex-Beschäftigte in einer WhatsApp - Unterhaltung mit einem Bekannten gemacht hatte.
Diesen Chat empfand der Handwerksbetrieb als so dramatisch, dass er zunächst außergerichtlich eine Unterlassungserklärung verlangte. Als der Ex-Angestellte ablehnte, flatterte die Unterlassungsklage ins Haus.
Prozessvertretung durch die DGB Rechtsschutz GmbH
Da er Mitglied der IG Metall war, wandte sich der Handwerker an das Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH. Dort wunderte man sich nur. Wo waren die Vorwürfe? Wo die beleidigenden Äußerungen, deren Wiederholung der ehemalige Arbeitgeber unterbinden wollte? Was man dem Ex-Beschäftigten vorwarf, waren Allerweltsäußerungen, bei denen ein anrüchiger Inhalt nicht einmal ansatzweise erkennbar war.
Der ungeheuerliche Chatinhalt
Was der Handwerker gechattet hatte und dem Ex-Chef so missfiel? Die Firmenfahrzeuge seien, so der allerdings wahrheitsgemäße Chatinhalt, mit GPS ausgestattet; man könne sich nicht einmal zwischendurch einen Kaffee holen gehen.
Bereits fünf Leute habe der Handwerksbetrieb in letzter Zeit entlassen, so lautete die nächste „Ungeheuerlichkeit“, obwohl auch dieser „Vorwurf“ nachweislich der Wahrheit entsprach.
Wann ist jemand „hinterfotzig“?
Den „anrüchigsten“ Inhalt der gesamten Korrespondenz hatte ein Chat, in dem der Handwerker seinen ehemaligen Betriebsleiter als „hinterfotzig“ bezeichnet hatte.
Doch auch diesen Vorwurf konnte der zuständige Rechtsschutzsekretär entkräften: Hinterfotzig ist ein vor allem im süddeutschen Raum gebräuchlicher, umgangssprachlicher Ausdruck für hinterhältig. Also sicher auch nicht beleidigend.
Private WhatsApp-Unterhaltung ist geschützt
Außerdem seien, so der DGB-Jurist des Handwerkers weiter, alle Äußerungen in einem privaten Rahmen, nämlich in einer privaten WhatsApp-Unterhaltung, gefallen. Also nicht öffentlich, sondern in einem geschützten persönlichen Bereich.
Dieser Argumentation schloss sich auch das Arbeitsgericht Bochum an und wies die auf Unterlassung künftiger Wiederholungen entsprechender Äußerungen gerichtete Klage ab.
Recht auf freie Meinungsäußerung besonders geschützt
Das durch das Grundgesetz geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung habe einen hohen Stellenwert.
Außerdem sei der Rahmen zu berücksichtigen, in dem die Äußerungen gefallen seien. Hier habe es sich um eine WhatsApp-Unterhaltung gehandelt, die einer privaten Unterhaltung gleichzusetzen und entsprechend schützenswert sei. Das gelte auch, wenn einer der Gesprächsteilnehmer durch Weitergabe der Äußerungen die Vertraulichkeit aufgehoben habe.
„Hinterfotzig“: Beleidigung oder bayrisch derb?
Die Unterlassungsklage des Handwerksbetriebes wurde abgewiesen, ohne dass auch nur ansatzweise geklärt werden musste, ob der Vorwurf der Hinterfotzigkeit lediglich bayrisch derb oder schon beleidigend ist.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 16.5.2018, 3 Ca 297/18, können Sie hier nachlesen.
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Das sagen wir dazu:
Bisweilen ist es schon verwunderlich, mit welchen Lappalien sich die Gerichte beschäftigen müssen. Als gäbe es nichts Schlimmeres als wahrheitsgemäß zu sagen, die Firmenfahrzeuge seien mit GPS ausgestattet. Selbst wenn dies mit dem warnenden Unterton geschieht: „Fang dort bloß nicht an zu arbeiten!“
Auch die Behauptung, jemand sei hinterhältig, ist etwas, das der Betroffene aushalten muss, ohne gleich zum Gericht zu rennen.
In derartigen Fällen sind auch die beauftragten Rechtsanwälte aufgerufen, ihre Mandanten auf den Teppich zu holen und von einer Klage abzuraten, statt in erster Linie die Gebühren in ihrer Kasse klingeln zu hören.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht Bochum die Bedeutung der Meinungsfreiheit hervorgehoben, ungeachtet der Frage, wie die Chatkorrespondenz inhaltlich überhaupt zu bewerten ist.
Das sagen wir dazu