Kündigungsfalle Facebook, Mirko Schneidewind, Rechtsschutzsekretär, Leipzig
Kündigungsfalle Facebook, Mirko Schneidewind, Rechtsschutzsekretär, Leipzig

„Arbeitgeber: Menschenschinder & Ausbeuter / Leibeigener / dämliche Scheiße für Mindestlohn -20 % erledigen“: mit dieser Aussage hatte sich ein 27-jähriger Azubi zum Mediengestalter auf seinem Facebook-Profil unter der Rubrik „Arbeitgeber“ vorgestellt. Es folgte die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Chef.

Das Arbeitsgericht war im Kündigungsschutzverfahren noch davon ausgegangen, dass der Ausbildungsbetrieb zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen. Das Landesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung in der 2. Instanz aber als zulässig angesehen.

Facebook-Kommunikation wird zur Gefahr im Arbeitsverhältnis


Die bislang zum Thema Facebook veröffentlichten Urteile der Arbeitsgerichte sind Einzelfallentscheidungen. Bei der Beurteilung von Äußerungen kommt es immer auf die jeweilige Situation, den konkreten Wortlaut und die sonstigen Umstände an. Aber ein Vergleich der Entscheidungen lässt das Bemühen der Gerichte erkennen, die bisherige Rechtsprechung zu – bisher mündlichen – beleidigenden Bemerkungen auf entsprechende Äußerungen in Internet-Portalen zu übertragen.

Beleidigung oder Meinungsfreiheit: wo ist die Grenze?


Nach der ständigen Rechtsprechung können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, der Vorgesetzten oder auch Arbeitskollegen grundsätzlich auch eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Dabei stellt jedoch im Hinblick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht jede ausfällige Kritik bereits eine Beleidigung dar. Es muss hinzukommen, dass es bei der Äußerung nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um die Diffamierung der Person.

Wenn es sich tatsächlich um eine Beleidigung handelt, kommt es für den Arbeitsrichter darauf an, in welcher Form und in welchem Kreis diese Äußerungen gemacht worden sind.

Bei Beleidigungen von Vorgesetzten im kleineren Kollegenkreis darf der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass solche Bemerkungen nicht weitergegeben werden. Deshalb sind diese Äußerungen in vertraulichen Gesprächen vom Grundgesetz geschützt.

Wer sind meine Freunde bei Facebook?


Gerade diese Frage der Vertraulichkeit ist bei Facebook-Einträgen das Problem. Je nach Vorgabe des Nutzers kann der Leserkreis unüberschaubar groß sein. Hierzu hat das Arbeitsgericht Bochum richtigerweise entschieden, dass Einträge auf Facebook, die lediglich von Freunden des Verwenders gelesen werden können unter den Schutz des vertraulichen Wortes fallen, genau wie ein mündliches Gespräch unter Bekannten:

„Aufgrund des technischen Wandels ersetzt ein Chat im Internet immer häufiger das persönlich gesprochene Wort. Solange diese Dialoge nicht für jedermann zugänglich sind, sondern nur für einen überschaubaren Kreis von Personen bzw. Freunden, handelt es sich noch um ein vertrauliches ‚Gespräch‘, in dem die Wortwahl gegenüber dem Arbeitgeber auch mal drastischer Ausfallen kann.“

In diesem Verfahren ging es nicht um eine Kündigung, sondern um einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers wegen der Äußerung: „armseliger Saftladen und arme Pfanne von Chef. Hat noch nicht mal den Arsch in der Hose selbst anzurufen.“

Vertraulichkeit bei Facebook?


Anders hat dies das Arbeitsgericht Duisburg in einem Beleidigungsfall gesehen, in dem ein Beschäftigter seine Kollegen auf seiner Facebook-Seite grob beleidigt hatte („hat jemand euch ins Gehirn geschissen?“).
 
Das Gericht hat darauf hingewiesen, ein Kommentar bei Facebook sei nicht mit einem Gespräch vergleichbar. Auch wenn auf den Eintrag nur Facebook-Freunde oder deren Freunde Zugriff haben, könne von Vertraulichkeit nicht ausgegangen werden. In diesem Fall kann eine beleidigende Äußerung deshalb einen Grund für eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung darstellen.

Ähnlich hat es das Arbeitsgericht Dessau gesehen. Im dortigen Fall hatte die Klägerin einen beleidigenden Eintrag im Facebook-Profil eines Dritten mit „gefällt mir“ markiert. Nur vor diesem Hintergrund hat das Gericht eine Abmahnung als ausreichende Sanktion angesehen und sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam erklärt.

Die Entwicklung der Rechtsprechung ist offen – Vorsicht bei Facebook-Äußerungen


Immer mehr Menschen nutzen für Ihre Unterhaltungen und vertraulichen Gespräche Plattformen wie Facebook. Dabei wird die Kommunikation allerdings zwangsläufig schriftlich festgehalten. Deshalb ist es wichtig, daran zu denken: Wer kann mitlesen?

Solange hierzu aber keine gefestigte Rechtsprechung vorliegt, bergen Beleidigungen des eigenen Arbeitgebers oder von Kollegen auf Portalen wie Facebook jedenfalls ein großes Risiko. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern empfehlen wir deshalb dringend, unsachliche, polemische oder beleidigende Kritik gegenüber Arbeitgebern oder Kollegen nicht über Facebook und ähnliche Portale zu äußern. Zum Dampf ablassen eignet sich ein persönliches Gespräch immer noch am besten.

Wenn es um wirkliche Missstände und berechtigte sachliche Kritik geht, ist die Äußerung natürlich richtig und wichtig. Aber bevor man sich dabei der Gefahr einer Kündigung aussetzt, sollte man sich zunächst an ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens, an die Gewerkschaft oder an Rechtsbeistand wie die Rechtssekretärinnen und Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH wenden.

 

Mirko Schneidewind, Leipzig