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Rechtspolitischer Kongress - Bessere Rechtsdurchsetzung im Arbeitsrecht durch Offenlegungspflichten und Verbandsklagerecht?

Dr. Till Bender berichtet für dgbrechtsschutz.de vom Rechtspolitischen Kongress
Dr. Till Bender berichtet für dgbrechtsschutz.de vom Rechtspolitischen Kongress

„Wo kein Kläger, da kein Richter,“ sagt der Volksmund. Und gerade im Arbeitsrecht scheuen die meisten Menschen den Gang vor das Gericht aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu gefährden. Wie kann es dennoch gelingen, Rechtsverstöße in Unternehmen aufzudecken und zu sanktionieren? Auf dem Rechtspolitischen Kongress der Friedrich-Ebert Stiftung, dem DGB und der Hans-Böckler-Stiftung diskutierte ein fachkundiges Podium zwei Ansätze.

Ein Ansatz besteht darin, den Unternehmen die Verpflichtung aufzuerlegen, bestimmte Beschäftigungsbedingungen offen zu legen. Hiervon verspricht man sich eine abschreckende Wirkung, da die Öffentlichkeit und vor allem die Konsumenten 

Unternehmen mit schlechten Beschäftigungsbedingungen anprangern können.

Pflicht zur Offenlegung ?

Professor Alexander Roßnagel von der Universität Kassel  lotete in seinem Einleitungsvortrag die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Regelung aus.

Auf europäischer Ebene werde derzeit über eine Verschärfung der bestehenden Regelungen diskutiert, da die Offenlegung derzeit faktisch nur freiwillig geschehe.

Verfassungsrechtlich zulässig

In seinem Beitrag setzte sich Roßnagel zudem schulbuchmäßig mit der Verfassungsmäßigkeit von Offenlegungspflichten auseinander, wobei er zu dem Ergebnis kommt, dass bei entsprechender Ausgestaltung solche durchaus mit der grundrechtlich geschützten Freiheit der Unternehmen aus Art. 12 GG in Einklang zu bringen wären.

Die Pflichten, die den Unternehmen auferlegt werden dienen dem Schutz des Allgemeinwohls als übergeordnetem Verfassungsgut. Insbesondere freiwillige Berichte seinen zwar weniger einschneidend, im Ergebnis jedoch bei weitem nicht so effektiv.

Zu klären seien jedoch noch viele Detailfragen, etwa welche Daten veröffentlicht werden und wer schließlich die Richtigkeit der Berichte attestieren soll. 

Auch über eine entsprechende Aufbereitung der Daten müsse noch gesprochen werden, da nackte Zahlen oft nicht aussagekräftig seien.

Öffentliche Kontrolle kann Verhalten beeinflussen

In Ergänzung zu diesen verfassungsrechtlichen Erwägungen stellte Michael Fuchs als zuständiger Referent der Friedrich-Ebert-Stiftung die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dar. 

Er verwies auf die sich stark ändernde Arbeitswelt, in der längst nicht in jedem Betrieb ein Betriebsrat auf die Einhaltung von fairen Arbeitsbedingungen achte. Demgegenüber sei eine Offenlegungspflicht sinnvoll, da der drohende Ansehensverlust bei negativen Ergebnissen die Unternehmen zwinge, selbst auf gute Arbeitsbedingungen zu achten.

Klage bei Missbrauch von Tarifverträgen

Dem pflichtete auch Rechtsanwältin Dr. Miriam Saage-Maaß bei, die aus ihrer Funktion als stellvertretende Legal Director beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) heraus die Situation in anderen Staaten der Welt anschaulich darstellte und sich ebenfalls gegen nur freiwillige Berichte aussprach. Hier sei überhaupt nicht sichergestellt, dass die relevanten Fakten ans Tageslicht kämen und erst recht nicht, dass bei Missständen entsprechend abgeholfen werde.

„Die Leute wollen trotzdem ein iPad“

Dem widersprach Rechtsanwalt Heribert Jöris vom Handelsverband Deutschland in einem leidenschaftlichen Plädoyer. Die Unternehmen hätten anderes zu tun, als weitere Berichte zu schreiben, der permanente Rechtfertigungsdruck sei unangemessen. Zudem bezweifelte Jöris die Wirksamkeit derartiger Berichte: Die Prangerwirkung funktioniere ja schon bei derzeit bekannten Missständen nicht, wie man deutlich am Beispiel eines großen Internet-Versandhandels sehe.

Nur Rechtskontrolle, nicht Ethos

Dies sah Rainald Thannisch vom DGB-Bundesvorstand naturgemäß anders: Er betonte noch einmal die Wichtigkeit der Transparenz und warb für klare Kriterien bei der Offenlegungspflicht. Dabei gehe es um die reine Einhaltung vorn Regeln, etwa der ILO-Kernprinzipien. Ob ein Unternehmen nach ethischen Gesichtspunkten handle, sei dabei noch überhaupt nicht thematisiert.

Fazit

Insgesamt wurde deutlich, dass die Offenlegungspflichten rechtlich möglich sind, dass die Ausgestaltung jedoch derzeit weitgehend offen ist. 

Welche Fakten offen zu legen sind und in welcher Form dies geschehen soll, wer für die Richtigkeit der Berichte bürgt und wie Verstöße sanktioniert werden sollen, hierüber besteht weitestgehend noch Diskussionsbedarf. 

Und schließlich: Nachdem Deutschland bereits auf europäischer Ebene als Bremser aufgetreten ist, scheint trotz neuer Bundesregierung fraglich, ob ein solches Instrumentarium politisch durchsetzbar wäre.

Verbandsklagerecht

Der zweite Teil der Veranstaltung behandelte das Verbandsklagerecht als weitere Möglichkeit, Rechtsschutz über die Möglichkeit der Individualklage hinaus zu gewährleisten. 

Eine Übertragung dieses aus dem Verbraucherschutzrecht stammenden Instrumentariums hielt Hauptreferent Professor Armin Höland von der Universität Halle-Wittenberg für möglich und wünschenswert.

Ein kollektives Klagerecht sei immer dann sinnvoll, wenn Rechtsschutz sonst nicht effektiv zu gewährleisten sei, etwa weil der Einzelne nur minimale Einschränkungen erfährt, wegen derer sich eine Klage im Einzelfall zwar nicht lohne, die in der Summe aber erhebliche Schäden anrichten können. 

Auch wenn es keine subjektive Rechtsverletzung vorliege oder bei Groß- und Massenschäden sei eine Kollektivklage sinnvoll.

Arbeitnehmer schützen wie Verbraucher

Die genannten Fälle führten im Verbraucherschutzrecht dazu, dass es ein Klagerecht für Verbände gibt, das im Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) statuiert ist. Dies gelte jedoch nicht für das Arbeitsrecht.

Prof. Höland hielt diese Ausnahme für nicht zu rechtfertigen, da Arbeitnehmer in ähnlicher Form wie Verbraucher schützenwert seien. 

Ein Machtgefälle ergebe sich insbesondere aus der Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses als Herrschaftsverhältnis sowie aus der oft strukturellen intellektuellen Unterlegenheit.

Dies gelte insbesondere für die Arbeitsverhältnisse von prekär Beschäftigten, die in Betrieben ohne Betriebsrat arbeiten und die auch keinen Rechtschutz über die Gewerkschaft haben. In diesen Arbeitsverhältnissen finde Rechtsschutz quasi nicht statt, der Arbeitnehmer sei faktisch rechtlos gestellt.

Es sei daher aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten, die Arbeitsverhältnisse in das UKlaG aufzunehmen. 

Verhältnis zum Individualrechtsschutz

Er warf jedoch gleichzeitig die Problematik auf, wie der Kollektivschutz in das bestehende System des Individualrechtsschutzes zu integrieren sei.

An dieser Stelle hakte auch die erste Kommentatorin, die Rechtsanwältin und ehemalige Richterin am Landesarbeitsgericht Ingrid Heinlein ein: Der Teufel stecke, wie so oft, im Detail. 

Eine Abstimmung zwischen Verbandsklage und dem Klagerecht des Einzelnen sei problematisch. Sie plädierte daher für ein „echtes Verbandsklagerecht“ der Gewerkschaften bei Missbrauch der von ihnen geschlossenen Tarifverträge.

Dies gelte insbesondere in Anbetracht der im Arbeitsrecht üblichen Ausschlussfristen, so resümierte Karsten Jessolat vom DGB Rechtsschutz. 

Ausschlussfristen

Der Leiter des Gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht arbeitete heraus, dass die Ausschlussfristen schon in den equal-pay-Verfahren dazu geführt hätten, dass Arbeitnehmer ihrer Rechte verlustig gegangen seien und dies auch bei Verbandsklagen drohe. Jessolat sprach sich für eine Hemmung der entsprechenden Verjährungs- und Ausschlussfristen aus.

Schließlich fasste Prof. Holger Brecht-Heitzmann von der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit den Stand der Diskussion noch einmal zusammen: Ein Verbandsklagerecht sei aufgrund des Gebotes effektiven Rechtsschutzes grundrechtlich notwendig.

Das bestehende System der reinen Individualklage sei unzureichend. Dieses Instrument sei dem Arbeitsrecht auch nicht völlig fremd. Die Verbände, insbesondere die Gewerkschaften sollten daher ein Klagerecht erhalten, wobei es zur Effektivität auch gehöre, dass die Klage zur Hemmung von Verjährungs- und Ausschlussfristen führe.

Fazit

Ähnlich wie bei der Offenlegungspflicht handelt es sich beim Verbandsklagerecht um ein mögliches und sinnvolles Instrument zur effektiven Rechtsdurchsetzung, dessen genaue Ausgestaltung jedoch weiterer Präzisierungen bedarf. Wichtiger ist sicher, die politische Diskussion nicht abreißen zu lassen.

Die Diskussion geht weiter

Hierzu hat die Veranstaltung beigetragen. Die Veranstalter haben das alte Problem, dass Arbeitnehmer erst dann ihre Rechte einklagen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und viele Ansprüche dann schon untergegangen sind, neue Lösungsansätze entgegen gesetzt. 

Für das interessierte Fachpublikum gab es einige Antworten und noch mehr Fragen. Kein schlechtes Ergebnis für eine rechtspolitische Veranstaltung.

Dr. Till Bender, Nürnberg

Homepage des Rechtspolitischen Kongresses:

http://www.rechtspolitischer-kongress.de/inhalte/forum6.php

mit weiteren Links zu den diskutierten Themen

Gegenwärtige Rechtslage zur Offenlegungspflicht (§ 289 III HGB)

http://www.gesetze-im-internet.de/hgb/__289.html

Gegenwärtige Rechtslage zum Verbandsklagerecht (UklaG)

http://www.gesetze-im-internet.de/uklag/

Gesetzentwurf Verbandsklagerecht (Hans-Böckler-Stiftung)

http://www.boeckler.de/pdf/p_edition_hbs_72.pdf