Kleider machen Leute – das gilt aber nicht unbedingt für Prüfungen. Copyright by Adobe Stock/WavebreakmediaMicro
Kleider machen Leute – das gilt aber nicht unbedingt für Prüfungen. Copyright by Adobe Stock/WavebreakmediaMicro

Die Klägerin studierte im Masterstudiengang „Recht für die öffentliche Verwaltung“ an einer Berliner Hochschule. In einem ihrer Fächer meldete sie sich für die mündliche Prüfung an. Die Dozentin übermittelte den Prüfungskandidaten im Vorfeld die Kriterien nebst Punkteskala, die für die mündliche Prüfung maßgebend sein sollten.
 

Die Klägerin sollte einen Vortrag in der Kategorie „Präsentationsweise“ halten

Die Klägerin sollte auch einen Vortrag in der Kategorie „Präsentationsweise“ halten. Die Dozentin wies hinsichtlich dieses Studienfaches darauf hin, sie erwarte in der Prüfung ein sicheres und überzeugendes Auftreten mit einem Kleidungsstil, der dem Charakter der Prüfung angemessen sei.
 
Später richtete sie noch eine E-Mail an die Prüfungskandidaten, in der sie darauf hinwies, in der Prüfung werde ein angemessenes, dezentes und ansprechendes Kleidungsbewusstsein bewertet. Angesichts der Temperaturen zum Prüfungszeitpunkt änderte sie die Vorgaben aber noch einmal. Sie verzichtete nun auf einen strengen formalen, geschäftlichen Dress-Code.
 

Die Klägerin erzielte in der Prüfung die Note 1,7

Die Klägerin erzielte in der mündlichen Prüfung die Note 1,7. Sie erhielt einen Abzug in der Kategorie „Präsentationsweise“. Diesen Punktabzug begründete die Dozentin damit, der Kleidungstil der Klägerin habe eher einem Alltagsoutfit entsprochen. Sie habe eine Jeans und ein Oberteil mit Punkten getragen.
 
Die Klägerin verlangte hierzu eine Erklärung. Die Dozentin gab daraufhin an, die Klägerin habe in der Prüfung eine Blue-Jeans getragen. Das sei ein „Casual“-Kleidungsstück und zudem bei 35° Außentemperatur als luftiges Kleidungsstück ungeeignet gewesen.
 

Die Klägerin hätte eine weiße Leinenhose tragen können

Die Klägerin hätte auf eine weiße Leinenhose und ein Blackshirt mit einer Ethno- Kette zurückgreifen können. Möglich wäre auch ein lieblicher oder strenger Blouson gewesen. Des Weiteren wäre auch ein Top mit elegantem Kurzjackett in Betracht gekommen.
 
Das Verwaltungsgericht folgte der Rechtsauffassung der beklagten Hochschule nicht. Es verpflichtete die Beklagte, der Klägerin ein neues Abschlusszeugnis mit der Note 1,3 auszustellen.
 

Der Abzug eines Punktes für die getragene Kleidung stellt einen Fehler in der Bewertung dar

Der Abzug eines Punktes für die getragene Kleidung der Klägerin stelle einen Fehler in der Bewertung dar. Zwar sei es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, eine Prüfungsleistung auch anhand des Kriteriums „Kleidung“ zu bewerten. Das gelte jedoch nur für Prüfungen, in denen die Kleidung selbst Prüfungsgegenstand sei. Beispielsweise im Fach Mode Design sei das der Fall. Bei offensichtlichem Bezug zum Prüfungsgegenstand, etwa im Zusammenhang mit der Sicherheitskleidung von Feuerwehrleuten, könne ebenfalls auf die Kleidung geachtet werden.
 

Die Dozentin hatte lediglich vorgegeben, eine dem Charakter der Prüfung angemessene Kleidung zu tragen

Vorliegend habe die Dozentin den Studierenden lediglich vorgegeben, eine dem Charakter der Prüfung angemessene Kleidung zu tragen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, inwiefern die Kleidung der Klägerin bezogen auf den Charakter der Prüfung unangemessen war.
 
Die Leistungsanforderungen der Dozentin stellten sich damit als zu unbestimmt dar. Die Kleiderauswahl der Klägerin sei angesichts dessen durchaus vertretbar gewesen. Das könne nicht zu einem Abzug führen.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 19. Februar 2020

Das sagen wir dazu:

Dass man sich bei Prüfungen ordentlich anzieht, ist selbstverständlich. Wenn es jedoch keine speziellen Kleidervorgaben gibt, ist grundsätzlich alles gestattet, was sauber, ordentlich und dem Anlass angemessen ist.

Kommt es wegen der Kleiderauswahl zu einem Punkteabzug, empfiehlt es sich durchaus, zu überlegen, ob das gerechtfertigt ist.

Prüfungsentscheidungen können gerichtlich zwar nur eingeschränkt geprüft werden. Entscheidungen der Prüfer sind nämlich überwiegend subjektive Bewertungen. Hier kann das Gericht normalerweise seine Rechtsauffassung nicht an die Stelle der Entscheidung der Prüfer stellen.

Ist jedoch wie hier klar, dass der Punktabzug wegen des Kleidungsstils erfolgt und ist im Übrigen des Weiteren klar, was die Klägerin getragen hatte, so kann das Gericht schon konkret entscheiden. Deshalb wurde die Hochschule hier nicht verurteilt, ein neues Prüfungszeugnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Das Gericht konnte vielmehr die Note selbst festlegen.