Beamt*innen im Justizvollzugsdienst haben keinen einfachen Job. Manchmal ist er sogar gefährlich. Gewalttätige Übergriffe von Gefangenen sind nicht auszuschließen. Zwar ist die Lage ausweislich einiger Untersuchungen in deutschen Gefängnissen nicht dramatisch. Es kommt aber durchaus immer wieder einmal zu körperlichen Übergriffen. Auch Gewalt zwischen Gefangenen, auf die die Beamt*innen reagieren müssen, kommt im Knastalltag vor.
Sicherlich gibt es auch Übergriffe von Seiten einzelner Beamt*innen auf Gefangene. Das soll hier aber nicht thematisiert werden.
Vollzugsbeamt*innen können sich im Dienst durch Angriffe von Gefangenen erheblich verletzen
Auch wenn Studien zeigen, dass das eigentliche Gewaltproblem im Strafvollzug im Verhältnis der Gefangenen untereinander besteht und nicht im Verhältnis zwischen Vollzugsbeamt*innen und Gefangenen, kommt es immer wieder dazu, dass Beamt*innen im Dienst erheblich verletzt werden, insbesondere auch bei „Gefangenenrevolten“.
Die Justiz setzt deshalb auf Maßnahmen zur Gewaltprävention, die jedoch nicht ausschließen können, dass immer wieder Vollzugsbeamt*innen durch Handlungen von Gefangenen verletzt werden. Betroffenen kann ein Anspruch auf Dienstunfallfürsorge zustehen. Daneben stehen ihnen aber auch Ansprüche gegen den Schädiger zu. Interessant sind in diesem Zusammenhang etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld, die sich gegen den „revoltierenden“ Gefangenen richten. Hier ergibt sich das Problem, dass der Schädiger häufig mittellos ist und ein gegen ihn erwirktes Urteil nicht vollstreckt werden kann.
Dienstherr kann Schmerzenzgeldansprüche gegen Gefangene unter gewissen Voraussetzungen übernehmen
Das Bundesbeamtengesetz (§ 78a BBG) und die meisten Landesbeamtengesetze sehen seit einiger Zeit vor, dass Schmerzensgeldansprüche gegen Dritte unter bestimmten Voraussetzungen auf den Dienstherrn übergehen. Nach § 78a BBG soll der Dienstherr auf Antrag die Zahlung auf diesen Anspruch bis zur Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldanspruchs übernehmen, sofern dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist.
Voraussetzung ist indessen, dass eine Beamtin oder ein Beamter wegen einer vorsätzlichen Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung, die ihr oder ihm wegen ihrer oder seiner Eigenschaft als Amtsträgerin oder Amtsträger zugefügt worden ist, einen durch ein rechtskräftiges Endurteil eines deutschen Gerichts festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten hat.
Die Behörde hat für die Übernahme des Schmerzensgeldanspruchs Soll-Ermessen
Das Ganze hat also einige Hürden: es ist eine Sollvorschrift und die/der Beamt*in muss die „unbillige Härte“ nachweisen. Bei einer Sollvorschrift hat der Dienstherr ein wenn auch eingeschränktes Ermessen. Die im Gesetz beschriebene Rechtsfolge ist der Regelfall. Sie ist jedoch nicht zwingend. In Ausnahmefällen kann die Behörde daher von der vorgegebenen Rechtsfolge abweichen.
Die „Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeld“ gibt es auch noch nicht in allen Bundesländern, sodass Landesbeamt*innen nicht immer eine solche geltend machen können. Entsprechende Regelungen enthalten etwa die Landesbeamtengesetze von Bayern (§ 97), Rheinland-Pfalz (§ 71a) Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (jeweils § 83a).
Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte kürzlich folgenden Fall zu entscheiden:
Im Juli 2018 erlitt ein Landesbeamter im Justizvollzugsdienst nach dem gewalttätigen Übergriff eines Inhaftierten eine Verletzung an der Hand. Er leidet zudem an einer Gürtelrose, die er auf die Straftat zurückführt. Gegen den Täter ordnete das zuständige Strafgericht im Rahmen eines Sicherungsverfahrens die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankhaus an. In diesem Zusammenhang stellte es fest, der Täter habe aufgrund einer psychischen Erkrankung ohne Schuld gehandelt.
Ein Zivilgericht sprach dem Beamten durch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € zu. Der Straftäter ist indessen vermögenslos, sodass es der Vollzugsbeamte nicht vollstrecken konnte.
Es liegt eine Ausnahme von der Regel vor, weil die Schuldunfähigkeit des Täters im zivilrechtlichen Verfahren nicht berücksichtigt wurde
Deshalb bat der Beamte seinen Dienstherrn um Erfüllung des Schmerzensgeldanspruchs. Dies lehnte die zuständige Justizvollzugsanstalt aber ab. Hiermit war der Beamte nicht einverstanden und erhob beim Verwaltungsgericht Koblenz nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage.
Das Gericht wies die Klage ab. Zwar gibt es auch in Rheinland-Pfalz „Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeld“. Allerdings habe die zuständige Stelle, so das Gericht, die in ihrem Ermessen stehende Entscheidung fehlerfrei getroffen und die Erstattung der 7.500,00 € zu Recht abgelehnt. Der Schmerzensgeldanspruch sei durch ein Versäumnisurteil festgestellt worden, weil der Straftäter in dem Verfahren keine Einwendungen geltend gemacht habe. Die bei ihm festgestellte Schuldunfähigkeit sei in dem zivilrechtlichen Verfahren nicht berücksichtigt worden. Wäre sie vorgebracht worden, hätte das Zivilgericht den Schmerzensgeldanspruch ablehnen müssen. Der Beamte könne aber von seinem Dienstherrn, der an der zivilgerichtlichen Auseinandersetzung nicht beteiligt gewesen sei, nicht erwarten, ihm aus öffentlich-rechtlichen Mitteln einen in der Sache unbegründeten Anspruch zu erfüllen. Dies übersteige die Fürsorgepflicht, die das Land für seine Beamten habe.
Hier geht es zur Entscheidung des VG Koblenz (PDF)
Rechtliche Grundlagen
Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen
(1) Haben Beamtinnen und Beamte wegen eines rechtswidrigen Angriffs, den sie in pflichtgemäßer Ausübung des Dienstes oder im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Stellung erleiden, einen durch rechtskräftiges Urteil festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld von mindestens 250 EUR gegen einen Dritten, kann der Dienstherr auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldes übernehmen, soweit die Vollstreckung erfolglos geblieben ist. Die Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1, 4, 4 a und 5 der Zivilprozessordnung stehen einem rechtskräftigen Urteil gleich, wenn sie ebenfalls Rechtskraft erlangt haben oder unwiderruflich sind und das dem Anspruch auf Schmerzensgeld zugrunde liegende Ereignis als Dienstunfall anerkannt ist. Die Zahlung des Dienstherrn darf den Betrag, der mit Rücksicht auf die erlittenen immateriellen Schäden angemessen ist, nicht übersteigen.
(2) Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils oder der Unwiderruflichkeit des Titels unter Nachweis des Vollstreckungsversuchs zu beantragen.
(3) Für einen Vollstreckungstitel, der vor dem 15. Februar 2018 erlangt wurde und bei dem der Eintritt der Rechtskraft oder der Unwiderruflichkeit nicht länger als zwei Jahre zurückliegt, kann der Antrag innerhalb einer Ausschlussfrist