Selbst wenn mal auf den ersten Blick nichts zu tun ist; Großeinsätze der Polizei erfordern ständige Einsatzbereitschaft.
Selbst wenn mal auf den ersten Blick nichts zu tun ist; Großeinsätze der Polizei erfordern ständige Einsatzbereitschaft.

Ganze Hundertschaften von Polizeibeamt*innen befanden sich 2015 beim G-7-Gipfel in Elmau sowie bei der anschließenden Bilderberg-Konferenz. Sie mussten sich jederzeit bereithalten. unverzüglich zum Einsatz zu kommen und verfügten deshalb regelmäßig über ein Dienst-Handy. Auch die Dienstwaffe einschließlich Munition führten sie durchweg mit sich. Ihren Aufenthalt konnten die Beamt*innen nur eingeschränkt selbst wählen.
 

 

Es gab eine umfassende Einsatzplanung mit Mehrarbeit

 
Die Einsätze waren grundsätzlich und umfassend geplant. Die Gesamteinsatzleitung verfasste dafür mehrere Einsatzbefehle. Alle Einheiten wechselten zwischen Volldienst, Ruhe in der Unterkunft und Bereitschaft. Der Einsatzbefehl selbst ordnete im Regelfall bereits Mehrarbeit an. Die Beamt*innen waren gemeinsam mit der jeweiligen Hundertschaft in einem Hotel vor Ort untergebracht.
 
Der Dienstplan enthielt zwar Ruhepausen. Während dieser Ruhepausen bestand aber die Pflicht, im Falle eines Einsatzes jederzeit zur Verfügung zu stellen. Die Ruhepausen wertete der Dienstherr nicht als Arbeitszeit.
 

Es gab Verfahren in ganz Deutschland

 
In verschiedenen Verfahren in ganz Deutschland beantragten Betroffene, die Ruhepause als Arbeitszeit zu werten. Nach ihrer Auffassung stellte die Bereitschaft während der Pause Mehrarbeit dar, für die ihnen ein Freizeitausgleich zustand.
 
Im Fall mehrerer Bundespolizist*innen ließ das Bundesverwaltungsgericht schon Mitte letzten Jahres die Revision zu. In den Verfahren stünden Rechtsfragen zur Entscheidung an, die von grundsätzlicher Bedeutung seien.
 

Das Bundesverwaltungsgericht wollte eine grundsätzliche Klärung herbeiführen

 
Das Bundesverwaltungsgericht verwies darauf, es habe im Rahmen des Revisionsverfahrens nun die Gelegenheit, die Voraussetzungen für die Gewährung von Freizeitausgleich rechtsgrundsätzlich zu klären. Es gehe dabei um die in den Einsatzbefehlen und Dienstplänen eines polizeilichen Einsatzes vorgesehenen „Ruhezeiten“ als Einsatzzeiten. Das Gericht wolle sich insbesondere auch mit der Mehrarbeit nach § 88 Bundesbeamtengesetz (BBG) befassen.
 
Lesen Sie dazu:
 
Die Anordnung von Mehrarbeit bei großem Polizeieinsatz
 

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Anspruch auf Freizeitgleich

 
In seiner Entscheidung vom 29. April 2021 bestätigt das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch der Betroffenen auf Freizeitausgleich. Bei ihrem Einsatz während des G7-Gipfels in Elmau und der anschließenden Bilderberg-Konferenz seien die im Dienstplan enthaltenen Ruhepausen wie Arbeitszeit zu werten.
 
Es habe während dieser Pausen in den Unterkünften vor Ort Einschränkungen gegeben, um für eine eventuell notwendig werdende Heranziehung bereit zu sein.
 

Das Gesetz geht von Mehrarbeit aus

 
Das ergebe sich aus § 88 BBG und aus § 11 Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG). Würden Beamte*innen durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, müsse der Dienstherr ihnen für die Arbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisteten, entsprechende Dienstbefreiung gewähren.
 
Das gelte insbesondere bei polizeilichen Einsätzen und Übungen, die mehr als einen Tag lang dauerten. Der Dienstherr müsse dann einen einheitlichen Freizeitausgleich festsetzen, der die Dauer des Einsatzes oder der Übung und die damit verbundene dienstliche Beanspruchung angemessen berücksichtige.
 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich dem Europäischen Gerichtshof an

 
Das Bundesverwaltungsgericht geht bei den in den Dienstplänen vorgesehenen Ruhezeiten der Bundespolizist*innen davon aus, dass es sich um Bereitschaftsdienst gehandelt habe. Es schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof an.
 
Dieser Bereitschaftsdienst sei Arbeitszeit, weil der Dienstherr während dieser Zeit das Recht der Beamt*innen, selbst zu bestimmen, wo und wie sie die freie Zeit verbrachten, durch verschiedene Vorgaben in erheblicher Weise eingeschränkt hatte.
 
Die Betroffenen hätten ihre persönliche Ausrüstung einschließlich der Waffen ständig bei sich führen müssen. Sie seien auch verpflichtet gewesen, jederzeit erreichbar zu sein. Ihre Unterkunft hätten sie allenfalls zu bestimmten Anlässen und nur nach vorheriger Genehmigung, nicht jedoch nach eigenem Belieben verlassen dürfen.
 

Die Ruhepause war ein „Sich-Bereit-Halten“

 
Diese Zeiten sind damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts eine „Sich-Bereit-Halten“ gewesen. Der Dienstherr müsse sie deshalb im Rahmen von § 88 BBG wie Volldienst im Umfang 1:1 ausgleichen.
 
Nichts anderes gelte für den Einsatz bei der Bilderberg-Konferenz, die sich dem G-7-Gipfel in Elmau anschloss. Hier hatte der Dienstherr nach dem Bundespolizeibeamtengesetz eine pauschalierte Abrechnung der Einsatzzeiten nach dem Bundespolizeibeamtengesetz gewählt.
 

Eine Pauschalierung nach dem BPolBG setzt tatsächliche Ruhezeiten voraus

 
Das Bundesverwaltungsgericht sagt dazu, die Befugnis zur Pauschalierung setze voraus, dass es in dem Einsatzzeitraum auch Stunden gebe, die tatsächlich Ruhezeit, also keine Arbeitszeit, seien. Daran fehle es aber.
 
Deshalb müsse der Dienstherr auch hier gemäß § 88 BBG Freizeitausgleich gewähren. Die so bezeichneten Ruhezeiten müsse er als Zeiten des Bereitschaftsdienstes ausgleichen. Dies habe im Verhältnis 1:1 zu geschehen.
 

Die Rechtslage ist geklärt

 
Lange, bundesweit geführte Prozesse haben damit ihren Abschluss gefunden. Ganz besonders hervorzuheben ist, dass die DGB Rechtsschutz GmbH zum Ausgang der Verfahren erheblich beitragen konnte.
 
Karsten Jessolat, Leiter des Gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH vertrat insgesamt vier Kläger und meinte im Anschluss an die ausführliche mündliche Verhandlung zur Kardinalfrage des Rechtsstreits, ob Ruhezeiten im Hotel in Uniform Arbeitszeit sein können: „Erfreulicherweise ist in unserem Sinne entschieden worden“.
 
Da geben wir ihm gerne recht.

Rechtliche Grundlagen

§ 88 BBG, § 11 BPolBG

https://www.gesetze-im-internet.de/bbg_2009/__88.html

https://www.gesetze-im-internet.de/bpolbg/__11.html