Natrium-Pentobartital fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und kann nur mit Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erworben werden. Copyright by Adobe Stock/ felipecaparr
Natrium-Pentobartital fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und kann nur mit Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erworben werden. Copyright by Adobe Stock/ felipecaparr

Natrium-Pentobarbital ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Barbiturate, früher eingesetzt als Schlafmittel. Hoch dosiert führt es zu einem Atem- und Herzstillstand. Das Mittel fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und kann nur mit Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erworben werden.
 
Ein Mann aus Meißen, erkrankt an Chorea Huntington und Leukämie, hatte eine solche Erlaubnis beantragt. Da er diese nicht erhielt, beschritt er den Rechtsweg.
 

 

Einstweiliges Rechtsschutzverfahren beginnt beim Verwaltungsgericht Köln

Wegen der langen Verfahrensdauer einer Klage beim Verwaltungsgericht, stellte er auch einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung, um das Bundesinstitut zu verpflichten, ihm vorläufig eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen.
 
In einem solchen Eilverfahren entscheiden die Verwaltungsgerichte auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen, zumeist ohne mündliche Verhandlung. Eine Beweisaufnahme findet nicht statt. Wer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellt, muss alle Tatsachen, auf die es für den Anspruch an sich sowie die Eilbedürftigkeit ankommt, glaubhaft (= überwiegend wahrscheinlich) machen.
 

Ist das Abgabeverbot von Natrium-Pentobarbital verfassungsgemäß?

Beim Verwaltungsgericht Köln sind mehrere Klagen schwerstkranker Menschen anhängig, die mit Hilfe des Medikaments sterben möchten, dies aber in Deutschland nicht erwerben dürfen. Die Verfahren sind ausgesetzt, bis sich das Bundesverfassungsgericht dazu äußert, ob das Abgabeverbot aus dem Betäubungsmittelgesetz verfassungsgemäß ist.
 
Das Bundesverwaltungsgericht war mit der Frage bereits befasst und hat das Abgabeverbot verfassungskonform ausgelegt. Das Ergebnis: Das gesetzliche Verbot sei ausnahmsweise nicht mehr gerechtfertigt, wenn sich der Erwerber des Mittels in einer extremen Notlage befinde.
Eine extreme Notlage liegt danach vor, wenn

  • die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führt und nicht ausreichend gelindert werden kann,
  • der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und
  • ihm eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht.

 
Der schwerkranke Mann aus Meißen unterlag im Eilverfahren beim Kölner Verwaltungsgericht und in zweiter und letzter Instanz auch beim nordrheinwestfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG).
 

OVG verneint eine extreme Notlage

Es sei in diesem Fall zumutbar, auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu warten. Der Krankheitszustand des Mannes sei nach seinem Vortrag nicht mit derart gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden, die zu einem unerträglichen Leidensdruck führen würden und nicht ausreichend gelindert werden könnten.
 
Das OVG berief sich in zweifacher Hinsicht auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Da das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt wurde, habe sich die Situation für Suizidwillige verbessert. Es sei nunmehr möglich und deshalb auch zumutbar, nach Alternativen wie medizinisch kundigen Suizidbeihelfern zu suchen.
Ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel gegenüber dem Staat bestehe, sei hingegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr noch offen. Solche schwierigen Rechtsfragen könnten nicht im Eilverfahren geklärt werden.
 

Gebot der besonders sorgfältigen Überprüfung des autonomen Willens zur Selbsttötung

Das OVG hob besonders die hohen Anforderungen an eine Vorwegnahme der Hauptsache hervor. Würde im Eilverfahren eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital erteilt und der Sterbewunsch umgesetzt, könnten die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden.
 
Dem Gericht lagen nur die eigenen Erklärungen des Mannes vor. Es hatte Zweifel, dass der schwerkranke Mann sich frei für den Suizid entschieden habe. Eine zuverlässige und umfassende Prüfung, ob der Sterbewunsch gut überlegt und unbeeinflusst von einer psychischen Erkrankung oder Einflussnahme von Dritten entstanden sei, nicht möglich gewesen.
Offen ließ das OVG, ob stets ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich sei.
 
 
Links:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW ist hier im Volltext nachzulesen.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.03.2017 - 3 C 19.15

Das sagen wir dazu:

Ist der Wunsch zu sterben umgesetzt, gibt es keinen Weg zurück. An dieser Überlegung kommt man nicht vorbei. Ebenso wenig kommt man an der Überlegung vorbei, dass Menschen, die diesen Weg gehen möchten, nicht das Ergebnis eines langjährigen Gerichtsverfahrens abwarten können.
Wenn sie ihr Gefühl nicht getrogen hat, wird die Entscheidung der Richter*innen in diesem Fall richtig gewesen sein. Wenn sie vom freien Willen zum Suizid nicht überzeugt waren, konnten sie eine andere Entscheidung nicht treffen.    

Doch das OVG hat auch unabhängig vom konkreten Fall Bedenken zur Durchsetzung staatlicher Hilfe auf Suizid im Wege eines Eilverfahrens. Als ein Argument gegen eine Eilbedürftigkeit wird die Möglichkeit genannt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier muss man sich allerdings fragen, ob das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben Betroffenen an der einen Stelle mehr Rechte einräumen wollte, um sie an anderer Stelle wieder zu nehmen. In den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichts liest sich das zumindest anders:

  • Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen.
  • Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.