Beamt*innen dürfen in ihrer Freizeit politisch aktiv sein. Ihr politische Wirken darf aber nicht auf eine Ordnung zielen, die die Menschenwürde missachtet. Copyright by Robert Neumann/Fotolia
Beamt*innen dürfen in ihrer Freizeit politisch aktiv sein. Ihr politische Wirken darf aber nicht auf eine Ordnung zielen, die die Menschenwürde missachtet. Copyright by Robert Neumann/Fotolia

Politischen Beifall bekommt er vor allem ausgerechnet von Seiten der AfD. Deren Chef Jörg Meuthen  nahm den Ball auf und wandte ein, insbesondere Beamte und Angestellte des Öffentlichen Diensts, die Mitglieder der SPD, der Grünen und der Linken seien, sollten auf mögliche Kontakte zum linksextremen und gewaltbereiten Antifa-Milieu überprüft werden. Herr Meuthen hat hier offensichtlich gar nicht verstanden, um was es geht. Zum einen geht es nicht um die politische Kontrolle der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern um die Frage, inwieweit sich die gesetzlich geforderte politische Zurückhaltung der Beamt*innen auf ihr Privatleben auswirkt. Zum anderen sind auch nicht irgendwelche Kontakte gemeint, sondern das aktive politische Wirken. Es geht also gerade um Menschen wie ihn selbst.
 

Beamt*innen stehen in einem besonderen Verhältnis zum Staat

Beamt*innen stehen in keinem Arbeitsverhältnis zu ihrer Behörde oder zum Staat. Anders als bei Arbeitern und Angestellten ist Rechtsgrundlage der Beziehung zu Ihrem Dienstherrn kein Vertrag. Während ein Arbeitsverhältnis durch freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entsteht, werden Beamt*innen in ein Amt durch einen Verwaltungsakt ernannt und zwar bis auf einige wenigen Ausnahmen grundsätzlich auf Lebenszeit. Sie bleiben also auch nach der Pensionierung Beamte, die in einem besonderen Verhältnis zum Staat stehen.  Arbeitsverhältnisse enden dagegen spätestens mit der Rente.
 
Beamt*innen können nicht einfach aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden, weil etwa Ihrem Dienstherrn ihre Arbeitsleistung nicht gefällt oder weil die/der Beamt*in die Dienstpflichten verletzt hat. Aus dem Beamtenverhältnis kann sie nur im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ein Verwaltungsgericht durch Urteil entfernen.
 

Beamt*innen sind grundsätzlich auf Lebenszeit abgesichert

Auch die Zahlung der Beamtenbezüge ist nicht abhängig von einer Arbeitsleistung. Der Staat ist vielmehr verpflichtet, Beamt*innen lebenslang zu alimentieren. Deshalb verliert ein Beamter auch nicht seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, wenn er längere Zeit erkrankt. Die Bezüge werden in voller Höhe weiter gezahlt, auch wenn die Erkrankung mehrere Jahre andauert.
 
Beamt*innen benötigen auch keine Rentenversicherung. Weil das Beamtenverhältnis bis zu ihrem Tod weiter besteht, ist der Staat vielmehr verpflichtet, ihnen auch nach der Pensionierung die Bezüge weiter zu gewähren. Die Höhe der Bezüge richtet sich nach dem Statusamt, in das ein*e Beamt*in berufen ist. Nach der Pensionierung werden die Bezüge allerdings  in deutlich verminderter Höhe weiter gezahlt, wobei dann neben dem Statusamt auch die Dauer der Dienstzeit eine Rolle spielt. Entsprechendes gilt, wenn Beamt*innen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden.
 

Für eine solche sehr weitgehende Absicherung verlangt der Staat von Beamt*innen aber auch eine Menge.

Beamt*innen stehen zu ihrem Dienstherrn in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Dienstherr ist entweder der Bund, das Land, die Gemeinde, der Landkreis oder eines ihrer öffentlich-rechtlichen Körperschaften.
 
Geregelt sind die Rechte und Pflichten in Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften. Konkretisiert werden diese durch Rechtsprechung. Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) bestimmt, dass das Recht des öffentlichen Dienstes „unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu regeln und fortzuentwickeln ist.
 
Vergleiche hierzu unseren Artikel „Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“

Aus den hergebrachten Grundsätzen folgert die Rechtsprechung zahlreiche Pflichten der Beamt*innen, die kaum noch zeitgemäß klingen, wie etwa die Gehorsamspflicht. Das Bundesverfassungsgericht  (BVerfG) folgert u.a. im sogenannten „Extremistenbeschluss“ von 1975 aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums eine besondere Bindung des Beamten an den Staat, die auf einer mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis verbundenen und übernommenen Treuepflicht beruhe.
 
Vergleiche hierzu unseren Artikel „Durch eine Tätowierung kann ein Körper bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt werden und ein verfassungswidriges Bekenntnis dokumentieren“

 

Das Bundesverfassungsgericht hält am Streikverbot für Beamt*innen fest

Das BVerfG hält in einer Entscheidung von 2018 auch an das Verbot für Beamt*innen fest, für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu streiken.
 
Vergleiche hierzu unseren Artikel „Bundesverfassungsgericht bestätigt Streikverbot für Beamte“

Zwar sieht das BVerfG insoweit durchaus ein „Spannungsverhältnis“ zwischen der Koalitionsfreiheit und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Jedoch habe der Gesetzgeber die Einschränkung des Grundrechts teilweise kompensiert, etwa durch die lebenslange Alimentation. Das Gericht hatte auch kein Problem damit, dass das Streikverbot gegen internationale Rechtsgrundsätze wie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt. Die EMRK sei  - so das Gericht - im Kontext der staatlichen Regeln zu betrachten. Eine Aussage, die mit Blick auf den „Kontext staatlicher Regeln“ in Diktaturen ziemlich problematisch scheint, ohne dem BVerfG hier irgendetwas zu unterstellen.
 

Im Dienst dürfen Beamt*innen nicht im Sinne einer politischen Partei handeln

Der Bundesinnenminister wirft jetzt wieder die Frage auf, ob und in wieweit Beamt*innen politisch aktiv und Mitglieder von politischen Parteien sein dürfen. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war diese Frage schon einmal Gegenstand der Diskussion und hat letztlich zum Radikalenerlass geführt. Bei Mitgliedern von Parteien links von der SPD lag nach damaliger Auffassung bereits ein Indiz dafür vor, nicht die Gewähr zu bieten, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzustehen.
 
Nicht streitig ist, dass eine parteipolitische Tätigkeit für Beamt*innen in Ausübung Ihres Dienstes verboten ist. Sie dürfen die dienstlichen Beziehungen und die dienstliche Stellung, welche das jeweilige Amt gegenüber anderen Personen vermittelt und einräumt, nicht gezielt in eine politische Betätigung einbeziehen. Bei Beamt*innen, die Abgeordnete eines Parlaments werden, ruht während der Abgeordnetentätigkeit das Dienstverhältnis. Das folgt indessen nicht nur aus dem zitierten Grundsatz, sondern auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung: Beamte sind Angehörige der Exekutive, Abgeordnete Teil der Legislative.  
 

Müssen sich Beamt*innen auch in ihrer Freizeit politisch zurückhalten?

Was ist aber während der Freizeit? Gesetzlich geregelt ist, dass ein Beamter auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf verlangt (Wohlverhaltenspflicht). Sein Verhalten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Beeinträchtigt ein Beamter dieses Vertrauen, kann das zu einem Disziplinarverfahren führen, bei schwerwiegendem Vergehen sogar zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das gilt selbst für Ruhestandsbeamte, denen bei entsprechendem Vergehen die Ruhestandsbezüge aberkannt werden können.
 
Ist dieses Vertrauen aber bereits dann maßgeblich beeinträchtigt, wenn ein Beamter sich politisch betätigt oder in seiner Freizeit politisch äußert? Es muss scharf unterschieden werden, zwischen dem Vertrauen eines Ministers oder eines Dienstvorgesetzten und dem Vertrauen, das objektiv von einem Repräsentanten eines freiheitlich demokratischen Rechtsstaats verlangt werden kann. Darin besteht gerade ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Diktatur und einem demokratischen Rechtsstaat.
 

Maßnahmen gegen Beamt*innen müssen verhältnismäßig sein

Die Bundesrepublik Deutschland hat in Zusammenhang mit dem Radikalenerlass der 70er Jahre diesen Unterschied missachtet.  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte in der Entscheidung in Sachen der Lehrerin Dorothea Vogt, die wegen ihrer Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei aus dem Dienst entfernt worden war, hier einen Verstoß gegen die Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) und 11 (Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gesehen. Ein demokratischer Staat habe zwar das Recht, von seinen Beamten die Treue zu den grundlegenden Verfassungsgrundsätzen zu verlangen. Dies habe auch angesichts der Erfahrungen der Weimarer Zeit  und Deutschlands Lage im politischen Kontext jener Zeit (deutsche Teilung, Ost-West Konfrontation) ein besonderes Gewicht. Der Eingriff sei aber unverhältnismäßig, da eine sehr schwerwiegenden Maßnahme wie der Entlassung das vergleichsweise geringe Sicherheitsrisiko, das die Beschwerdeführerin als Deutsch- und Französischlehrerin in einem Gymnasium darstellte, gegenüber stehe.
 
Entscheidend sind also zwei Dinge: es geht nicht um das Vertrauen des Innenministers oder anderer Repräsentanten des Staates, sondern um ein Vertrauen, das objektiv betrachtet erheblich beeinträchtigt ist. Maßstab dafür kann nur ein offensichtliches Eintreten für eine politische Ordnung sein, in der die Würde des Menschen, die Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Gewerkschaftsrechte keine Rolle mehr spielen. Zum anderen geht es aber auch um Verhältnismäßigkeit. Das Sicherheitsrisiko, das durch die politische Betätigung entsteht, kann den Staat nur zu Maßnahmen berechtigen, die in Hinblick auf das Risiko notwendig und angemessen sind.
 

Wer aktiv in einer Partei arbeitet, unterstützt deren politische Zielvorstellung

Auf diesem Hintergrund darf Beamt*innen eine politische Meinung nicht untersagt werden.  Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einer Entscheidung vom Mai 2001 die Auffassung vertreten, dass eine „Meinung haben“ noch kein Dienstvergehen darstellt. Es kommt darauf an, ob durch eine Meinung eine politische Haltung demonstriert wird, die auf ein gegen die freiheitliche Ordnung gerichtetes Verhalten schließen lässt. Der Unterschied liegt darin, dass bei einer Haltung davon ausgegangen werden kann, dass der Betreffende sein gesamtes Wirken eben an dieser Haltung ausrichtet.
 
Ein Beamter oder eine Beamtin unterstützt durch aktive Mitarbeit in einer politischen Partei deren politischen Zielvorstellungen. Man kann also davon ausgehen, dass in diesem Fall ihr Wirken auf die Durchsetzung einer politischen Ordnung gerichtet ist, die dem Programm der Partei entspricht. Zielt dieses Programm auf die Einschränkung oder gar die Abschaffung der von der Verfassung garantierten Grundrechte, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass das Vertrauen an den Beamten objektiv beeinträchtigt ist, dass er für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsteht. Wohlbemerkt: es geht nicht um das Einstehen für das Grundgesetz als Ganzes. Es geht um die Prinzipien, die die Grundlage für die Gründung der Bundesrepublik Deutschland bildeten und die der Parlamentarische Rat mit einer Ewigkeitsgarantie versehen hat. Ganz oben an steht dabei die Würde des Menschen, so etwas wie das „Grundgesetz des Grundgesetzes“. Alle anderen Grundrechte sind im Grunde Ausfluss dieses Grundsatzes.
 

Resümee:

Beamt*innen können selbstverständlich eine politische Meinung haben, die unbequem ist. Sie dürfen auch Mitglieder von nicht verbotenen politischen Organisationen sein. Wenn sie aber in ihrer Freizeit aktiv in einer politischen Organisation an der Verwirklichung derer Ziele mitwirken, muss davon ausgegangen werden, dass sie auch bestrebt sind, die politischen Ziele dieser Organisation zu verwirklichen. Zielt die Politik der Organisation auf eine Ordnung, die die unantastbare Würde des Menschen missachtet, ob deutscher Staatsbürger oder nicht, ist der Bertreffende als Beamter nicht mehr haltbar. Die Menschenwürde wird in einer politischen Ordnung aber stets missachtet, die grundsätzliche Rechte wie die Meinungsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Gleichberechtigung, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und Gewerkschaftsrechte einschränken oder abschaffen will.
 
Darüber hinaus haben auch Beamt*innen dieselben politischen Rechte wie jeder andere Staatsbürger auch. Selbstverständlich darf ihr Wirken auch auf politische Verhältnisse gezielt sein, die nicht der Auffassung der Bundesregierung, einer Landesregierung oder irgendwelcher Dienstvorgesetzten entsprechen. Das Grundgesetz garantiert eine an der Menschenwürde orientierte demokratische und rechtsstattliche Ordnung. Offen lässt unsere Verfassung, mit welchen wirtschaftlichen Voraussetzungen diese Ordnung erreicht werden soll. Von einer sozialen Marktwirtschaft bis hin zu einer demokratischen sozialistischen Gemeinwirtschaft ist theoretisch alles möglich.

Rechtliche Grundlagen

Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz

Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.


Für Bundesbeamt*innen:

§ 60 Bundesbeamtengesetz - Grundpflichten

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

Für Landes- und Kommunalbeamt*innen:

§ 33 Beamtenstatusgesetz - Grundpflichten

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.