Der Prozess vor dem Amtsgericht Dresden war durchaus nicht üblich. Der Oberstabsgefreite aus Berlin hatte einen Lehrgang besucht. Da wegen Corona keine Abschlussparty in der Offizierschule stattfinden durfte, feierte man dort privat. Dabei floss der Alkohol in Mengen.

Es kam, wie es kommen musste: Unter Alkoholeinfluss entwickelte sich eine Auseinandersetzung unter den Kamerad*innen. Ein anwesender Offizier vom Wachdienst schickte die jungen Leute ins Bett. Der Berliner Offiziersanwärter weigerte sich jedoch. und rauchte stattdessen noch eine Zigarette.

Befehl und Gehorsam

Er habe den Gehorsam verweigert, hielt man ihm später vor. Es kam zur Strafanzeige. Gegen eine Zahlung von 800 € an eine soziale Einrichtung stellte das Amtsgericht Dresden später das Verfahren ein.

Nach dem Gesetz müssen Soldat*innen ihren Vorgesetzten gehorchen. Sie haben ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Sie müssen nur solche Befehle nicht befolgen, die die Menschenwürde verletzen oder die nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden sind. Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde.

Befehl und Gehorsam sind wichtige Bestandteile der Grundausbildung von Soldat*innen und werden strikt umgesetzt. Wer einem Befehl nicht nachkommt und dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende Folge verursacht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Verordnete Nachtruhe

Soldat*innen dürfen von ihren Vorgesetzten zu Bett geschickt werden, auch wenn sie persönlich meinen, dass dazu keine Veranlassung besteht. Befehle im Soldatenverhältnis müssen grundsätzlich befolgt werden. Sie sind verbindlich. Das gilt selbst dann, wenn nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass dadurch eine Straftat begangen würde. Ein Befehl ist nur dann unverbindlich, wenn durch seine Befolgung eine Straftat wahrscheinlich würde.

Befehle dürfen auch in den außerdienstlichen Bereich eingreifen. Sie sollen die Gefahr einer außerdienstlichen Pflichtverletzung verhindern. Diese Befehle müssen auf das dienstlich notwendige Maß beschränkt werden und sich auf Dienstpflichten beziehen, die dem*der Soldat*in auch außerhalb des Dienstes obliegen.

An der Gehorsamspflicht von Soldat*innen in Gemeinschaftsunterkünften kann kein Zweifel bestehen.

Strafverfahren und Disziplinarmaßnahme

Soldat*innen müssen im Fall einer Befehlsverweigerung auch ein Disziplinarverfahren befürchten. Ein gerichtliches Disziplinarverfahren kann sich gegen Berufssoldat*innen und Soldat*innen auf Zeit richten. Konsequenz des Verfahrens kann sein, dass die Dienstbezüge gekürzt werden, man nicht mehr befördert wird, die Besoldung oder der Dienstgrades herabgesetzt werden oder dass man sogar aus dem Dienst entfernt wird.

Derart harte Disziplinarmaßnahmen wären im Fall des Berliners wohl nicht in Betracht gekommen, zumal dessen Schuld wegen des großen Alkoholkonsums als geringer einzustufen sein dürfte. Die Wehrdienstordnung hält daneben aber auch einfache Disziplinarmaßnahmen vor. Dazu gehören der Verweis, der strenge Verweis, die Disziplinarbuße und auch die Ausgangsbeschränkung sowie der Disziplinararrest. Einzelne einfache Disziplinarmaßnahmen können auch nebeneinander verhängt werden.

Ob die Vorgesetzten gegen den jungen Oberstabsgefreiten neben dem Strafverfahren noch ein Disziplinarverfahren eingeleitet haben, ist nicht bekannt, aber zu befürchten. Ob das die Sache wert war, wird sich der Mann fragen müssen; denn ganz ohne disziplinarische Folgen wird die letzte Zigarette gegen den Willen des wachhabenden Soldaten sicher nicht geblieben sein.

Beitrag dazu beim RND "Kurioser Prozess: Soldat vor Gericht, weil er nicht sofort ins Bett gehen wollte"

Rechtliche Grundlagen

§ 11 SoldG; § 58 WDO; § 22 WDO

Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG)
§ 11 Gehorsam
(1) Der Soldat muss seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist; die irrige Annahme, es handele sich um einen solchen Befehl, befreit den Soldaten nur dann von der Verantwortung, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte und ihm nach den ihm bekannten Umständen nicht zuzumuten war, sich mit Rechtsbehelfen gegen den Befehl zu wehren.
(2) Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.
(3) Im Verhältnis zu Personen, die befugt sind, dienstliche Anordnungen zu erteilen, die keinen Befehl darstellen, gelten § 62 Absatz 1 und § 63 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.

Wehrdisziplinarordnung (WDO)
§ 58 Arten der gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen
(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:
1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.
(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:
1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.
(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:
1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.
(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.
(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.
(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.
(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

Wehrdisziplinarordnung (WDO)
§ 22 Arten der einfachen Disziplinarmaßnahmen
(1) Die Disziplinarmaßnahmen, die von den Disziplinarvorgesetzten verhängt werden können (einfache Disziplinarmaßnahmen), sind:
1.
Verweis,
2.
strenger Verweis,
3.
Disziplinarbuße,
4.
Ausgangsbeschränkung,
5.
Disziplinararrest.
(2) Nebeneinander können verhängt werden:
1.
Disziplinararrest und Ausgangsbeschränkung,
2.
bei unerlaubter Abwesenheit des Soldaten von mehr als einem Tag Ausgangsbeschränkung und Disziplinarbuße oder Disziplinararrest und Disziplinarbuße.
Im Übrigen ist wegen desselben Dienstvergehens nur eine Disziplinarmaßnahme zulässig.
(3) Eine einfache Disziplinarmaßnahme steht der Beförderung eines im Übrigen bewährten Soldaten nicht entgegen.
(4) Gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz kann außerhalb einer Aktivierung nach § 8 des Reservistengesetzes oder einer Zuziehung nach § 9 des Reservistengesetzes nur ein Verweis verhängt werden.