Rote Karte: Dienstherren in Baden-Württemberg können sie auch ohne vorherigen Richterspruch zeigen. Copyright by Adobe Stock/ ajr_images
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Manchmal sind es vermeintlich ganz kleine Themen, mit welchen sich das Bundesverfassungsgericht befassen muss. Daraus entstehen dann große Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich dabei regelmäßig und ausführlich zu verfassungsrechtlichen Themen und zum Grundgesetz.
 

Verfassungsrecht ist nicht jedermanns Sache

Verfassungsrecht ist nicht jedermanns Sache. Das verstehen auch nur die Wenigsten. Für beamtenrechtlich Interessierte enthält der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Januar dieses Jahres jedoch sehr lesenswerte Ausführungen. Zugegebenermaßen ist er aber keine leichte Kost.
 
In diesem Beschluss geht es um eine gesetzliche Regelung aus Baden-Württemberg. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst entsprach dort bis 2008 der bundesgesetzlichen Regelung.
 

Der Dienstherr kann einfache und mittlere Disziplinarmaßnahmen selbst erlassen

Während der Dienstherr einfache und mittlere Disziplinarmaßnahmen selbst erlassen kann, sieht das Gesetz ansonsten vor, dass schwere Verfehlungen mittels Disziplinarklage zu ahnden sind. Das gilt für eine Zurückstufung, die Entfernung aus dem Dienst und die Aberkennung des Ruhegehaltes.
 
In Baden-Württemberg sieht das zwischenzeitlich anders aus. Das dortige Landesdisziplinargesetz sieht nämlich vor, dass sämtliche Disziplinarmaßnahmen, also auch die Entfernung aus dem Dienst durch einen Verwaltungsakt also einen Bescheid, angeordnet werden.
 

Das erstaunt erst einmal auch den Juristen

Das erstaunt erst einmal auch den Juristen. Es war bislang allgemein anerkannt, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die im Beamtenrecht wie Grundrechte wirken, es forderten, dass die schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen nur durch ein Gericht verhängt werden können.
 
Davon weicht Baden-Württemberg seit 2008 ab.
 

Der klagende Polizeibeamte war zugleich auch Geschäftsführer zweier Bauunternehmen

Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ging es um einen Polizeibeamten, der parallel zu seinem Dienst auch als Geschäftsführer zweier Bauunternehmen tätig war. Wegen Betrugs- und Urkundendelikten wurde er strafrechtlich verurteilt. Sein Dienstherr erteilte daraufhin einen Bescheid, womit er den Beamten aus dem Dienst entfernte.
 
Der Polizeibeamte wandte sich gegen diesen Bescheid und durchlief das Verfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht mit den Argumenten, die Regelung in Baden-Württemberg verstoße nicht nur gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, sondern auch gegen das Lebenszeitprinzip und das Willkürverbot aus den Artikeln 2 und 3 des Grundgesetzes.
 

Bereits das Bundesverwaltungsgericht gab dem Dienstherrn recht

Bereits das Bundesverwaltungsgericht gab jedoch dem Dienstherrn recht. Es befasste sich in seiner Entscheidung mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Diese Ausführungen vertiefte nun das Bundesverfassungsgericht  - eine für historisch interessierte Juristen ausgesprochen interessante Entscheidung.
 
Die historische Analyse des Bundesverwaltungsgerichts und später auch des Bundesverfassungsgerichts beginnt mit dem 18. Jahrhundert bis hin zum Ende der Weimarer Verfassung. Diese Periode wird als der traditionsbildende Zeitraum dafür genannt, dass sich der sogenannte Richtervorbehalt für die Entfernung aus dem Dienst im Beamtenrecht herausgebildet habe.
 

Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint

Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums sei ein Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint. Diese seien während des Zeitraums, in welchem sich die Tradition gebildet habe, als verbindlich anerkannt und nachfolgend gewahrt worden. Maßgeblich sei dabei vor allem der Zeitraum während der Weimarer Verfassung.
 
Die Entwicklung des Berufsbeamtentums sei historisch eng mit derjenigen des Rechtsstaates verknüpft. Ursprünglich sei der Beamte allein dem Regenten verpflichtet gewesen. Das habe sich mit dem veränderten Staatsverständnis vom Fürsten- zum Staatsdiener jedoch geändert.
 

Beamte hatten immer die Aufgabe, Verfassung und Gesetz im Interesse des Bürgers zu behaupten

Beamte hätten aber immer die Aufgabe gehabt, Verfassung und Gesetz im Interesse des Bürgers zu behaupten und zwar auch gegen die Staatsspitze.
 
Verfassungsrechtlich sei aber nicht das gewachsene Beamtenrecht geschützt. Das Grundgesetz schütze nur das Berufsbeamtentum und zwar diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner historisch entwickelten Form maßgeblich prägten. Würden diese beseitigt, sei das Berufsbeamtentum in seinem Kern betroffen.
 

Die Substanz des Berufsbeamtentums wird geschützt

Die Substanz des Berufsbeamtentums werde damit geschützt. Die Grundsätze, die nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass damit das Berufsbeamtentum selbst in seinem Charakter grundlegend verändert würde, müsste der Gesetzgeber verbindlich als Rahmen vorgeben.
 
Das Grundgesetz stehe mit Art. 33 Absatz 5 aber einer Weiterentwicklung des Beamtentums nicht entgegen. Dies gelte zumindest, solange eine strukturelle Veränderung an dessen wesentlichen Regelungen für das Erscheinungsbild und die Funktion nicht vorgenommen würden.
 

Ein hergebrachter Grundsatz des Richterspruchs für die Entfernung aus dem Dienst existiert nicht

Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach eine Entfernung eines Beamten aus dem Dienst eines Richterspruchs bedürfe existiere nicht. Der Begriff der „rechtsprechenden Gewalt“ sei durch den Grundsatz der Gewaltenteilung bestimmt. Damit solle gewährleistet werden, dass Richter unabhängig entscheiden könnten.
 
Die Entwicklung der „rechtsprechenden Gewalt“ zeige, dass sich bis zum Ende der Weimarer Verfassung keine Regel gebildet habe, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen könne.
 

Im 19. Jahrhundert gab es unterschiedliche Entwicklungen in den deutschen Gliedstaaten

Es habe in den einzelnen deutschen Gliedstaaten im 19. Jahrhundert unterschiedliche Regelungen gegeben. Für Preußen ließe sich beispielsweise ein Richtervorbehalt in Disziplinarsachen erst ab 1932 feststellen. Auf Reichsebene habe sich weder während des Kaiserreiches noch in der Zeit der Weimarer Republik ein Grundsatz gebildet, wonach die Entfernung aus dem Dienst nur durch den Spruch eines Richters erfolgen durfte.
 
Damit lasse sich für den Zeitraum, in welchem sich historisch betrachtet die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums entwickelt hätten, für den überwiegenden Teil des Reiches kein Richtervorbehalt feststellen.
 

Art. 33 V GG schützt allein die Grundsätze, die das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich prägen

Art. 33 V GG schütze allein diejenigen Grundsätze, die das Bild des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägten. Bei der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Richterspruch handele es sich jedoch nicht um einen Grundsatz, der nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass damit zugleich das Berufsbeamtentum selbst in seinem Charakter grundlegend verändert würde.
 
Werde die Entscheidung auf Entfernung aus dem Dienst der unmittelbaren und alleinigen Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten entzogen, um sie einem Gremium zu übertragen, so betreffe dies ebenfalls keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. In allen unterschiedlichen Gestaltungsformen, die die Historie gezeigt habe, sei es immer nur darum gegangen, den Beamten nach Möglichkeit vor einer willkürlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu schützen.
 

Hierfür gibt es noch weitere Instrumente

Hierfür gebe es jedoch neben dem Entzug der Disziplinarbefugnis auch weitere Instrumente, insbesondere eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle. Daraus folge, dass es nicht derart prägend für das Berufsbeamtentum sei, wenn den Dienstvorgesetzten die Disziplinargewalt entzogen würde. Zumindest könnte einer solchen Entziehung nicht der Rang eines Strukturprinzips des Berufsbeamtentums zugesprochen werden.
 

Auch das Lebenszeitprinzip erfordert keinen Richtervorbehalt

Auch das Lebenszeitprinzip, welches ebenfalls in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz verankert sei, erfordere keinen Richtervorbehalt für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Lebenszeitprinzip gehöre zu dem Kernbestand des Berufsbeamtentums. Es beinhalte eine lebenslange Anstellung und das grundsätzliche Verbot, das statusrechtliche Amt zu entziehen.
 
Das Lebenszeitprinzip solle die Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen Verwaltung gewährleisten. Dazu gehöre, dass Beamte nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus ihrem Amt entfernt werden könnten. Den damit entfiele nämlich die Grundlage für die Unabhängigkeit. Es müsse deshalb gesetzlich genau geregelt sein, wie Beamtenverhältnisse beendet werden dürften.
 

Beamte erhalten im demokratischen Rechtsstaat Schutz vor einer Willkür des Staates

Im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes erhielten die Beamte Schutz vor einer Willkür des Staates und einem Missbrauch der Macht. Das gewährleiste das System der Gewaltenteilung. Aufgrund ihrer Neutralität und Unabhängigkeit eigne sich die Judikative dazu, die Macht der Exekutive zu mäßigen. Folglich obliege es in erster Linie den Gerichten, die Exekutive zu kontrollieren.
 
Dies bedeute jedoch nicht, dass eine disziplinarische Erstentscheidung zwingend von einem Gericht getroffen werden müsse. Ausreichender Schutz gewährleiste auch ein ausdifferenziertes Rechtssystem mit einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle. Der nachträgliche Rechtsschutz müsse dabei einen zureichenden Schutz bieten.
 

Das Grundgesetz verbietet eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis aus „Willkür oder freiem Ermessen“

Das Grundgesetz verbiete eine Entfernung der Beamten aus dem Beamtenverhältnis aus „Willkür oder freiem Ermessen“. Hätte die Verwaltung das Recht, die letzte Entscheidung zu treffen, so wäre das verfassungsrechtlich bedenklich. Gebe es aber einen nachgelagerten effektiven Rechtsschutz, sei dem Lebenszeitprinzip Genüge getan. Verwaltungsentscheidungen seien dort grundsätzlich in vollem Umfang gerichtlich kontrollierbar.
 
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach dem Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg sei als gebundene, gerichtlich voll kontrollierbare Entscheidung ausgestaltet. Insbesondere sei genau vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen ein Beamter aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden dürfe.
 

Es muss sich um ein schweres Dienstvergehen handeln

Es müsse sich um ein schweres Dienstvergehen handeln, mit welchem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in seine pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren habe. Dabei sei das Persönlichkeitsbild des Beamten zu berücksichtigen.
 
Dem Dienstherrn seien weder auf der Ebene, in welchem er den Sachverhalt und Tatbestand aufzunehmen habe, noch auf der Ebene der Rechtsfolgen eigene Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen eröffnet. Es gebe keinen Entscheidungsspielraum. Für die Entscheidung würden objektiven Kriterien vorgegeben.
 

Es bleiben keine kontrollfreien Räume

Damit blieben keine kontrollfreien Räume. In einem derartigen System einer gerichtlichen Vollkontrolle bedürfe es keiner originären gerichtlichen Disziplinargewalt. Beamte seien durch das vorhandene System ausreichend geschützt, indem sie gegen rechtswidrige Verwaltungsakte Rechtsmittel einlegen könnten.
 
Auch die Gefahr einer drohenden Willkür im Zusammenhang mit der Entfernung aus dem Dienst durch Verwaltungsakt sah das Bundesverfassungsgericht nicht. Die Anwendung des Rechts sei durchweg auf nachvollziehbare Gründe gestützt und setze sich auch mit Gegenargumenten auseinander.
 

Allerdings gab es auch eine „abweichende Meinung“ eines Richters

Allerdings erging der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht einstimmig. Einer der acht Richter vertrat eine abweichende Meinung. Seiner Auffassung nach verstößt die Regelung in Baden-Württemberg hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, insbesondere gegen das Lebenszeitprinzip.
 
Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz verbiete es, dass im Disziplinarverfahren eine Entfernung aus dem Dienst nur aufgrund eines förmlichen, Unparteilichkeit und Fairness sichernden Verfahrens angeordnet werden dürfe, so der Richter in der  „abweichenden Meinung“, die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts angehängt ist.
 

Art. 33 V GG will abrupte Änderungen verhindern

Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz wolle abrupte Änderungen und Brüche in der Entwicklung des Berufsbeamtentums verhindern. Das gebiete einen gewissen Schutz vor politischem Kräftespiel, das im Vorhinein nicht abgesehen werden könne. Es gewährleiste auch das erforderliche Maß an Stabilität.
 
Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts betone zwar regelmäßig, dass Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz nicht dazu führen dürfe, dass das geltende Beamtenrecht „versteinerte“. Die notwendige Konsequenz hieraus werde jedoch nicht gezogen. Zwar sollten die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums berücksichtigt und angepasst werden, damit sich das Beamtenrecht „in die Zeit“ stelle.
 

Es wird verschleiert, dass die herbrachten Grundsätze Bindungskraft haben

Das verschleiern jedoch, dass die hergebrachten Grundsätze tatsächlich Bindungskraft und Bindungswirkung hätten. Einerseits gebe es Grundsätze, die erhalten bleiben müssten, andererseits sollten jedoch Abweichungen durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt werden können.
 
Selbst in der Rechtsprechung fänden sich vereinzelte Anhaltspunkte für ein offeneres Begriffsverständnis. Im Schrifttum werde schon seit langer Zeit eine Abkehr von der starren Fixierung auf die Weimarer Zeit gefordert.
 

Die Grundsätze im Sinne von Art. 33 V GG müssen richtig verstanden werden

Die Grundsätze im Sinne von Art. 33 V GG müssten richtig verstanden werden. Es handele sich dabei um diejenigen grundlegenden Richtlinien und Prinzipien, derer es bedürfe, damit die Garantie des Berufsbeamtentums die ihr von der Verfassung zugedachte Funktion erfüllen könne.
 
Selbst wenn dies durchweg auch historisch geprägt sei, könne es jedoch nicht auf einen bestimmten historischen Zeitpunkt oder Stichtag ankommen.
 

Maßgeblich ist, welcher Richtlinien und Prinzipien es zu einem konkreten Zeitpunkt bedurfte, um den Zweck des Art. 33 GG zu erfüllen

Maßgebend sei vielmehr, welcher Richtlinien und Prinzipien es zu einem konkreten Zeitpunkt bedürfe, um den Zweck des Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz zu erfüllen. Der Wandel der Zeit könne hierbei nicht völlig außer Acht gelassen werden.
 
Auch unter der Geltung des Grundgesetzes könnten sich hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums entwickeln, wenn diese Leitlinien oder Prinzipien darstellten, die notwendig seien, um den Zweck von Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz zu erfüllen.
 

Der Richtervorbehalt bei schwerwiegenden disziplinarischen Entscheidungen ist kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums

Der Richtervorbehalt bei schwerwiegenden disziplinarische Entscheidungen stelle jedoch keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar. Entgegen der Auffassung verschiedener Rechtstheoretiker stimmt der abweichende Richter in diesem Punkt mit seinen Senatskollegen überein.
 
Allerdings genüge es seiner Auffassung nach nicht, wenn der Senat bloß auf einen nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verweise. In ganz Deutschland sei der präventive Richtervorbehalt nämlich bei der Entfernung eines Beamten aus dem Dienst zu einer wesentlichen Ausformung des Lebenszeitprinzip geworden.
 

Der Richtervorbehalt bietet Schutz vor willkürlicher Entfernung aus dem Dienst

Der Richtervorbehalt biete den Schutz vor willkürlicher Entfernung aus dem Dienst. Er sei deshalb eine wesentliche Absicherung des Lebenszeitprinzip, indem das Verfahren rechtlich vorgeschrieben sei.
 
Dies gelte auch für Baden-Württemberg. Allerdings stehe es dem Gesetzgeber offen, die konkrete Ausgestaltung von Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz behutsam weiterzuentwickeln. Dabei könne ein Verfahren durchaus auch durch ein anderes Verfahren ersetzt werden, wenn dieses neue Verfahren dem Lebenszeitprinzip Rechnung trage. Bund und Länder seien gleichermaßen berufen, dieses Verfahren weiterzuentwickeln.
 

Bei der Entfernung aus dem Dienst handelt es sich um den denkbar schwersten Eingriff der Disziplinargewalt

Bei der Entfernung aus dem Dienst handele es sich jedoch um den denkbar schwersten Eingriff der Disziplinargewalt gegenüber einem Beamten. Er betreffe den Bestand des Dienstverhältnisses. Solle dieser Eingriff verhältnismäßig sein, bedürfe es besonderer verfahrensrechtlicher Vorkehrungen, um seine Intensität zu vermindern.
 
Dies beinhalte wirksame verfahrensrechtliche Vorkehrungen, damit der Beamte den Risiken, die die Verfügungsbefugnis des Dienstherrn enthielten, nicht schutzlos ausgeliefert sei.
 

Die Regelungen in Baden-Württemberg stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Garantie des Berufsbeamtentums dar

Die Regelung in Baden-Württemberg stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Garantie des Berufsbeamtentums dar. Sofern der Senat bei seiner Entscheidung darauf hingewiesen habe, etwaige sachfremde Faktoren könnten sich nicht auswirken, da es eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle geben könne, übersehe er die damit verbundene Stigmatisierung des Beamten und die in der Schwebezeit eintretenden Nachteile bei Beförderungen und ähnlichem.
 
Wäre ein Bescheid erteilt und werde nachfolgend Anfechtung- oder Verpflichtungsklage erhoben, sei damit eine noch gravierendere Verschlechterung der früheren Position verbunden. Der Dienstherr müsse nämlich nicht mehr eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen, indem er eine Anschuldigungsschrift für das Gericht fertige. Vielmehr müssten die jeweils betroffenen Beamten selbst die Initiative ergreifen.
 

Die Beamten müssen eigenständig Rechtsmittel einlegen

Die Beamten müssten eigenständig Rechtsmittel einlegen und könnten sich nicht mehr auf die Verteidigung ihrer Rechte beschränken. Die neue Regelung in Baden-Württemberg belaste sie mit dem Prozessrisiko und den damit verbundenen Unwägbarkeiten und Nachteilen.
 
Die Regelung in Baden-Württemberg verlagere damit das Prozessrisiko auf Beamtinnen und Beamte. Seines Erachtens sei die Regelung verfassungswidrig. Dieser Richter hielt die Verfassungsbeschwerde insoweit für begründet.

BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020

Das sagen wir dazu:

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts umfasst gemeinsam mit der abweichenden Meinung des einzelnen Richters 36 Seiten. Hieraus wird bereits deutlich wie umfassend die Ausführungen des höchsten deutschen Gerichtes sind.

An dieser Stelle kann das selbstverständlich nur in Auszügen erläutert werden. Hinzu kommt, dass Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom Wortlaut her eigentlich nur für Juristen verständlich sind und auch diese bedürfen einer hohen Konzentration, um nachvollziehen zu können, wenn auf höchster juristischer Ebene Rechtsdiskussionen verschriftlicht werden.

Nichtsdestotrotz habe ich mich entschlossen, die Entscheidung an dieser Stelle zu besprechen, selbst wenn juristische Laien oder Menschen, die mit dem Beamtenrecht nicht viel zu tun haben, möglicherweise schon nach dem zweiten Absatz mit dem Lesen aufhören.

Diejenigen jedoch, die dem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums schon einmal begegnet sind, könnten durchaus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Geschichte des Berufsbeamtentums Interesse entgegenbringen. Deshalb sei dem*der so interessierten Leser*in empfohlen, den gesamten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bei genügend Zeit und Muse in Gänze zu lesen.