Jetzt aber schnell zum Standesamt, sonst ist die betriebliche
Witwenrente in Gefahr. Copyright by mavoimages /Adobe Stock
Jetzt aber schnell zum Standesamt, sonst ist die betriebliche Witwenrente in Gefahr. Copyright by mavoimages /Adobe Stock

Über die Wirksamkeit einer solchen Klausel hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 10. September 2019 entschieden.
 

Was war passiert?

Ein Arbeitnehmer erhielt nach seinem Ausscheiden eine Betriebsrente. Die Versorgungsordnung sah außerdem vor, dass seine Frau nach seinem Tod unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Witwenrente hat. Eine dieser Voraussetzungen war, dass die Ehe am letzten 1. September vorm Tod des Ehemanns bereits mindestens ein Jahr lang bestand.
Der Arbeitnehmer starb im März 2018. Einen Monat zuvor hatten seine Frau und er geheiratet.
Der Arbeitgeber weigerte sich, die Witwenrente auszuzahlen. Er berief sich darauf, dass die Ehe lediglich sechs Wochen bestanden habe.
Die Witwe klagte und verlangte die Witwenrente. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Klägerin ging in Berufung.
 

Wie argumentiert die Klägerin?

Die Klägerin ist der Auffassung, die Klausel sei unwirksam. Denn sie setze wegen der Stichtagsregelung eine Mindestdauer der Ehe von bis zu einem Jahr und 364 Tagen fest. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung. Außerdem stelle die Klausel eine Diskriminierung wegen Alters nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dar.
 

Liegt eine unangemessene Benachteiligung vor?

Auf diese Frage kommt es nur an, wenn die Versorgungsordnung einer Inhaltskontrolle unterliegt. Das wäre der Fall, wenn es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte. Dies ist jedoch nach Auffassung des LAG nicht der Fall. Die Versorgungsordnung war eine Betriebsvereinbarung. Damit war es kein individueller Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber so das eine Inhaltskontrolle unter dem Gesichtspunkt „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ nicht in Betracht kommt.
 

Liegt eine Diskriminierung wegen Alters vor?

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist es verboten, Menschen wegen ihres Alters zu diskriminieren. Eine solche Diskriminierung kann

  • unmittelbar

oder

  • mittelbar

erfolgen.
 

Liegt eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters vor?

Diese Frage verneint das LAG. Die Versorgungsordnung knüpfe hinsichtlich der Mindestdauer der Ehe nicht unmittelbar an das Alter an. Denn eine zu kurze Ehedauer schließe die Witwenrente sowohl älteren Arbeitnehmern genauso aus wie bei jüngeren.
 

Liegt eine mittelbare Diskriminierung wegen Alters vor?

Das ist der Fall, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen wegen ihres Alters besonders benachteiligen können. Voraussetzung ist zudem, dass die Benachteiligung nicht sachlich gerechtfertigt ist.
Ob die Versorgungsordnung Personen wegen ihres Alters besonders benachteiligt, lässt das LAG offen. Denn seiner Auffassung nach wäre eine eventuelle Diskriminierung sachlich gerechtfertigt. Sie wäre angemessen und erforderlich, um ein rechtmäßiges Ziel zu erreichen.
Ein legitimes Recht des Arbeitgebers sei  - so das LAG  - seine Versorgungsaufwendungen zu begrenzen und eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Die Klausel, die eine Mindestdauer der Ehe vorschreibt, sei angemessen und erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Recht der Rentenversicherung lediglich eine Mindestdauer der Ehe von einem Jahr vorschreibe. Daran sei der Arbeitgeber nicht gebunden. Denn maßgeblich dafür, wie viel Geld er für die betriebliche Altersversorgung zur Verfügung stelle, seien allein seine wirtschaftlichen Daten. Und nicht die der Rentenkasse.
 

Was bedeutet das im Ergebnis?

Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Witwenrente nicht vorlagen, weil die Voraussetzungen der Mindestdauer der Ehe nicht erfüllt war. Es hat deshalb die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin bekommt also keine Witwenrente.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil:
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. September 2019, Aktenzeichen 1 Sa 86/19