Die Klägerin war als Beamtin am Kammergericht Berlin tätig. Ihre eingetragene Lebenspartnerin gebar ihren mithilfe einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung und einer Samenspende gezeugten, gemeinsamen Sohn. 

Dienstherr lehnt Gewährung von Sonderurlaub ab 

Als die Lebenspartnerin schwer erkrankte, musste die Klägerin die Betreuung des in ihrem Haushalt lebenden Sohnes übernehmen. Sie beantragte deshalb bei ihrem Dienstherrn die Gewährung von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Dies lehnte das Kammergericht ab. Gegen diese Entscheidung legte die Beamtin Widerspruch ein. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wies den Widerspruch zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Klägerin keine rechtliche Elternstellung innehabe. Hieraufhin erhob die Beamtin Klage beim Berliner Verwaltungsgericht (VG)  die sie u.a. damit begründete, dass sie in die Geburtsurkunde nicht habe eingetragen werden können.

Verwaltungsgericht gibt Klage statt

Anders als die über den Widerspruch der Beamtin entschiedene Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung sahen es die Richter*innen des VG Berlin.

Nach der Sonderurlaubsverordnung, so das Gericht, sei Voraussetzung für den Sonderurlaub, dass ein „besonders wichtiger Grund" vorliegt. 

Die Auslegung, dass die Betreuung eines Kindes nur dann einen „wichtigen Grund“ darstelle, wenn es sich um leibliche oder angenommene Kinder handele, nicht aber um Stief- oder Pflegekinder verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1 GG). Zudem sei sie auch nicht mit dem von der Verfassung garantierten Schutz der Familie vereinbar (Artikel 6 Absatz 1 GG).

Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt

Die Ungleichbehandlung einer Beamtin, so die Richter*innen des VG Berlin, welche die rechtliche Elternstellung für ein in ihrem Haushalt lebendes Kind innehat, mit einer Beamtin, welche keine rechtliche Elternstellung innehat, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sinn und Zweck der Gewährung von Sonderurlaub im Falle der schweren Erkrankung der Betreuungsperson sei es, Beamtinnen und Beamten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Diesen Zweck erfülle die Gewährung von Sonderurlaub auch im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit gemeinsamem Kind.

Schutz genießen auch sozial-familiäre Gemeinschaften 

Die rechtliche Elternstellung gegenüber dem betreuungsbedürftigen Kind sei kein sachliches Differenzierungskriterium. Das Grundgesetz schütze die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern als Familie und setze nicht den Bestand rechtlicher Verwandtschaft voraus. Damit sei auch die sozial-familiäre Gemeinschaft geschützt, die aus den eingetragenen Lebenspartnerinnen und dem leiblichen bzw. angenommenen Kind bestünde.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Verwaltungsgericht Berlin vom 27.10.2021