Eine Messerattacke auf einen Beamten kann zu dessen Dienstunfähigkeit führen. Copyright by Lukas Gojda/fotolia.
Eine Messerattacke auf einen Beamten kann zu dessen Dienstunfähigkeit führen. Copyright by Lukas Gojda/fotolia.

Gerichtsvollzieher leben nicht unbedingt gefährlich. Je nach Auftrag es kann es aber dazu kommen. Wer möchte schon von einem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag oder einen Haftbefehl zugestellt bekommen.
 
Je nach Persönlichkeitsstruktur des Schuldners kann die Situation durchaus auch eskalieren. So war es im Falle einer Gerichtsvollzieherin aus Baden-Württemberg, die sich plötzlich in einer bedrohlichen Situation wiederfand.
 

Messerattacke des Schuldners

Eine Obergerichtsvollzieherin des Landes Bade-Württemberg hatte den Auftrag, einem Schuldner einen Vollstreckungs- und einen Haftbefehl zuzustellen. Die Tür wurde ihr allerdings nicht geöffnet. Als sie sich wieder in ihrem Auto befand, um eine Benachrichtigung an den Schuldner zu erstellen, stand dieser plötzlich mit einem Messer am Fahrzeug. Sie hatte das Fenster geöffnet und es gelang ihr wegen des Einklemmschutzes des Fahrzeuges nicht, es rechtzeitig wieder vollständig zu schließen.
 
Die Hand des Schuldners befand sich mit dem Messer im Fahrzeug. Der Schuldner war ersichtlich „kurz vor dem Austicken“ und fuchtelte mit dem Messer vor dem Gesicht der Beamtin. Dieser gelang es schließlich, fortzufahren, als die Hand kurzzeitig aus dem Auto verschwand.
 
Völlig aufgelöst erschien sie anschließend bei der Polizei. Sie zeigte den Vorfall an. Das Strafgericht verurteilte den Schuldner später wegen versuchter Körperverletzung.
 

Erhöhtes Unfallruhegehalt nach Schocksituation?

Die Gerichtsvollzieherin hatte in dieser Situation Angst um ihr Leben. Sie erlitt einen Schock. Daraus entwickelte sich eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Klägerin erkrankte daraufhin schwer und wurde dauerhaft dienstunfähig. Schließlich kam es zur Zurruhesetzung.
 
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens sollte nun geklärt werden, ob der Grund für die Versetzung in den Ruhestand ein Dienstunfall war; denn dann ist regelmäßig das erhöhte Ruhegehalt zu zahlen.
 
Erhöhtes Unfallruhegehalt erhalten Beamte, die in Ausübung ihres Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall erleiden, wenn sie in Folge des Dienstunfalles dienstunfähigund Zurruhe gesetzt werden. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) muss dabei wenigstens 50 v.H. betragen.
 
Gleiches gilt, wenn durch einen rechtswidrigen Angriff eine ähnliche Gefährdungslage geschaffen wird. Dabei muss der Schädiger im Wissen und mit dem Willen handeln, seinem Gegenüber Schaden zuzufügen. Dieses Handeln muss darüber hinaus auch in engem Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Beamten stehen.
 

Abgeltung eines Sonderopfers

Die strafrechtlichen Kriterien des Vorsatzes müssen dabei aber nicht erfüllt sein. Im Dienstunfallrecht kommt es auf einen Vorsatz „im natürlichen Sinne“ an. Der Angreifer muss in Kauf nehmen, dass sein Handeln zu einer Schädigung des*der Beamten*in führt.
 
Auch der „Angriff“ ist nicht im strafrechtlichen Sinne zu verstehen. Beim erhöhten Unfallruhegehalt geht es um die dienstunfallrechtliche Abgeltung eines Sonderopfers. Dem liegt eine dienstlich veranlasste besonders gefährliche Situation zu Grunde, in der der Körperschaden mit Wissen und Wollen des Angreifers auftritt.
 
Diese Situation war vorliegend gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) geht davon aus, dass der Angreifer hier mit natürlichem Vorsatz gehandelt hat. Er hat es billigend in Kauf genommen, die Gerichtsvollzieherin zu verletzen, indem er auf engem Raum mit dem Messer herumfuchtelte.
 

Kein medizinisches Wissen erforderlich

Die konkreten Umstände des Einzelfass sprechen allesamt dafür, dass die Hemmschwelle im Hinblick auf einen etwaigen Körperschaden überschritten war  - so der VGH. Wäre es tatsächlich zu einer Schnittverletzung gekommen, bestünde daran auch kein Zweifel. Dass dies nicht geschah, kann dem Täter nicht zu Gute gehalten werden. Der erforderliche Vorsatz für die Tat sei jedenfalls gegeben gewesen.
 
Dies gilt nach Auffassung des VGH auch für den damit verbundenen Schock. Mit dem natürlichen Tatvorsatz sei nämlich auch gleich der Vorsatz umfasst, die Klägerin in ihrer psychischen Gesundheit zu beeinträchtigen. Dazu bedürfe es auch keines weiteren medizinischen Wissens.
 
Der Angreifer hätte leicht erkennen können und müssen, dass sein Verhalten zu psychischen Folgen führen könnte. Das genüge für den erforderlichen Tatvorsatz. Damit stehe fest, dass die Klägerin während des Dienstes durch einen Angriff in ihrer Gesundheit beschädigt worden sei.
 
Da der Angriff zu einer MdE von wenigstens 50 v.H. geführt hatte und die Klägerin wegen der Erkrankung auch in den Ruhestand versetzt wurde, gab der VGH ebenso wie die Vorinstanz dem Antrag im Verfahren statt.
 

Vorsatz im natürlichen Sinne

Der VGH befasst sich in der besprochenen Entscheidung mit dem Vorsatz im natürlichen Sinne. Ebenso wie den „Angriff“ grenzt er die Voraussetzungen von den strafrechtlichen Bestimmungen ab.
 
Der Angriff kann dabei auch der Versuch einer Körperverletzung sein. Es muss nicht zwingend zu einem unmittelbaren Körperschaden kommen. Es reichen auch mittelbar auftretende Folgen wie psychische Traumata aus.
 
Auch der Vorsatz muss sich nicht im strafrechtlichen Sinne gegeben sein. Es reichen das Wissen und Wollen, einen Körperschaden mit der Handlung herbeiführen zu können. Genau das muss der Täter in Kauf nehmen. Besondere medizinische Kenntnisse über etwaige psychische Zusammenhänge müssen nicht vorhanden sein.
 
Dieser Gesichtspunkt macht die Entscheidung des VGH in rechtlicher Hinsicht sehr interessant, weil die Zielsetzung des Dienstunfallrechts von derjenigen des Strafrechts abzugrenzen ist. Dadurch kann es in der Betrachtung eines gleichen Sachverhaltes zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
 
Hier geht es zur vollständigen Entscheidung