In besonderen Einzelfällen drängt sich eine geballte Infektionsgefahr auf
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In besonderen Einzelfällen drängt sich eine geballte Infektionsgefahr auf © Adobe Stock - Von ManuPadilla

Da Neumann als Polizist Beamter ist und die Anerkennung im Verwaltungswege abgelehnt wurde, kann er nach Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht klagen.

 

 

Lehrgang zu Beginn der Pandemie

Neumann war ab dem 09. März 2020 im Gelände der Bereitschaftspolizei mit vielen Kollegen auf einem Sportübungsleiter-Lehrgang. Nach zwei Tagen meldete sich ein Kollege krank. Kurz danach stellte sich raus, dass sich dieser mit Corona infiziert hat.

Neumann fuhr am 13. März nach Hause. Er litt am nächsten Tag unter Grippesymptomen, und kam nach dem Wochenende nicht mehr zurück, da auch bei ihm Corona festgestellt wurde.

 

Der Lehrgang wurde dann am 16. März 2020 abgebrochen. Dennoch hatten sich 19 von 21 teilnehmende Personen infiziert.

 

Definition von Unfall

 

Voraussetzung für die Anerkennung eines Unfalls ist grundsätzlich, dass ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Unfallereignis vorliegt. Tja, wer wann wen angesteckt hat, das kann die Wissenschaft nicht sagen. Hier war die Ansteckung an mehreren Tagen möglich. Damit scheidet begrifflich die Anerkennung als Unfall wohl schon aus.

 

Eine Berufskrankheit scheidet von der Definition auch eher aus, weil eine allgemeine Ansteckungsgefahr dafür nicht reicht.

 

Verwaltungsgericht Augsburg gibt der Klage statt

 

Unter Dienstunfall wollte das Verwaltungsgericht Augsburg den Sachverhalt auch nicht packen. Mit seinem Urteil vom 21.10.2021 (Az. Au 2 K 20.2494) hat das Gericht ausgeführt, dass eben kein Unfallereignis vorlag.

 

Aber Neumann habe Anspruch nach dem bayerischen Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtenVG), darauf, dass seine Infektion als Berufskrankheit anerkannt wird.

 

Besonderer Einzelfall

 

Dies, weil ein besonderer Einzelfall vorliege. Neumann sei durch die Teilnahme am Lehrgang einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen. Die Teilnehmer hätten drinnen (Halle und Schwimmbad) die ganze Zeit intensiv Sport betrieben. Das Gelände wurde auch abends von niemand verlassen (also keine Gelegenheit sich „privat“ anzustecken).

 

Weil fast alle Teilnehmer erkrankten und Anhaltspunkte für eine Ansteckung im privaten Bereich auch bei Neumann nicht vorlagen, hat das Gericht einen besonderen Einzelfall gesehen und der Klage stattgegeben.

 

Angesteckter Lehrer erhält ebenfalls Anerkennung

 

Bei einem ähnlichen Sachverhalt hat das Verwaltungsgericht Würzburg (Urteil vom 26. Oktober 2021, Az. 1 K 21.536) ebenfalls keinen Dienstunfall angenommen, weil aufgrund fehlender zeitlicher Bestimmbarkeit kein Unfall vorliege. Der Kläger war aber dienstlich einer stark erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Das Lehrerkollegium bestand aus 30 Personen, wovon sich in engem Zeitrahmen 10 infizierten. Der Kläger hatte zu Infizierten längeren Kontakt, auch unterrichtete er eine Klasse für mehrere Stunden, in der 19 von 23 Schülern infiziert und eine weitere Klasse, in der auch viele Schüler infiziert waren. Das Gericht ging selbst bei regelmäßigem Lüften im Klassenraum hier von einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko aus.

 

Auslandsüberführung

 

Neumanns Polizeikollege musste im August 2020 einen Straftäter nach Albanien überstellen. Dort wurde ein Taxi benutzt und Neumanns Kollege schildert, dass ein anderer Fahrer auf den Fahrer seines Taxis gezeigt hätte und dabei sagte: Corona. Eine Woche nach Rückkehr wurde er positiv auf das Virus getestet und musste stationär im Krankenhaus behandelt werden.

 

Polizeibehörde lehnt Anerkennung ab

 

Neumanns Kollege wollte die Anerkennung der Infektion entweder als Unfall oder als Berufskrankheit. Die Behörde lehnte ab, denn er könne nicht beweisen, dass er sich in Albanien angesteckt habe. Bei einer Pandemie sei die Ansteckung grundsätzlich allgemeines Lebensrisiko.

 

Beweislastumkehr?

 

Grundsätzlich muss im Unfallrecht derjenige, der den Unfall erlitten hat, die Ursächlichkeit, oder - wie die Juristen sagen - Kausalität, beweisen. Das ist schwierig bis unmöglich. Durch eine Verordnung hat man die Beweislast umgekehrt und zwar für Mitarbeiter im Bereich Gesundheit, Wohlfahrt und in Laboren. Der Grund ist die besonders hohe Ansteckungsgefahr für die Beschäftigten in diesem Bereich. Erkrankt also eine Krankenschwester bedeutet dies, dass der Dienstherr beweisen müsste, dass die Ansteckung privat passiert ist. Das könnte z.B. der Fall sein, falls der Partner der Krankenschwester zuerst erkrankt ist.

 

Mit diesem Personenkreis will Neumanns Kumpel als Polizeibeamter gleichgestellt werden, weil er wegen seiner Tätigkeit auch einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist.

 

Verwaltungsgericht Aachen weist die Klage ab

 

Das Verwaltungsgericht Aachen (Urteil vom 8. April 2022, Az 1K 450/21) argumentiert, dass die bloße Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung nicht ausreichend sei, um den geforderten Beweis zu erbringen. Die reine Möglichkeit einer Ansteckung genüge nicht den strengen Anforderungen an die örtliche und zeitliche Bestimmbarkeit. Dies deckt sich mit den anderen Entscheidungen.

 

Auch eine Berufskrankheit sei nicht bewiesen, denn der Gesetzgeber habe die Beweislast nur für spezielle Berufsgruppen umgekehrt, und damit sei die Tätigkeit als Polizeibeamter nicht vergleichbar. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

 

Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 21. Oktober 2021 - Au 2 K 20.2494 

Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 26. Oktober 2021 - 1 K 21.536

Corona als Berufskrankheit - einige Gedanken auf dem Weg zu einer Lösung

 

Das sagen wir dazu:

Ob Beamte oder Arbeitnehmer: wo genau eine Ansteckung herkommt, ist oft unmöglich zu eruieren. Es durchzieht das ganze Unfallrecht, dass Abgrenzungen möglich sein müssen. Gerade bei der Auslandsüberführung und der Erkrankung erst eine Woche später ist der notwendige Kausalitätsnachweis wohl nicht zu erbringen.

 

Die anderen Fälle waren jedoch besondere Einzelfälle, weil sich eine geballte Infektionsgefahr aufdrängte.