Abriss der Bizepssehne = Dienstunfall. © Adobe Stock - Von Solarisys
Abriss der Bizepssehne = Dienstunfall. © Adobe Stock - Von Solarisys

Im Mai 2020 hob der im Zustellungsdienst tätige Postbeamte ein etwa 30 kg schweres Paket in sein Zustellfahrzeug. Hierbei erlitt er einen Abriss der Bizepssehne. Nach einer Operation folgte ein mehrtägiger stationärer Krankenhausaufenthalt.

Berufsgenossenschaft verweigert Anerkennung als Dienstunfall

Ein fachärztliches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Sehnenriss eine Folge des Unfalls sei. Wie nicht anders zu erwarten, lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) gleichwohl die Anerkennung als Dienstunfall ab.

BG ignoriert fachärztliches Gutachten

Sie begründete die Nichtanerkennung eines Dienstunfalls mit der bei vielen Berufsgenossenschaften immer wieder anzutreffenden „Standardbegründung“, wonach das Anheben eines Pakets nicht geeignet sei, den Riss der Sehne zu verursachen. Denn diese sei auf schwere Belastungen ausgelegt und könne ohne Vorschädigung nicht reißen. Es liege eine unfallunabhängige Ursache vor.

Verwaltungsgericht folgt der „08/15 Begründung“ der BG nicht

Der Begründung der BG folgte das VG nicht. Das Gericht bewertete den Vorfall als Dienstunfall.

Nach dem eingeholten Gutachten, so die Aachener Richter*innen, war das Einladen des Pakets die wesentliche Ursache für den Sehnenriss. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass der zeitliche Abstand zwischen Unfallereignis und erstem ärztlichen Kontakt regelhaft für eine frische traumatische Verletzung sei.

Die MRT-Untersuchung* habe einen frischen Riss ohne wesentliche Hinweise auf Vorschädigung der rechten Bizepssehne ergeben. Die im Operationsbericht beschriebene Ausfransung der Sehne sei für einen unfallbedingten Riss typisch und das Anheben eines 30 kg schweren Pakets mit einem Arm könne nicht mehr als eine tägliche Belastung eingestuft werden. Somit handele es sich um eine verwirklichte spezifische Gefahr der Tätigkeit des Postbeamten und nicht um ein anlagebedingtes Leiden, das durch ein dienstliches Vorkommnis nur rein zufällig ausgelöst wurde und ebenso im privaten Bereich hätte auftreten können.

Gegen das Urteil kann die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheiden würde.

*MRT-Untersuchung:
Die Kernspintomografie ist ein bildgebendes Verfahren und wird auch als Magnetresonanztomografie, kurz MRT, bezeichnet. Sie ist vor allem für die Darstellung von Weichteilen und Organen geeignet.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Verwaltungsgericht Aachen vom 28.07.2022: