Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen kippt Frauenförderung.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen kippt Frauenförderung.

Für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar hält das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) die seit dem 01.07.2016 im nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz enthaltene Vorschrift zur Frauenförderung. Zu diesem Ergebnis kamen am 21.02.2017 in sechs Musterverfahren die Richter*innen des 6. Senats.


Beförderungsentscheidungen können nach Auffassung des OVG NRW nicht auf die Neufassung des § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) gestützt werden, weil hierdurch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Bestenauslese verletzt wird.

 

Die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen, deren Vita oft durch familienbedingte Auszeiten gekennzeichnet ist, kann nach Ansicht des Beschwerdegerichts dadurch gefördert werden, dass Beurteilungen weniger stark an die erbrachten dienstlichen Leistungen und im Beruf gewonnenen Erfahrungen anknüpfen.

Erstinstanzliche Entscheidungen bestätigt

Vorausgegangen waren der Entscheidung des OVG bei den Verwaltungsgerichten (VG) Düsseldorf, Aachen, Arnsberg und Gelsenkirchen anhängige Eilanträge von im Bewerbungsverfahren unterlegenen Männern, den stattgegeben und dem Dienstherrn untersagt wurde, die ausgewählten Frauen zu befördern.Die dagegen eingelegten sechs Musterbeschwerden des Landes Nordrhein-Westfalen, die Beförderungsentscheidungen der Kreispolizeibehörde Viersen, des Landeskriminalamts, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf und der Oberfinanzdirektion NRW betreffen, hat das OVG nun zurückgewiesen.

Gegen Gebot der Bestenauslese verstoßen

Nach Auffassung des 6. Senats des OVG begegnet § 19 Abs. 6 Satz 2 LBG NRW keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Verfassungswidrig indes sei jedoch § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen ist, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstoße gegen das in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verankerte Gebot der Bestenauslese. Dieses gebiete, dass der für das Beförderungsamt am besten geeignete Bewerber ausgewählt werde.

 

Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber beträfen. Hierzu gehöre der Aspekt der Frauenförderung nicht. Wenn die dienstlichen Beurteilungen dasselbe Gesamturteil ausweisen, müssten zunächst die Inhalte der aktuellen Beurteilungen und bei dann noch gegebenem Qualifikationsgleichstand ältere dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden.

Hier direkt zur Pressemitteilung der Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2017

Und hier gibt es die komplette Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2017, Az.: 6 B 1109/16 im Volltext

Das sagen wir dazu:

Bedauerlich, dass ein gut gemeintes und auch sicherlich notwendiges Gesetz zur Frauenförderung wegen Bedenken im Hinblick auf dessen Verfassungsmäßigkeit zum Scheitern verurteilt sein soll. 

Folgt man jedoch der aus der Pressemitteilung des OVG ersichtlichen Begründung, so sollte es, unter Beachtung der dort angedeuteten Hinweise, doch möglich sein, die Frauenförderung im LBG NRW so „wasserdicht“ zu machen, dass es an deren Verfassungsmäßigkeit nichts mehr zu rütteln gibt.

Rechtliche Grundlagen

19 Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 LBG NRW und Art. 33 Abs. 2 GG

§ 19 (Landesbeamtengesetz - LBG NRW)
Beförderung

(1) Beförderungen sind die

1. Ernennung unter Verleihung eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt und anderer Amtsbezeichnung,

2. Ernennung unter Verleihung eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt bei gleicher Amtsbezeichnung und

3. Ernennung unter Verleihung eines anderen Amtes mit gleichem Endgrundgehalt und anderer Amtsbezeichnung beim Wechsel der Laufbahngruppe.

Amtszulagen gelten als Bestandteile des Grundgehaltes.


(2) Eine Beförderung ist nicht zulässig

1. während der Probezeit,

2. vor Ablauf eines Jahres seit Beendigung der Probezeit sowie

3. vor Ablauf eines Jahres seit der letzten Beförderung, es sei denn, dass das bisherige Amt nicht zu durchlaufen war.

Innerhalb von zwei Jahren vor Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze ist eine weitere Beförderung nicht zulässig.
Abweichend von Nummer 2 kann die Beamtin oder der Beamte wegen besonderer Leistungen ohne Mitwirkung des Landespersonalausschusses befördert werden.


(3) Vor Feststellung der Eignung für einen höher bewerteten Dienstposten in einer Erprobungszeit, für die durch Rechtsverordnung nach § 9 und § 110 Absatz 1 eine Dauer von mindestens drei Monaten festzulegen ist, darf die Beamtin oder der Beamte nicht befördert werden. Dies gilt nicht für Beförderungen in Ämter, deren Inhaberinnen oder Inhaber richterliche Unabhängigkeit besitzen, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte, Beamtinnen oder Beamte im Sinne von § 37 oder Wahlbeamtinnen oder Wahlbeamte sind; in den Rechtsverordnungen nach Satz 1 können weitere Ausnahmen für Fälle des Aufstiegs zugelassen werden, wenn diesen eine Prüfung vorausgeht.


(4) Regelmäßig zu durchlaufende Beförderungsämter dürfen mit Ausnahme von Beförderungen auf der Grundlage von § 9 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz nicht übersprungen werden.


(5) Der Landespersonalausschuss kann Ausnahmen von den Beförderungsverboten (Absatz 2) und vom Verbot der Sprungbeförderung (Absatz 4) zulassen.


f:(6) Beförderungen sind nach den Grundsätzen des § 9 des Beamtenstatusgesetzesvorzunehmen. Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Satz 2 und 3 finden Anwendung, solange im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde innerhalb einer Laufbahn der Frauenanteil in dem jeweiligen Beförderungsamt entweder den Frauenanteil im Einstiegsamt oder den Frauenanteil in einem der unter dem zu besetzenden Beförderungsamt liegenden Beförderungsämter unterschreitet und der Frauenanteil in dem jeweiligen Beförderungsamt 50 Prozent noch nicht erreicht hat. Ist mit der Beförderung die Vergabe eines Dienstpostens mit Vorgesetzten- oder Leitungsfunktion verbunden, gilt Satz 4 bezogen auf die angestrebte Funktion. Abweichend von Satz 4 ist maßgeblich der Geschäftsbereich der obersten Landesbehörde, die den Beförderungsvorschlag macht, wenn die Landesregierung die für die Beförderung zuständige Behörde ist. Weitere Abweichungen von dem gemäß Satz 4 maßgeblichen Bezugsbereich oder in Bezug auf die Vergleichsgruppenbildung regelt die oberste Dienstbehörde durch Rechtsverordnung.:f



Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Artikel 33
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

f:(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.:f

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.