Gewonnen und Beförderungschance gewahrt! – freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen nicht benachteiligt werden © Adobe Stock: sepy
Gewonnen und Beförderungschance gewahrt! – freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen nicht benachteiligt werden © Adobe Stock: sepy

Frank Glück, Prozessvertreter der klagenden Betriebsrätin aus dem DGB Rechtsschutzbüro Wiesbaden erklärt, seine Mandantin habe das zunächst eingeleitete Eilverfahren beim Verwaltungsgericht um vorläufige Sicherstellung ihrer Beförderungschancen aus rein formalen Gründen verloren. Die beurlaubte Beamtin war im Bahnkonzern zu einer privaten Gesellschaft abgeordnet und dort als Betriebsratsvorsitzende von der Arbeit freigestellt. Der Dienstherr konnte aber nachweisen, für solche Fälle generell zusätzlich Reservestellen für Mitglieder des Betriebsrates freizuhalten, um anstehende Beförderungen schnell umsetzen zu können.

 

Die Klägerin arbeitete bereits seit 1999 als Beamtin im Bahnkonzern. 2014 wurde sie als Mitglied des Betriebsrates von ihrer Arbeit freigestellt. Seit 1. August 2016 war sie bis auf weiteres unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei einem DB-Konzernunternehmen im Rahmen eines Arbeitsvertrags beurlaubt und erhielt seitdem auch ein Tarifgehalt statt der beamtenrechtlichen Besoldung. Ihre letzte dienstliche Beurteilung datierte auf den Monat Februar 2014.

 

Die Bewerbung war nicht erfolgreich

 

Im Dezember bewarb sich die Klägerin auf einen höher bewerteten Dienstposten im Rahmen ihres beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses. Die Stelle bekam ein Konkurrent, dessen aktuelle dienstliche Beurteilung aus dem Jahr 2020 besser als diejenige der Klägerin aus 2014 war. Der Dienstherr verwies darauf, er habe dem Mitbewerber nach dem Prinzip der Bestenauslese den Vorrang geben müssen.

 

Die Beamtin erhob Klage. Dem Antrag des Gewerkschaftsjuristen Glück gab das Verwaltungsgericht statt und verurteilte den Beklagte, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids über die Bewerbung der Klägerin auf die Beförderungsstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.

 

Die Beförderung selbst kann ein Gericht nämlich nicht vornehmen. Das ist und bleibt Sache des Dienstherrn. Die Entscheidung muss im Einzelfall jedoch gegebenenfalls auf der Basis der rechtlichen Vorgaben des Gerichts wiederholt werden – so wie in diesem Fall.

 

Das Gericht spricht von einer isolierten Beförderung

 

In seinem Urteil befasst sich das Verwaltungsgericht zunächst mit Formalien. Die sind im hiesigen Fall von besonderem Interesse. Hat der Dienstherr eine ausgeschrieben Stelle bereits besetzt, kann ein:e Konkurrent:in normalerweise keine Entscheidung mehr darüber erwirken, diese Stelle selbst zu bekommen. Ist eine Beförderung vollzogen, kann der Dienstherr sie nicht mehr rückgängig machen. In diesen Fällen bleibt Betroffenen allenfalls der Versuch, einen Schadenersatzanspruch durchzusetzen.

 

Der Zulässigkeit der Klage stehe aber hier nicht entgegen, dass der Mitbewerber der Klägerin, auf der streitigen Stelle inzwischen befördert worden sei, so das Verwaltungsgericht. Dieser Umstand führte zwar regelmäßig zur Erledigung der Konkurrentenstreitigkeit; in der hier vorliegenden Konstellation sei dadurch ausnahmsweise jedoch keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten, weil die Klägerin als freigestelltes Betriebsratsmitglied nicht die tatsächliche Wahrnehmung des ausgeschriebenen Dienstpostens anstrebte, sondern unabhängig davon eine „isolierte" Beförderung begehre.

 

Zur isolierten Beförderung gibt es schon Rechtsprechung aus 2002

 

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen befasste sich schon 2002 mit einer isolierten Beförderung. Betroffene können sich demnach grundlegend auf die im Personalvertretungsrecht wurzelnde Handhabung des Personalhaushaltes in Fällen wie hier berufen, wonach für freigestellte und weiterhin freizustellende Personal- und Betriebsratsratsmitglieder neben der konkret zu besetzenden bzw. konkret bestehenden (Beförderungs-)Stelle weitere sog. sonstige Stellen ausgewiesen sind.

 

Diese sollen parallel zu der zu besetzenden Stelle vergeben werden, wenn sich ein freigestelltes Personalratsmitglied im Stellenbesetzungsverfahren als bestgeeignet durchsetzt. Das hat zur Folge, dass dem:der Zweitbesten dann die konkret wahrzunehmende Stelle übertragen wird und das freigestellte Personalratsmitglied die sonstige (Beförderungs-)Stelle erhält.

 

Das Auswahlverfahren ist deswegen allenfalls hinsichtlich der konkret zu besetzenden Stelle erledigt, nicht aber hinsichtlich der für freizustellende oder freigestellte Personal- bzw. Betriebsratsmitglieder ausgewiesenen sonstigen Stelle. Eine Klage mit dem Ziel, eine erneute fehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn zu veranlassen, kann hier mit Blick auf die noch freie sog. sonstige Stelle weiterhin erhoben werden.

 

Diese Rechtsprechung zieht das Verwaltungsgericht Mainz heran

 

Vor dem Hintergrund des betriebsverfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbotes, das auch für die berufliche Entwicklung von Mitgliedern des Betriebsrats gelte, habe der Dienstherr vorliegend für freigestellte Betriebsratsmitglieder weitere Beförderungsmöglichkeiten geschaffen, sofern diese sich in einem Hauptsacheverfahren gegen die jeweiligen Mitbewerber:innen durchsetzten. Deshalb sei das Beförderungsbegehren des freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht erledigt, wenn der:die ausgewählte Bewerber:in den Dienstposten wahrnehme und befördert werde.

 

Damit war die Klage zulässig. Sie war darüber hinaus aus Sicht des Gerichts auch begründet, denn die Entscheidung des Beklagten hielt einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine den rechtlichen Anforderungen genügende dienstliche Beurteilung bzw. Nachzeichnung der Klägerin liege nicht vor.

 

Der Beklagte verfügt über keine aktuelle dienstliche Beurteilung der Klägerin

 

Der Konkurrent der Klägerin war 2020 beurteilt worden. Die Beurteilung umfasste den Zeitraum Januar bis Dezember 2019. Für die Klägerin liege demgegenüber eine hinreichend aktuelle dienstliche Beurteilung nicht vor. Da sie bereits seit 2014 vollständig freigestellt sei für ihre Tätigkeit im Betriebsrat, habe sie im Beurteilungszeitraum keine Leistungen erbracht, die dienstlich beurteilt werden könnten.

 

Würden während des Beurteilungszeitraumes keine dienstlichen Leistungen erbracht, die Grundlage einer Beurteilung sein könnten, so könne der Dienstherr Benachteiligungen der betroffenen Beamt:innen dadurch ausschließen, dass er eine Fortschreibung vergangener Beurteilungen durch eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdeganges freigestellter Beamt:innen vorsehe.

 

Der Beklagte habe eine solche fiktive Nachzeichnung vorgelegt, diese entspreche aber nicht geltendem Recht. Es handele sich nicht um eine Nachzeichnung, die in Form einer dienstlichen Beurteilung schriftlich hinterlegt wäre, sondern nur um einen Vermerk in der Auswahlentscheidung und im Widerspruchsbescheid.

 

Auch die gebildete Vergleichsgruppe war falsch

 

Auch aus weiteren Gründen genüge dieser Vermerk den Anforderungen an eine plausible Nachzeichnung der Leistungsentwicklung der Klägerin nicht. Denn der Beklagte habe dabei die von ihm herangezogene Referenz- bzw. Vergleichsgruppe nicht ordnungsgemäß gebildet, sondern ausweislich des Widerspruchsbescheids diejenigen Beamt:innen, die nach Beginn der Freistellung der Klägerin und vor dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung befördert worden seien, aus dieser Gruppe ausgeschlossen.

 

Eine Vergleichsgruppe für eine Nachzeichnung müsse der Dienstherr ergebnisoffen bilden. Damit sei eine Beschränkung der Vergleichsgruppe auf diejenigen Beamt:innen, die während des zu betrachtenden Nachzeichnungszeitraums nicht befördert worden seien, nicht zu vereinbaren.

 

Sei die Vergleichsgruppe nicht ordnungsgemäß gebildet, beruhe die fiktive Nachzeichnung, die ihrerseits die Grundlage der Auswahlentscheidung des Beklagten gebildet habe, auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage und sei deshalb rechtswidrig.

 

Weil dem Dienstherrn bei der Nachzeichnung Ermessen zukomme, habe der Beklagte über die Auswahlentscheidung neu zu entscheiden. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Nachzeichnung eine Beförderungschance habe.