Zöliakie macht lebenslange glutenfreie Diät erforderlich. Copyright by Adobe Stock/ferkelraggae
Zöliakie macht lebenslange glutenfreie Diät erforderlich. Copyright by Adobe Stock/ferkelraggae

Das Oberverwaltungsgericht befasste sich mit der Beschwerde eines Bewerbers, der im Wege eines Eilverfahrens den Dienstherren, das Land Nordrhein-Westfalen, dazu verpflichten wollte, ein Bewerbungsverfahren mit ihm fortzusetzen. Ihm ging es darum, in den gehobenen Polizeivollzugsdienst eingestellt zu werden. Sein Antrag im Verfahren blieb jedoch erfolglos.
 

Bereits das Verwaltungsgericht hatte auf den Grundsatz des gleichen Zugangs zum öffentlichen Amt verwiesen

Bereits das Verwaltungsgericht hatte im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass ein Dienstherr bei der Auswahl seiner Bewerber den Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt beachten müsse. Dazu gehörten Eignung, Befähigung und fachliche Leistung.
 
Von Bedeutung seien zum Einen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Diese habe der Bewerber und Antragsteller des Verfahrens erfüllt. Daneben sei jedoch auch zu berücksichtigen, ob der Bewerber gesundheitlich geeignet sei. Diese Voraussetzung erfülle der Antragsteller aber nicht, denn er sei an einer Zöliakie erkrankt. Damit sei er nicht in jeder Stellung einsetzbar, die seinem statusrechtlichen Amt entspreche.
 

Zöliakie-Betroffene erleiden Entzündungen der Darmschleimhaut, wenn sie Gluten zu sich nehmen

Zöliakie-Betroffenen erlitten Entzündungen der Darmschleimhaut, wenn sie Gluten zu sich nähmen. Sie seien deshalb lebenslang auf eine glutenfreie Ernährung angewiesen. Das sei jedoch nicht damit vereinbar, dass im Polizeivollzugsdienst Einsätze aus besonderem Anlass auftreten könnten, bei welchen die Beamten verpflichtend Gemeinschaftsverpflegung einzunehmen hätten.
 
Dieser Begründung schloss sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen an. Es verweist ergänzend auf den Einstellungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz. Danach habe der Dienstherr die Eignung zu beurteilen. Damit verbunden sei immer auch eine Entscheidung, ob ein Antragsteller den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspreche.
 

Ist die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann ein Bewerber nicht verbeamtet werden

Sei nach der körperlichen oder psychischen Konstitution die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, könne ein Bewerber unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Der Dienstherr dürfe ihn nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die vorhandenen Ämter einbeziehen.
 
Die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung beziehe sich auf das Datum der Einstellung. Allerdings müsse ein Dienstherr auch die zukünftige Entwicklung betrachten. Er müsse über den konkreten Gesundheitszustand des Bewerbers eine Prognose erstellen. Selbst wenn ein Bewerber zum Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung polizeidienstfähig sei, müsse die Polizeidienstfähigkeit versagt werden, wenn eine chronische Erkrankung mit einem Verlauf bestehe, der sich voraussichtlich verschlechtere.
 

Der Zeitraum der Prognose reicht bis zur Altersgrenze

Der Zeitraum, für welchen diese Prognose erstellt werden müsse, reiche bis zur Altersgrenze. Der Bewerber müsse bis zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes genügen können.
 
Hieran fehle es, wenn belegt sei, dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen dieser Altersgrenze dauernd polizeidienstunfähig werde oder bis dahin regelmäßig erhebliche Ausfallzeiten aufträten.
 

Beim Antragsteller lag Polizeidienstfähigkeit schon zum Einstellungsdatum nicht vor

Beim Antragsteller legen schon die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Polizeidienstfähigkeit zum Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung in den Polizeivollzugsdienst nicht vor. Dies habe das polizeiärztliche Gutachten ergeben. Der Antragsteller müsse besonderen Augenmerk auf seine Ernährung richten. Je nach Anlass sei er verpflichtet, an der Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen.
 
Ein Dienstherr könne bei der Gemeinschaftsverpflegung jedoch nicht sicherstellen, auf besondere Nahrungsmittelunverträglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Eine risikoarme Kost sei damit nicht sichergestellt. Insbesondere könne eine glutenfreie Kost dienstlicherseits nicht durchgehend angeboten werden.
 

Die Erkrankung wirkt sich auf die dienstliche Einsetzbarkeit aus

Die Erkrankung des Antragstellers wirke sich damit auf die dienstliche Einsetzbarkeit aus. Der Antragsteller könne unter Berücksichtigung dessen nicht in allen Bereichen des Polizeivollzugsdienstes arbeiten.
 
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Polizeiarztes stellte auch das Oberverwaltungsgericht fest, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der gewünschten Einstellung in den Polizeivollzugsdienst nicht dienstfähig war.
 

Trotz Zöliakie können Spitzensportler hohe Leistungen erbringen

Es könne zwar durchaus sein, dass sogar Spitzensportler an einer Zöliakie erkrankt seien und dennoch hohe Leistungen erbringen könnten  - wie der Antragsteller im Verfahren vortrug. Das schließe sich jedoch nicht aus. Hier gehe es darum, dass der Antragsteller bestimmte Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes nicht wahrnehmen könne. Grund hierfür sei seine individuelle Konstitution mit einem deutlich erhöhten Gesundheitsrisiko.
 

Der Antragsteller ist mit sonstigen Personengruppen nicht vergleichbar

Der Antragsteller sei auch nicht mit sonstigen Personengruppen vergleichbar, die sich für besondere Ernährungsformen entschieden hätten. Vegetarier, Veganer oder Personen die sich nach islamischen oder auch jüdischen Speisevorschriften ernährten, wiesen im Gegensatz zum Kläger kein besonderes Gesundheitsrisiko auf.
 
Obwohl der Bewerber sämtliche fachlichen und laufbahnrechtlichen  Voraussetzungen für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllte, durfte er wegen einer Zöliaki aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden  - eine stark einschneidende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

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Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung begegnet aus meiner Sicht großen Bedenken. Mal ehrlich, wer kennt nicht jemanden, der an einer Glutenunverträglichkeit leidet. Daneben gibt es ja auch die Glutamat-Allergie, die Laktose-Intoleranz und verschiedene Formen von Lebensmittelallergien. All diese Erkrankungen, die mit der Ernährung zu tun haben, haben sich in den letzten Jahren schleichend fortentwickelt, könnte man meinen.

Das Gericht hätte meiner Ansicht nach zunächst einmal prüfen müssen, welche Formen von Lebensmittelunverträglichkeiten es in der Gesellschaft gibt und wie hoch aus medizinischer Sicht die prozentuale Verteilung unter der Bevölkerung ist. Ein entsprechendes gesellschaftliches Bild wäre sicherlich zu berücksichtigen gewesen. Vielen Menschen sind entsprechende Unverträglichkeiten auch gar nicht bekannt. Dennoch sind sie vorhanden.

Gemeinschaftsverpflegungen müssen - wenn  Lebensmittelunverträglichkeiten in der Gesellschaft weit verbreitet sind - hierauf zwischenzeitlich durchaus Rücksicht nehmen und unterschiedliche Kost anbieten. Vegetarier, Veganer und Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit erhalten schon lange dementsprechende Angebote.

Alleine das Kriterium der Gemeinschaftsverpflegung halte ich deshalb für zu kurz gegriffen. Hinzu kommt, dass der Bewerber sich bei einem Bundesland beworben hatte. Im Gegensatz zur Bundespolizei finden dort eher selten Veranstaltungen statt, in welchen die Beamten zur Gemeinschaftsverpflegung verpflichtet sind. Die Unterbringung kann wegen der räumlichen Nähe oft zu Hause erfolgen. Auch das wäre ein Aspekt gewesen, den das Oberverwaltungsgericht meiner Ansicht nach zu berücksichtigen gehabt hätte.