Wer auf Kosten eines anderen etwas erlangt, ohne dass es dafür einen rechtlichen Grund gibt, muss das Erlangte an den anderen herausgeben, wenn dieser das verlangt. Im Zivilrecht regeln das § 812 und die folgenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der „Andere“ hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, wie Jurist*innen es nennen. Wenn der Arbeitgeber einem Beschäftigten versehentlich zu viel Arbeitsentgelt zahlt, kann er den zu viel gezahlten Betrag zurückverlangen.
Das Gesetz regelt dann auch, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch wegfällt, etwa weil der „Andere“ gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814 BGB) oder weil der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Absatz 3 BGB). Dann kann der Betreffende einwenden, dass er „entreichert“ ist.
Die Besoldungsgesetzes des Bundes und der Länder verweisen auf die Vorschriften des BGB zur ungerechtfertigten Bereicherung
Für Beamt*innen gelten die Vorschriften des BGB grundsätzlich nicht. Allerdings verweisen Regelungen in den Besoldungsgesetzen für Fälle, in denen sie ungerechtfertigt bereichert sind, auf die §§ 812 ff BGB, sodass das Bereicherungsrecht des BGB auch für Beamt*innen gilt, denen der Dienstherr zu viel Bezüge gezahlt hat. Hinsichtlich der Besoldung der Bundesbeamten ist das z.B. § 12 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz (BbesG). Entsprechende Vorschriften gibt es auch in den Besoldungsgesetzen der Länder.
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden, in dem es um einen Professor ging, dem das Land Rheinland-Pfalz versehentlich ein Gehalt gezahlt hat, obwohl er einer Universität des Landes nicht mehr zur Verfügung stand. Seit Januar 2018 hatte er als verbeamteter Universitätsprofessor auf Lebenszeit im Dienst des Landes gestanden.
Rheinland-Pfalz zahlte einem Professor noch Bezüge für September 2020, obwohl er bereits Ende August 2020 aus den Diensten des Landes ausgeschieden ist
Professor*innen nehmen nicht einfach eine ihnen angebotene Stelle an. Das klingt Akademiker*innen zu profan. Sie folgen vielmehr dem Ruf einer Universität. Und so folgte unser Professor im Jahr 2020 dem Ruf einer Universität außerhalb von Rheinland-Pfalz und wurde dort mit Wirkung zum 1. September 2020 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor ernannt. Gleichwohl zahlte das Land Rheinland-Pfalz ihm am 31. August 2020 für den Monat September noch Bezüge auf Basis eines Bruttobetrags in Höhe von 8.104,72 € aus.
Den Betrag wollte das Land selbstverständlich zurückhaben, nachdem der Fehler aufgefallen war. Somit erließ es einen entsprechenden Bescheid, den der Professor jedoch nicht akzeptieren wollte. Nachdem das Land seinen Widerspruch zurückgewiesen hatte, erhob er Klage beim Verwaltungsgericht Koblenz.
Der Professor meint, er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Kontoauszüge zu überprüfen
Er habe seinen damaligen Dienstherren bereits im Juni 2020 über seinen Wechsel an die neue Universität informiert, wandte der Professor ein. Darüber hinaus sei er nicht verpflichtet gewesen, seinen Kontoauszug auf Zahlungen des Landes Rheinland-Pfalz zu prüfen, da er mit einer weiteren Auszahlung von Dienstbezügen nicht habe rechnen müssen. Schließlich habe das Land selbst zu verantworten, dass es zu viel gezahlt habe. Deshalb müsse es aus Billigkeitsgründen jedenfalls teilweise davon absehen, das Geld zurückzuverlangen. Das Geld habe er auch bereits ausgegeben, daher sei er entreichert.
Dieser Argumentation folgte das VG freilich nicht. Der Empfänger einer Geldleistung sei nur dann entreichert, wenn er die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht habe. Zwar könne bei relativ geringen Beträgen monatlicher Überzahlungen über einen langen Zeitraum angenommen werden, dass die zu viel gezahlten Bezüge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht worden seien. Um einen solchen Fall handele es sich hier aber nicht.
Wer sich auf Entreicherung beruft, muss darlegen und beweisen, dass er den fraglichen Betrag restlos verbraucht hat
Der Professor habe immerhin 5.195,28 € netto ausbezahlt bekommen. Das sei alles andere als ein geringfügiger Betrag. In Anbetracht dessen hätte es ihm oblegen darzulegen und zu beweisen, dass er den ihm überwiesenen Betrag bereits restlos verbraucht habe.
Dem Professor sei es zudem verwehrt, sich darauf zu berufen, dass er entreichert sei. Er unterliege nämlich der verschärften Haftung. Es sei offensichtlich, dass es für eine Zahlung der Bezüge für den Monat September 2020 keinen Rechtsgrund gegeben habe. Das hätte der Professor erkennen müssen.
Dem Professor hätte auffallen müssen, dass er ein Gehalt zu viel bekommen hat
Es gehöre aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht zu den Sorgfaltspflichten, bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf Überzahlungen zu achten. Das gelte insbesondere im Falle des Dienstherrenwechsels. Es hätte dem Professor auffallen müssen, dass er ein Gehalt zu viel bekommen habe. Anlass für einen Teilerlass der Rückforderungssumme aus Billigkeitsgründen habe nicht bestanden. Das Land habe zeitnah die Überzahlung erkannt und den Kläger zur Rückzahlung aufgefordert.
Hier geht es zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz: (PDF)
Rechtliche Grundlagen
§ 16 Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz (LBesG) - § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 16 Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz (LBesG)
Rückforderung von Bezügen
(1) Wer durch eine gesetzliche Änderung der Bezüge einschließlich der Einreihung des Amtes in die Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen mit rückwirkender Kraft schlechter gestellt wird, hat die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten.
(2) Im Übrigen regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass die Empfängerin oder der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
(3) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode einer Beamtin oder eines Beamten, einer Richterin oder eines Richters auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordert. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden.
(4) Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode einer Beamtin oder eines Beamten, einer Richterin oder eines Richters zu Unrecht erbracht worden sind, haben die Personen, die die Geldleistung in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, diesen Betrag der überweisenden Stelle zu erstatten, sofern er nicht nach Absatz 3 von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle auf Verlangen Namen und Anschrift der Personen, die über den Betrag verfügt haben, und etwaiger neuer Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben bleibt unberührt.
§ 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Herausgabeanspruch
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
§ 818 BGB
Umfang des Bereicherungsanspruchs
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.