Wegen der Corona Situation muss Neumanns Tochter eine Wartezeit von vielen Monaten in Kauf nehmen, ehe sie endlich ihr Freiwilligenjahr antreten kann.
Probleme macht die Kindergeldkasse. § 32 des Einkommensteuergesetzes sieht als unschädlich maximal eine Unterbrechung von vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem freiwilligen Dienst vor. Die Schule zählt als Ausbildungsabschnitt, die vier Monate sind jedoch überschritten.
Neumann und seine Tochter meinen, die besondere Situation müsse doch Berücksichtigung finden.
Werdegang der volljährigen Tochter
Sie hat im Juli 2020 ihre Schule beendet und suchte schon vorher ein Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr. Als bis November nichts zu bekommen war, meldete sie sich ausbildungssuchend und ab Januar konnte sie endlich den freiwilligen Dienst im Rahmen eines europäischen Solidaritätskorps antreten.
Im Herbst begann sie dann ihr Studium, Fachrichtung Marketing.
Kindergeld wurde ab August 2020 versagt
Die Kindergeldkasse lehnte ab August die Gewährung von Kindergeld ab, da die Voraussetzungen für volljährige Kinder nicht mehr vorlägen. Sie begründete dies damit, dass die Unterbrechung länger war, als das Gesetz vorsieht.
Gegen einen solchen Bescheid ist ein Einspruch möglich, den Neumann sofort einlegte.
Einspruch war teilweise erfolgreich
Durch den Einspruch wurde der Fall neu geprüft und Neumann erreichte einen Teilerfolg. Ab der Meldung bei der Agentur für Arbeit, in der sich seine Tochter ausbildungssuchend meldete, hat die Agentur für Arbeit, sprich die Kindergeldkasse, dann wieder Kindergeld gewährt.
Dies galt aber nicht für den Zeitraum August bis Oktober, der offenblieb. Zwischen Ende der Schulzeit und der Aufnahme des Freiwilligendienstes lagen letztlich fünf Monate. Die Frist war also überschritten.
Klage vor dem Finanzgericht
Gegen die Einspruchsentscheidung erhebt Neumann Klage vor dem Finanzgericht, weil er die besondere, durch Corona ausgelöste, Situation mit Stillstand überall, berücksichtigt haben möchte. Er argumentiert, dass der Gesetzgeber die Situation einer Pandemie nicht habe vorhersehen können. Die Bundesregierung habe ja einerseits einen Kinderbonus für die Jahre 2020 und 2021 ausgezahlt und da könne doch nicht andererseits die hiesigen Vorschriften so eng ausgelegt werden.
Eine Lücke von vier Monaten ist das Maximum
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b des Einkommensteuergesetzes regelt, dass Kinder, die das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, maximal eine Lücke von vier Monaten haben dürfen zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung eines Freiwilligendienstes.
Der Wortlaut des Gesetzes ist hier eindeutig.
Argumente der Behörde
Der Gesetzestext sei eindeutig und eine reine Bewerbung für den Freiwilligendienst reiche nicht aus. Der Gesetzgeber habe unterschieden zwischen Eigenbemühungen für Ausbildungsplätze, die Kindergeld erhaltend sind, und Eigenbemühungen für Freiwilligendienste. Im zweiten Fall wurde bewusst eine Frist für die längst mögliche Unterbrechung gesetzt.
Finanzgericht weist Klage ab
Das FG Münster, hat mit Urteil vom 14.06.2022 (13 K 745/21 Kg) die Klage abgewiesen. Aus der Gesetzesbegründung der achtziger Jahre ergebe sich bereits, dass maximal eine 4-monatige Überbrückungszeit toleriert würde. Wenn für das volljährige Kind absehbar ist, dass Unterbrechungen länger dauern, müsse das Kind eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das Gericht sah keine planwidrige Regelungslücke.
Der Gesetzgeber habe sich für die Jahre 2020 und 2021 entschieden einen Kinderbonus zu gewähren und nicht dazu, die hiesigen Vorschriften zu ändern. Das Gesetz sei eine abschließende Regelung. Der Freiwilligendienst ist keine Berufsausbildung. Eine ausnahmsweise Berücksichtigung könnte dann erfolgen, wenn der freiwillige Dienst der Vorbereitung auf ein konkretes Berufsziel diene, z.B., wenn danach das Studium der Sozialarbeit aufgenommen würde. Neumanns Tochter studiere aber Fachrichtung Marketing. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden auch nicht.
Somit verlor Neumann das Verfahren.
Keine Zulassung der Revision
Im Urteil wurde die Revision nicht zugelassen Neumann versucht es dennoch mit einer Beschwerde gegen diese Nichtzulassung, die beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III B 64/22 anhängig ist.
Führt Gleichbehandlungsgrundsatz zur Verlängerung?
In die gleiche Richtung geht eine andere Entscheidung. Das niedersächsische FG hat mit Urteil vom 21.04.2022 (11 K 91/21) ebenfalls abgelehnt, eine Sonderregelung anzunehmen.
Das Kindergeld für volljährige Kinder endet mit Vollendung des 25. Lebensjahres. Diese Altersgrenze wurde angegriffen mit der Begründung, dass einige Bundesländer die Regelstudienzeit um bis zu drei Semester verlängert haben. BAföG gibt es nur während der Regelstudienzeit. Durch die Verlängerung erhalten also BAföG Empfänger länger Unterstützung. Das Kindergeld diene genauso der Unterstützung der Berufsausbildung. Das Grundsetz geht in Art. 3 von einer Gleichbehandlung aus. Der verfassungsrechtlichen Vorgabe entspräche man nur, wenn man das Kindergeld ebenso verlängere.
Altersgrenze 25 Jahre ist verfassungsgemäß
Das Gericht sah die Altersgrenze als verfassungsgemäß an. Der Gesetzgeber habe sich klar für die Gewährung eines Kindergeldbonus in den Jahren 2020 und 2021 entschieden und darüber hinaus keine gesetzliche Anpassung vorgenommen. Das hält das Gericht nicht für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Hier liege keine Verfassungswidrigkeit vor. Was einzelne Bundesländer auch noch in unterschiedlichem Umfang machen, habe keinen Einfluss auf die Verlängerung des Kindergeldes. Zuständig für das Kindergeld sei der Bund. Die Altersgrenze betreffe nicht nur Studierende, sondern auch andere junge Erwachsene in Ausbildung für die die Möglichkeit einer längeren Regelausbildungszeit gar nicht besteht. Daher komme auch keine Vorlage ans Bundesverfassungsgericht in Betracht.
Diese Entscheidung des Finanzgerichts ist rechtskräftig geworden.
Das sagen wir dazu:
Es mutet seltsam an, dass die gleiche Gruppe - hier volljährig junge Erwachsene - mal quasi bezuschusst wird und andererseits die Folgen selber tragen soll. Es gehört aber zu einem funktionierenden System der Gewaltenteilung, dass die Gerichte eben nicht die Gesetze machen, sondern der Gesetzgeber entscheiden muss, wie er z.B. Ausgleiche schafft.
Das sagen wir dazu