Nicht verschreibungspflichtige Medikamente sind nicht beihilfefähig.
Nicht verschreibungspflichtige Medikamente sind nicht beihilfefähig.

Sachverhalt

Im April 2013 erwarb eine Bundesbeamtin ein ihr ärztlich verordnetes, nicht verschreibungspflichtiges Medikament.  Die von ihr hierfür beantragte Beihilfe lehnte der Dienstherr unter Hinweis auf den in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten grundsätzlichen Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab. Ein besonderer Ausnahmefall sei bei ihr nicht gegeben. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage der Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht Erfolg gehabt. Die Regelung der Bundesbeihilfeverordnung sei unwirksam. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. 

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des OVG nunmehr bestätigt. Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sei wirksam. Er stehe insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang.

Was ist eigentlich Beihilfe?

Beamtinnen und Beamte haben einen gesetzlichen Anspruch auf finanzielle Unterstützung im Krankheitsfall. Der Dienstherr erstattet zwischen 50% und 80% der Aufwendungen für Arztkosten, Medikamente oder sonstige Kosten in Zusammenhang mit der Krankheit. Im Regelfall erhalten aktive Beamte 50% und Ruhestandsbeamte 70% der Kosten erstattet. Ehegatten, Kinder  und Lebenspartner des Beamten erhalten grundsätzlich auch Beihilfe, aber nur dann, wenn sie nicht selbst gesetzlich krankenversicherungspflichtig sind und ihr Einkommen unter einer bestimmten Grenze liegt. Die Beihilfe ist bundesweit allerdings nicht einheitlich geregelt. Bei Beamten der Länder kann es anders geregelt sein, als im Bund. Besondere Regelungen gibt es zudem für Beamte mit erhöhtem Berufsrisiko wie Polizisten und Soldaten.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die Beihilfe nicht Teil der sogenannten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ ist. Das hat zur Folge, dass sie nicht denselben Schutz unserer Verfassung genießt, wie etwa die Besoldung. Der Gesetzgeber ist also grundsätzlich frei bei der Ausgestaltung der Beihilferegelungen, kann sie im Prinzip sogar abschaffen. Allerdings hat das BVerfG betont, dass es eine wechselseitige Beziehung der Beihilfe mit dem sogenannten „Alimentationsgrundsatz“ gibt. Aus diesem Prinzip folgt, dass die Höhe der Besoldung des Beamten gemessen an seinem Amt verfassungsrechtlich geschützt ist. Wenn durch die von einzelnen Beamten zu tragenden Gesundheitskosten zu einer nicht mehr „amtsangemessenen Besoldung“ führen, ist Verfassungsrecht verletzt. Diese etwas komplizierte Regelung führt zu vielen Rechtsstreitigkeiten.

Wann sind vom Arzt verordnete Medikamente beihilfefähig?

Grundsätzlich soll es sich zunächst einmal um ein zugelassenes Medikament handeln. Es muss zudem dem Grunde nach apotheken- und verschreibungspflichtig sein. Voraussetzung ist außerdem, dass seine Verabreichung notwendig und die Kosten wirtschaftlich angemessen sind. Von der Verschreibungspflicht gibt es einige Ausnahmen, wenn die Medikamente etwa für diagnostische Zwecke benutzt werden, der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung dienen oder insgesamt im Jahr Kosten entstehen, die eine Belastungsgrenze überschreiten. Diese liegt nach der Bundesbeihilfeverordnung bei 2% bzw. für chronisch Erkrankte bei 1% der jährlichen Einnahmen. Beihilfefähig sind dann nicht verschreibungspflichtige Medikamente, deren Preis wiederum eine gewisse Höhe überschreitet. Die Höhe richtet sich nach dem Statusamt, das der Beamte innehat. Die Grenze liegt derzeit in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 bei € 8,00, in den Besoldungsgruppen A9 bis A12 bei € 12,00 und im Übrigen bei € 16,00.

Im vorliegenden Fall lagen keine Ausnahmen wie eine schwerwiegende Erkrankung vor. Auch die jährliche Belastungsgrenze war nicht überschritten. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat der Beamtin gleichwohl recht gegeben. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Regelung zu den Belastungsgrenzen gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und damit gegen einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums verstößt. Es sei nämlich keine einheitliche Belastungsgrenze geregelt. Denn wenn auf die schon bestehende (Gesamt-)Belastungsgrenze die mit der Fürsorgepflicht vereinbar sei, für andere Beihilfeausschlüsse noch eine selbstständig neben diese Grenze tretende (Einzel)Belastungsgrenze "aufgesattelt" werde, verschiebe sich die bisher geltende Belastungsgrenze zu Lasten der Beihilfeberechtigten. Wenn ein Beihilfeberechtigter regelmäßig nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel benötige, seine Aufwendungen pro verordnetem Arzneimittel aber gerade nicht die genannten Beträge für das einzelne Medikament erreichten, seien Fälle denkbar, in denen dieser Beihilfeberechtigte pro Jahr wesentlich höhere finanzielle Aufwendungen habe als 1%, 2% oder sogar 4% seines Bruttojahreseinkommens. Dies sei nicht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar. 

Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hält den grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel für wirksam. Er stehe insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Der Verordnungsgeber habe ausreichende Vorkehrungen getroffen, dass dem Beamten infolge des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit im Einzelfall  keine Aufwendungen verblieben, die seine finanziellen Möglichkeiten erheblich überstiegen. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau verschiedener Regelungen. So habe der Verordnungsgeber bestimmte Fallgruppen von dem Leistungsausschluss ausgenommen. Darüber hinaus seien Aufwendungen für ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als beihilfefähig anzuerkennen, wenn sie eine an den jährlichen Einnahmen des Beamten und den Kosten für das einzelne Medikament ausgerichtete Grenze überschreiten würden. Schließlich könnten Aufwendungen übernommen werden, wenn im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde. 

Hier geht es zur Pressemitteilung des vom Bundesverwaltungsgerichts 23.11.2017