Studierender Rentner begehrt Ausbildungsförderung. © Adobe Stock - Von sofiko14
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Der Kläger hatte einen Hauptschulabschluss. Er absolvierte eine Lehre und war anschließend in verschiedenen Berufen tätig. 2014, im Alter von 64 Jahren, legte er an einer Abendschule das Abitur ab. Seit Anfang 2016 bezieht er eine Altersrente und ergänzende Grundsicherungsleistungen.

Zum Wintersemester 2015/2016 nahm der Kläger an der Universität Hamburg ein Bachelorstudium auf.

Für die ersten beiden Semester stellte er einen Antrag auf Ausbildungsförderung, den der Beklagte ablehnte. Die Klage hiergegen blieb vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hamburg und dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg erfolglos, woraufhin der Kläger Revision beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einlegte.

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Vorinstanzen

Die Richter*innen des Revisionsgerichts wiesen das Rechtsmittel zurück. Sie begründeten dies damit, dass der Kläger bei Beginn des Studiums die für eine Förderung gesetzlich festgesetzte Altersgrenze überschritten habe. Das Ausbildungsförderungsrecht, so das Gericht, knüpfe die Gewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich daran, dass der Auszubildende nicht älter als 30 Jahre bzw. - für Masterstudiengänge - als 35 Jahre alt ist. Diese Altersgrenze und die mit ihr verbundene Typisierung habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits 1980 als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen.

Der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass bei einer Ausbildung, die erst nach dem 35. Lebensjahr begonnen wird, das Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von Bildungsreserven im Hinblick auf die zu erwartende, nur noch relativ kurze Berufsdauer gering ist.

Keine Ausnahme bei nicht planmäßigem Abschluss der Ausbildung nach Erreichen des Rentenalters

Zwar, so das BVerwG, sehe das Gesetz eine Ausnahme von dieser Altersbegrenzung vor, wenn - wie im Fall des Klägers - die Zugangsberechtigung für die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg erworben und diese anschließend unverzüglich aufgenommen worden ist.

Dies aber bedeute nicht, dass Ausbildungsförderung für ein Studium auch dann noch gewährt werden soll, wenn der Auszubildende bei planmäßigem Abschluss der Ausbildung bereits das Rentenalter erreicht hat. Eine Regelung, dass Ausbildungsförderung völlig altersunabhängig zu gewähren ist, sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Unter Auswertung der Gesetzessystematik sowie des Zwecks des Gesetzes und dessen Entstehungsgeschichte sei zu dem Ergebnis zu kommen, dass Ausbildungsförderung dann nicht mehr zu gewähren ist, wenn eine Ausbildung aus Altersgründen typischerweise eine ihr entsprechende Erwerbstätigkeit nicht mehr erwarten lasse.

Kein Verstoß gegen Grundrechte

Abschließend wies das Gericht darauf hin, dass der Inhalt des Gesetzes mit dem grundrechtlichen Anspruch eines bedürftigen Auszubildenden auf Teilhabee an der staatlichen Ausbildungsförderung vereinbar sei. Auch stehe ihm nicht das unionsrechtliche Verbot einer Altersdiskriminierung entgegen.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2021:

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus dem BaföG und Grundgesetz

§ 10 BaföG

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz)

§ 10 Alter

(1) (weggefallen)

(2) (weggefallen)

(3) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr, bei Studiengängen nach § 7 Absatz 1a das 35. Lebensjahr vollendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.

der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung an einer in § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a genannten Ausbildungsstätte, durch eine Nichtschülerprüfung oder durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule oder zu einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 erworben hat,

1a.

der Auszubildende ohne Hochschulzugangsberechtigung auf Grund seiner beruflichen Qualifikation an einer Hochschule oder an einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 eingeschrieben worden ist,

1b.

der Auszubildende eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 aufnimmt,

2.

(weggefallen)

3.

Auszubildende aus persönlichen oder familiären Gründen gehindert waren, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie bei Erreichen der Altersgrenzen bis zur Aufnahme der Ausbildung ein eigenes Kind unter 14 Jahren ohne Unterbrechung erziehen und während dieser Zeit bis zu höchstens 30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt erwerbstätig sind; Alleinerziehende dürfen auch mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig sein, um dadurch Unterstützung durch Leistungen der Grundsicherung zu vermeiden, oder

4.

der Auszubildende infolge einer einschneidenden Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse bedürftig geworden ist und noch keine Ausbildung, die nach diesem Gesetz gefördert werden kann, berufsqualifizierend abgeschlossen hat.

Satz 2 Nummer 1, 1b, 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen, dem Wegfall der Hinderungsgründe oder dem Eintritt einer Bedürftigkeit infolge einschneidender Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse aufnimmt.

Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 12 Absatz 1

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 3 Absatz 1

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.