Anspruch auf Entschädigung bei rechtswidriger Verpflichtung zur Leistung von Überstunden.
Anspruch auf Entschädigung bei rechtswidriger Verpflichtung zur Leistung von Überstunden.

Grundsätzliches

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten ist gesetzlich geregelt. Sie liegt derzeit bei 41 Stunden. Mehrarbeit liegt vor, wenn dienstlich eine höhere Wochenarbeitszeit angeordnet und abgeleistet wird. 

Ein Beamter kann selbstverständlich freiwillig Überstunden leisten, wenn das von seinem Vorgesetzten angeordnet wird. Es kommt aber auch vor, dass Beamte zu Mehrarbeit verpflichtet werden.

Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verpflichten Beamte, sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Dazu gehört auch die Pflicht, ohne Entschädigung Mehrarbeit zu leisten, wenn

  • zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern und
  • sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt

Die tägliche Arbeitszeit darf höchstens 13 Stunden betragen. Bei Bereitschaftsdienst kann die regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen angemessen verlängert werden. Hierbei darf innerhalb von zwölf Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden in der Woche nicht überschreiten. 

Erklärt sich der Beamte dazu schriftlich bereit, kann im Falle des Bereitschaftsdienstes die wöchentliche Arbeitszeit sogar 54 Stunden betragen. Der Beamte wird dann in einer Liste aufgenommen, in der alle Beamten eingetragen werden müssen, die zur Mehrarbeit in diesem Umfang bereit sind. Die Einverständniserklärung kann der Beamte innerhalb einer Frist von sechs Monaten widerrufen. Keinem Beamten dürfen Nachteile dadurch erwachsen, wenn er nicht zu einer solch langen wöchentlichen Arbeitszeit bereit ist.

Eine Vergütung erhält der Beamte für die Mehrarbeit grundsätzlich nicht. Es ist dem Dienstherrn sogar verboten, für die Mehrarbeit offene oder versteckte Leistungen zu gewähren. Für bis zu fünf Stunden im Monat muss der Beamte Mehrarbeit ohne jeden Ausgleich leisten. Leistet er auf dienstliche Anordnung mehr, ist ihm allerdings die gesamte Mehrarbeit mit Freizeit auszugleichen (Dienstbefreiung).

In welchen Fällen ausnahmsweise doch eine Mehrarbeitsvergütung geleistet werden muss, ist durch Verordnungen geregelt.  Zu zahlen ist die Vergütung etwa bei Bundesbeamten, wenn die Mehrarbeit

  • schriftlich oder elektronisch angeordnet oder genehmigt wurde,
  • aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann und
  • die regelmäßige Arbeitszeit um mehr als fünf Stunden im Kalendermonat übersteigt.

Was sind zwingende dienstliche Verhältnisse?

Es wird unterschieden, ob die dienstlichen Verhältnisse wirklich zwingend oder nur dringend sind. Es reicht für die Anordnung von Mehrarbeit ohne Zustimmung des Beamten die Dringlichkeit nicht aus. Zwingend sind die dienstlichen Verhältnisse nur, wenn sie nicht auf andere Weise bewältigt werden können, etwa durch die Einstellung von Personal, freiwillige Übernahme von Mehrarbeit  oder durch Umstrukturierung der Aufgabenbereiche. Beispiele für eine zwingende Situation sind

  • Übernahme neuer Aufgabenbereiche durch die Dienststelle bis zum Abschluss der Einarbeitung neuer Beschäftigter
  • Vorübergehender erheblicher Arbeitsanfall (z.B. Feiertagsverkehr bei Post und Bahn)
  • Einsatz von Polizeibeamten bei außergewöhnlichen Einsätzen (z.B. G7-Gipfel)
  • Katastropheneinsätze
  • Einsätze im Spannungs- und Verteidigungsfall 

Mehrarbeit und Europarecht

Das Europäische Recht unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst und Beamten. Für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind alle, die dienstlich gegen Entgelt für einen anderen beschäftigt sind, Arbeitnehmer. Das gilt auch für Beamte. Diese Sichtweise hat dazu geführt, dass immer mehr Schutzvorschriften des Arbeitsrechts auch auf Beamte gelten.

Zu entscheiden hatte der EuGH über Fälle deutscher Feuerwehrbeamten, die wegen langer Bereitschaftszeitung viele Jahre lang Wochenarbeitszeiten von durchschnittlich mehr als 60 Stunden hatten. 

Gemäß der Arbeitsschutzrichtlinie der Europäischen Union beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden. Zudem ist in dieser Richtlinie bestimmt, dass Arbeitszeit jede Zeitspanne ist, während der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH hat entschieden, dass dazu auch die Bereitschaftszeit zählt. Das ist die Zeit, in der der Beamte sich zwar in den Diensträumen aufzuhalten hat, aber keine konkrete Tätigkeit verrichtet, sondern sich nur für etwaige Einsätze bereit hält. 

Allerdings weist der EuGH auch darauf hin, dass die Richtlinie keine Regelungen über die Bezahlung von Mehrarbeit enthält, sondern nur über die höchstens zu leistende Arbeitszeit. Deshalb kann der Beamte aus der Richtlinie auch keinen Vergütungsanspruch für Mehrarbeit herleiten. Die in der Vergangenheit geleisteten Überstunden stellen aber eine Verletzung europäischen Rechts durch den Dienstherrn dar, weshalb der Beamte einen Entschädigungsanspruch hat, den sogenannten unionsrechtlichen Haftungsanspruchs. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Beamte die Verpflichtung zur Mehrarbeit zumindest gerügt hat. 

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsprechung des EuGH übernommen

Die Bereitschaftszeit wurde vor der Entscheidung des EuGH nach deutschem Recht nicht als Arbeitszeit angesehen. Das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat seine Rechtsprechung aber in der Zwischenzeit der Rechtsprechung des EuGH angeglichen.

Nach Auffassung des BVerwG sind als Entschädigung die über 48 Stunden in der Woche hinausgehende Arbeitsstunden erst ab Zugang der Rüge beim Dienstherrn abzugelten. Der Beamte muss also schriftlich seiner vorgesetzten Dienststelle mitteilen, dass er rechtswidrig zu Mehrarbeit verpflichtet wird. Abgeltung kann er erst für Zeiten verlangen, die er leisten musste, nachdem die Dienststelle diese Rüge erhalten hat. 

Wenn es möglich ist, soll die Abgeltung in Form von Freizeitausgleich (Dienstbefreiung) geschehen. Ist das nicht möglich oder ist dem Beamten nicht innerhalb eines Jahres die Abgeltung durch Dienstbefreiung gewährt worden, muss ihm eine Entschädigung gezahlt werden. Deren Höhe orientiert sich aber nicht an der Höhe der Besoldung des Beamten. Anders als Tarifbeschäftigte werden Beamte nämlich nicht für die Zurverfügungstellung Ihrer Arbeitskraft entlohnt. Sie sind vielmehr entsprechend ihres Statusamtes zu alimentieren. Entschädigt wird nach den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV). 

Aktuell gelten für Bundesbeamte folgende Stundensätze:

Besoldungsgruppe

A 2 bis A 4 12,54 Euro

A 5 bis A 8 14,81 Euro

A 9 bis A 12 20,34 Euro

A 13 bis A 16 28,00 Euro

Für Lehrerinnen und Lehrer in bundeseigenen Fachschulen gilt eine Sonderregelung. Pro Unterrichtstunde beträgt der Stundensatz im gehobenen Dienst 27,83 Euro und im höheren Dienst 32,51 Euro.

Die Ansprüche der Beamten auf Abgeltung verjähren allerdings nach drei Jahren. Zwar ist in der Richtlinie der Europäischen Union keine Verjährung geregelt. Das BVerwG hat allerdings klargestellt, dass der unionsrechtlichen Haftungsanspruchs kein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch ist. Deshalb gilt die regelmäßige Verjährung nach deutschem Recht und die beträgt drei Jahre.

Neuere Rechtsprechung zum Thema

Das BVerwG hat entschieden, dass Rufbereitschaft keine Arbeitszeit ist. Anders als beim Bereitschaftsdienst besteht hier nur die Verpflichtung des Beamten, in seiner Wohnung oder an einem von ihm anzuzeigenden und dienstlich genehmigten Ort seiner Wahl für einen Einsatz erreichbar zu sein. Nur wenn mehr als 10 Stunden Rufbereitschaft im Monat anfallen, wird für jede weitere Stunde Rufbereitschaft in diesem Monat 1/8 als Arbeitszeit gewertet.

BVerwG, Urteil vom 17. November 2016  - 2 C 23/15  -

Die Teilnahme an mehrtägigen Klassenfahrten begründet für einen beamtete Lehrer keinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung. Die Teilnahme ist keine Mehrarbeit, sondern gehört zum normalen Arbeitsumfang eines Lehrers.

BVerwG, Urteil vom 23. September 2004  - 2 C 61/03  -

Teilzeitbeschäftigte Lehrer dürfen allerdings in der Summe ihrer Tätigkeiten (Unterricht, Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Teilnahme an Schulkonferenzen, Elterngespräche, Vertretungsstunden etc., aber auch Funktionstätigkeiten) nur entsprechend ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden.

BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015  - 2 C 16/14  -

Wendet eine Kommune eine Vorschrift des Bundeslandes zur Regelung der Arbeitszeit von Beamten an, haftet sie für rechtswidrig ihren Beamten angeordnete Mehrarbeit, wenn die Vorschrift unionsrechtswidrig ist. Es spielt keine Rolle, dass sie die maßgebliche Vorschrift nicht selbst erlassen oder an ihr mitgewirkt hat.

BVerwG, Urteil vom 20. Juli 2017  - 2 C 31/16  -

Hier geht es zu den Pressemitteilungen/Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG):