Gesetzliche Renten können auf die Pension eines Beamten angerechnet werden
Gesetzliche Renten können auf die Pension eines Beamten angerechnet werden

 

Das Problem


Viele Beamtinnen und Beamte sind vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie haben oft über Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt und damit Ansprüche auf Rente erworben. Nach Versetzung in den Ruhestand gibt es dann eine negative Überraschung: die erworbenen Ansprüche auf Pension werden gekürzt mit dem Hinweis, die gesetzliche Rente werde zumindest zum Teil auf die Beamtenversorgung angerechnet. Auf den ersten Blick leuchtet das wenig ein. Beide Ansprüche auf Ruhestandsbezüge haben nichts miteinander zu tun. Während es sich bei der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung um einen Anspruch aus einer Versicherung handelt, für die Beiträge gezahlt wurden, ergibt sich der beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch aus dem Gesetz. Die Rechtslage ist allerdings ziemlich eindeutig. Es macht daher wenig Sinn, gegen Versorgungsbescheide wegen der Anrechnung als solcher vor zu gehen. 

 

Der rechtliche Hintergrund


Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ist der Dienstherr verpflichtet, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren (Alimentationsprinzip). Das ist ein verfassungsrechtlich durch Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz (GG) geschützt.

 

Die angemessene Alimentation ist unabhängig davon zu leisten, ob und inwieweit der Beamte in der Lage ist, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Es spielt zunächst einmal keine Rolle, ob er noch privatrechtliche Ansprüche auf regelmäßige Zahlungen hat oder Vermögen besitzt, von dem er und seine Familie auch angemessen leben könnten. Der Beamte ist bis zu seinem Tod ernannt. Die rechtliche Beziehung zu seinem Dienstherrn endet also nicht mit der Versetzung in den Ruhestand. Gemessen an seinem letzten Statusamt und der geleisteten Dienstzeit muss der Staat den Beamten weiter alimentieren. 

 

Die gesetzliche Rentenversicherung ist dagegen etwas völlig anderes. Rentnerinnen und Rentner haben Ansprüche erworben aufgrund eigener Beiträge. Die Höhe der Rente ergibt sich im Prinzip aus  der Höhe der geleisteten Beiträge. Ein Anspruch des Rentners gegen ehemalige Arbeitgeber besteht insoweit nicht. Etwas Vergleichbares wie einen Anspruch auf lebenslange Alimentation gibt es nicht. Weil der Rentner eigene Beiträge geleistet hat, ist die Anwartschaft auf die gesetzliche Rente nach den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen durch Artikel 14 GG (Eigentumsgarantie)  geschützt. Ein bereits bestehender Rentenanspruch kann also nicht einfach gestrichen werden, weil das eine Enteignung bedeutete.

 

Gesetzliche Regelung gegen „Überversorgung“

Weil der Beamte auch im Ruhestand grundsätzlich eine Alimentation ohne Rücksicht auf anderes Einkommen oder Vermögen erhält, kann er in Hinblick auf den Alimentationsgrundsatz überversorgt sein. Aus Sicht des Gesetzgebers ist das dann der Fall, wenn ein Beamter insgesamt mehr an Altersversorgung aus öffentlichen Kassen erhält, als ihm aufgrund seines Statusamtes zusteht. 

 

In § 55 Beamtenversorgungsgesetz des Bundes (BeamtVG) und in entsprechenden Vorschriften in den Landesbeamtenversorgungsgesetzen wird deshalb eine Art Gleichbehandlung zwischen den Pensionären mit zusätzlichen gesetzlichen Rentenanspruch und den „Nur-Beamten“ geregelt. Beamtinnen und Beamte, die neben der Versorgung auch noch eine gesetzliche Rente beziehen, sollen insgesamt an „öffentlichen“ Altersbezügen nicht mehr erhalten, als diejenigen, die von Anfang an Beamte gewesen sind.

 

Es wird also ausgerechnet, wie hoch der Pensionsanspruch des Beamten gewesen wäre, wenn er „Nur-Beamter“ wäre. Es wird ausgerechnet, welche Pension dem Beamten zugestanden hätte, wäre er auch schon zu der Zeit Beamter gewesen, in der er als Arbeitnehmer Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt hat. 

Ein Beispiel

Das nachfolgende Beispiel ist vereinfacht und soll die Berechnung der Höchstgrenze verdeutlichen:

Das Ruhegehalt (Pension) beträgt für jedes Jahr Dienstzeit 1,79375 % der Dienstbezüge, höchstens aber 71,75 %.  Berücksichtigt werden nur Dienstzeiten und Dienstbezüge, die ruhegehaltsfähig sind. Jahre, in denen nur eine Teilzeittätigkeit als Beamter ausgeübt wurde, gelten entsprechend anteilig als Dienstzeit. Es gelten die Dienstbezüge des zuletzt ausgeübten Amtes, wenn der Beamte das Amt mindestens zwei Jahre bekleidet hat. Andernfalls sind die Bezüge des davor ausgeübten Amtes maßgeblich.

In unserem Beispiel hat eine Beamtin 10 Jahre lang Beiträge zur Rentenversicherung geleistet und ist dann in das Beamtenverhältnis übernommen worden. Als Beamtin war sie noch 25 Jahre in Vollzeit beschäftigt. Sie hatte zuletzt ruhegehaltsfähige Bezüge in Höhe von € 3.000,00 im Monat. Der Ruhegehaltssatz beträgt in diesem Fall 


25 Jahre X 1,79375 %/Jahr = 44,84%

 

Ihr Ruhegehalt beträgt also 

 

€ 3.000,00 / Monat X 44,84% = € 1.345,20 / Monat

 

Für die Berechnung des Höchstsatzes werden die Jahre als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie ruhegehaltfähige Dienstzeiten behandelt. Berücksichtigt werden aber nur die Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres.

 

In unserem Fall wird also folgende Rechnung angestrengt:


35 Jahre X 1,79375 %/Jahr = 62,78%

 

Ihr Höchstsatz beträgt also

 

€ 3.000,00 / Monat X 62,78%= € 1.883,40 / Monat

 

Der Höchstsatz ist also € 537,56 höher als die Pension. Wenn unsere Beamtin also etwa monatlich € 800,00 an Rente und VBL-Leistungen bekommt, werden von der Pension € 262,44 abgezogen.

 

Welche Leistungen werden angerechnet?

Angerechnet werden folgende Leistungen:

 

  • Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte,
  • Renten aus einer zusätzlichen Alters- oder Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Hierbei handelt es sich insbesondere um Zahlungen der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).
  • Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei für den Ruhegehaltempfänger ein dem Unfallausgleich entsprechender Betrag unberücksichtigt bleibt
  • Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder aus einer befreienden Lebensversicherung, zu denen der Arbeitgeber auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe geleistet hat.

 

Gesetzliche Rente unbedingt beantragen

 

Auf die Versorgung der Ruhestandsbeamten werden also gesetzliche Renten einschließlich der Unfallrente und rentenähnliche Zahlungen des öffentlichen Dienstes angerechnet, soweit diese zusammen mit der Pension höher sind als die Versorgungsansprüche der „Nur-Beamten“. Das gilt im Übrigen unabhängig davon, ob der Anspruch auf gesetzliche Rente vor der Beamtenzeit oder parallel in einem Arbeitsverhältnis erworben worden ist.

 

Nicht angerechnet werden dagegen Renten aus privater Versicherung oder Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung außerhalb des öffentliche Dienstes.

 

Es nützt im Übrigen nichts, die gesetzliche Rente erst gar nicht zu beantragen oder ausdrücklich auf sie zu verzichten. Das Gesetz bestimmt nämlich, dass in einem solchen Fall trotzdem für die Berechnung der Höchstgrenze der Betrag zugrunde gelegt wird, der dem Beamten zugestanden hätte. Entsprechendes gilt auch, wenn man sich die Beiträge erstatten lässt oder wenn anstelle der Rente eine Abfindung oder ähnliches geleistet wird. 

 

Beamtinnen und Beamte sollten also deshalb nicht auf die gesetzliche Rente verzichten, sondern unbedingt einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung stellen, wenn sie einen Anspruch haben. 

 

Was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?

 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich bereits mehrfach mit der Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung befasst. 

 

Nach Auffassung des BVerfG garantiert Art. 33 Abs. 5 GG insbesondere nicht die unverminderte Höhe von Versorgungsbezügen. Der Gesetzgeber darf sie kürzen, wenn dies im Rahmen des von ihm zu beachtenden Alimentationsgrundsatzes aus sachlichen Gründen und nicht allein aus finanziellen Erwägungen gerechtfertigt erscheint. Der Dienstherr kann sich daher von der Alimentationspflicht teilweise entlasten, indem er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie dienen sollen. 

 

In einer Entscheidung von 1987 hat das BVerfG klargestellt, dass es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung um eine öffentliche Kasse handelt. Zwar würden bei der gesetzlichen Rentenversicherung genau wie bei einer privaten Versicherung Beiträge entrichtet, die der Finanzierung dienten. Anders als private Versicherungen diene die gesetzliche Rentenversicherung aber nicht nur der Sicherung der Versicherten vor einer individuell unkalkulierbaren Gefahrenlage. Sie beruhe vielmehr wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthalte von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge. Auch die Finanzierung unterscheide sich von derjenigen der privaten Versicherungen.  Finanziert werden die gesetzlichen Renten nämlich nicht durch angespartes Kapital, sondern durch ein Umlageverfahren, den so genannten Generationenvertrag. Zudem sei die Deutsche Rentenversicherung auch nicht privatrechtlich organisiert, sondern als öffentlich-rechtliche Körperschaft.

 

Für die Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge gibt es nach Auffassung des BVerfG neben finanziellen auch sachliche Gründe. Eine Überversorgung sei nämlich sozialpolitisch und beamtenpolitisch aus Sicht des Gesetzgebers nicht erwünscht. Zu einer Überversorgung des Beamten käme es immer dann, wenn aus öffentlichen Kassen insgesamt Ruhestandsbezüge gezahlt würden, die höher sind, als bei einem Beamten im gleichen Statusamt, der neben der Pension keine weiteren Bezüge aus öffentliche Kassen erhält.

 

Auch übriges Verfassungsrecht ist nicht verletzt

 

Das BVerfG hat auch geprüft, ob die Anrechnung gegen übriges Verfassungsrecht verstößt. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie sieht das Gericht nicht. Zwar sei die gesetzliche Rente durch Artikel 14 GG geschützt. Sie sei aber durch die Anrechnung aber gar nicht betroffen, sondern werde ungekürzt gezahlt. Die Beamtenpensionen seien durch Artikel 14 GG nicht geschützt, da es sich um öffentlich-rechtliche vermögensrechtliche Ansprüche auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis handele. Die Beamtenversorgung sei eine verfassungsrechtliche Sonderregelung, die ihre Grundlage in Artikel 33 Absatz 5 GG habe. Dieser Artikel sei also eine Spezialvorschrift („lex specialis“), die Art.14 GG vorgehe.

 

Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG liegt nach Auffassung des BVerfG nicht vor. In einer Entscheidung von 2009 hatte es über die Verfassungsbeschwerde eines Beamten zu entscheiden, der den Gleichheitssatz verletzt sah, weil er gegenüber den „Nur Beamten“ benachteiligt sei. Der Beamte habe bis zu seinem 30. Lebensjahr in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Erst dann sei er Polizeibeamter geworden und mit Erreichen der Altersgrenze im Amt A9 in den Ruhestand versetzt worden. Wäre er zu Beginn seines Berufslebens gleich Polizeibeamter geworden, hätte er vermutlich das Spitzenamt seiner Laufbahn erreicht. Die Anrechnung wäre also nur dann verfassungsgemäß, wenn bei der Berechnung der Höchstgrenze nicht das aktuelle Amt, sondern das Spitzenamt der Laufbahn zugrunde gelegt würde. 

 

Das BVerfG hat insoweit ausgeführt, eine etwaige Beförderung wäre gemäß Artikel 33 Absatz 2 GG nach den Grundsätzen Eignung, Befähigung und fachliche Leistung erfolgt und nicht automatisch. Es widerspreche dem Leistungsgrundsatz, wenn eine lediglich vermutete Eignung, Befähigung und fachliche Leistung über die Bemessung des fiktiven Ruhegehalts als Berechnungsfaktor der Höchstgrenze bestimme und die Alimentation ihren Charakter als Gegenleistung verliere. Der rentenbeziehende Versorgungsempfänger würde dann mit seiner Gesamtversorgung für etwas entgolten, was er gar nicht geleistet habe. Bei der Festlegung der Höchstgrenze dürfe der Gesetzgeber daher auf das zuletzt tatsächlich innegehabte Amt statt auf das jeweilige Spitzenamt der Laufbahn abstellen.

 

 

Hier geht es zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: