Bei der elektronischen Zustellung einer Klage gibt es einiges zu beachten. Copyright by Adobe Stock/auris
Bei der elektronischen Zustellung einer Klage gibt es einiges zu beachten. Copyright by Adobe Stock/auris

 Der Mann aus Koblenz nahm es mit der Arbeit nicht so ernst. Der Kläger war an einem Tag ohne Meldung der Arbeit ferngeblieben. Sein Arbeitgeber forderte ihn daraufhin auf, entweder die Arbeit aufzunehmen oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen. Er wies ihn darauf hin, dass er das Arbeitsverhältnis kündigen werde, wenn er dieser Aufforderung nicht nachkomme.
 

Der Mitarbeiter kam nicht zur Arbeit

Trotz der Aussage, er werde am Folgetag wieder zur Arbeit kommen, erschien der Mann nicht. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, seine Drohung wahr zu machen. Er kündigte dem Beschäftigten fristlos.
 
Gegen diese Kündigung erhob der Betroffene Klage. In der Kündigungsschutzklage gab er an, sein Arbeitgeber werde im arbeitsgerichtlichen Verfahren von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten. Diese Rechtsanwaltskanzlei verfügt über ein sogenanntes „besonderes elektronisches Anwaltspostfach“ (beA). Sämtliche Schriftsätze stellt das Arbeitsgericht der Anwaltskanzlei über dieses Postfach zu.
 

Das Gericht brauchte vier Tage

Das geschah vier Tage nach Eingang der Klageschrift beim Gericht. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Arbeitgeber die Rechtsanwaltskanzlei noch nicht bevollmächtigt. Das teilte die in der Klageschrift genannte Rechtsanwältin dem Gericht erst mehr als zwei Wochen nach der Klageerhebung mit, als das Gericht nach der Eingangsbestätigung der Klage fragte.
 
Die Anwältin sah sich außerstande, das vom Gericht geforderte elektronische Empfangsbekenntnis abzugeben.
 

Das Gericht schrieb den Arbeitgeber an

Das Gericht stellte die Klage dann zwei Tage später dem Arbeitgeber selbst zu. Später beauftragte dieser die ursprünglich vom Kläger in der Klageschrift schon genannte Rechtsanwaltskanzlei dann doch mit seiner Vertretung im Verfahren.
 
Zu diesem Zeitpunkt lag die Klageschrift selbst dem Gericht schon fast drei Wochen vor. Der Arbeitgeber meinte, die Zustellung der Klage habe zu lange gedauert. Deshalb sei die Klagefrist nicht eingehalten. Das spielte für das Arbeitsgericht Koblenz jedoch keine Rolle. Der Arbeitgeber verlor den Prozess vor dem Arbeitsgericht Koblenz.
 

Der Kläger nahm die Arbeit nicht auf

Der Kläger sollte seine Arbeit zunächst wieder aufnehmen. Auch das geschah nicht. Er tauchte nicht auf. Deshalb kündigte der Arbeitgeber noch einmal. Außerdem legte der Arbeitgeber gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung beim Landesarbeitsgericht ein.
 
Das Landesarbeitsgericht sah die Sache anders als die Vorinstanz. Die Klageerhebung sei zwar fristgemäß erfolgt, der Arbeitgeber habe jedoch einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gehabt, so das Gericht.
 

Die Klagefrist beträgt drei Wochen

Trotz der Verzögerung habe der Kläger die Klagefrist gewahrt. Das Gesetz sehe eine Klagefrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung vor. Werde die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gelte die Kündigung als von Anfang an wirksam. Die Klageerhebung erfolge durch Zustellung der Klageschrift. Zur Fristwahrung genügt der Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Zustellung an den Gegner "demnächst" erfolge.
 
Eine absolute zeitliche Grenze hierfür gebe es nicht. Das müsse das Gericht im Einzelfall prüfen. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürften dabei nicht zulasten des*der Betroffenen gehen.
 

Die vom Gericht verursachten Verzögerungen muss der Kläger nicht vertreten

Deshalb bleibe auch eine Verzögerung, die bei Gericht aufgrund der dortigen Sachbearbeitung erfolge, unberücksichtigt, selbst wenn diese länger dauere. Einer Partei seien nur solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihre Prozessbevollmächtigten bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können.
 
"Demnächst" bedeute, dass die Zustellung der nächste Schritt sein müsse, der auf die Einreichung der Klage folge. Daran fehle es in der Regel bei Mängeln der Klageschrift, wenn beispielsweise die falsche Anschrift des Gegners genannt werde.
 

Der Aufschub muss sich in einem hinnehmbaren Rahmen halten

Gehe es um Aufschübe, die ein*e Kläger*in zu vertreten habe, sei das Merkmal "demnächst" nur erfüllt, wenn sich diese Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen hielten. Das sei zumindest bei Verzögerungen, die einen Zeitraum von 14 Tagen nicht überschritten, der Fall.
 
Maßgeblich sei die Zeitspanne, um die sich die Zustellung der Klage gerade als Folge der Nachlässigkeit des*der Kläger*in verzögert habe.
 
Das Arbeitsgericht Koblenz habe die Klage zwei Tage nach deren Eingang an die vom Kläger genannten Prozessbevollmächtigten elektronisch übermittelt. Der Kläger habe allerdings Prozessbevollmächtigte genannt, die noch keine Vollmacht gehabt hätten. Der Arbeitgeber hatte die Anwältin in der vom Kläger genannten Kanzlei noch nicht mandatiert.
 

Das Gericht muss den genannten Bevollmächtigten die Klage zustellen

Enthalte eine Klageschrift wie hier Angaben über Prozessbevollmächtigte, so habe das Gericht danach zu handeln. Die Zustellung der Klage müsse an diese erfolgen. Dementsprechend trage der Kläger das Risiko, dass eine Prozessvollmacht nicht vorliegt und eine Zustellung der Klage an diese Bevollmächtigten deshalb unwirksam ist.
 
Die Zustellung einer Klage an einen Anwalt als elektronisches Dokument setze außerdem voraus, dass dieser das Dokument mit dem Willen entgegennehme, es als zugestellt gegen sich geltend zu lassen und er dies durch Übermittlung des vorgeschriebenen elektronischen Empfangsbekenntnis dem Gericht mitteile.
 

Die Anwältin hatte kein Empfangsbekenntnis abgegeben

Das habe die Anwältin hier abgelehnt. Zustellungsmängel könnten zwar auch geheilt werden. Das führe dazu, dass die Zustellung von Anfang an wirksam gewesen wäre. Dazu müsse aber die in der Klageschrift genannte Rechtsanwältin später Prozessvollmacht erhalten und die Zustellung der Klage ausdrücklich gegen sich gelten lassen.
 
Dies sei vorliegend nicht geschehen. Die Anwältin habe die Abgabe eines Empfangsbekenntnis abgelehnt.
 

Die Klagefrist war eingehalten

Dennoch sei die Zustellung der Klageschrift "demnächst" erfolgt. Die Klage sei 19 Tage nach deren Eingang bei der Beklagten selbst zugegangen. Dem Kläger könnten jedoch die Bearbeitungszeiten des Gerichts nicht zugerechnet werden. Es habe schon vier Tage lang gedauert, bis die Klageschrift über das elektronische anwaltliche Postfach versandt worden sei.
 
Das Arbeitsgericht habe darüber hinaus 13 Tage gebraucht, bis es in der Kanzlei wegen der Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnis nachgefragt habe.
 
Hätte das Gericht nur zwei Tage für den Zustellungsversuch über das elektronische Postfach benötigt und zeitnah hinsichtlich des fehlenden Rücklaufs des elektronischen Empfangsbekenntnis nachgefragt, hätte die Klage trotz der fehlerhaften Angabe durch den Kläger innerhalb von 14 Tagen zugestellt werden können. Deshalb sei die Zustellung der Klage an die Beklagte noch "demnächst" gewesen.
 

Die Kündigung hielt stand

Dennoch gab es keinen Anlass zur Freude beim Kläger. Das Landesarbeitsgericht sah die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses als gegeben an. Der Kläger habe unentschuldigt gefehlt und sei mehrfach ohne jeglichen erkennbaren Grund nicht zur Arbeit erschienen.
 
Er habe damit nicht nur eine bloße Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, sondern vielmehr die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung, von der er durch den Arbeitgeber nicht wirksam entbunden worden sei. Dies wirke sich unmittelbar als Störung des Arbeitsverhältnisses aus. Rechtfertigungsgründe habe der Kläger nicht genannt.
 
Eine Abmahnung habe es nicht bedurft. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten mit sofortiger Wirkung beendet worden.

Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§ 253 ZPO, § 189 ZPO

Zivilprozessordnung
§ 253 Klageschrift
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Zivilprozessordnung
§ 189 Heilung von Zustellungsmängeln
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.