Gutachter nach Wahl ist möglich. Copyright by uinmine/fotolia.
Gutachter nach Wahl ist möglich. Copyright by uinmine/fotolia.

Dazu sagt das Sozialgerichtsgesetz:

„Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen … muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden.“ 

Das bedeutet, dass Kläger*innen einen Arzt ihrer Wahl benennen können, wenn das Gutachten des Gerichts ihrer Ansicht nach nicht verwertbar ist. Das ist etwa der Fall, wenn der gerichtliche Gutachter den Gesundheitszustand objektiv falsch beschreibt oder das Gutachten nicht unvoreingenommen erstellt.

Ab und bis wann können Kläger*innen den Antrag stellen?

Im Widerspruchsverfahren ist die Anhörung eines Arztes nach Wahl nicht möglich. Aber sobald die Klage wirksam erhoben ist, können Kläger*innen beantragen, dass das Sozialgericht den gewünschten Arzt beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Aber im Verfahren erster und zweiter Instanz sind die Sozialgerichte verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Deshalb ist es ratsam, zunächst einmal abzuwarten, ob und ggfls. wie das Gericht dies tut. Ermittelt das Gericht gar nicht oder ist ein gerichtliches Gutachten nicht verwertbar, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Kläger*innen den Antrag stellen sollten. 

Der rechtlich späteste Zeitpunkt, den Antrag zu stellen, ist grundsätzlich der Schluss der mündlichen Verhandlung.

Aber das Gesetz macht eine deutliche Einschränkung:

„Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.“ 

Um hier allen Eventualitäten aus dem Wege zu gehen, empfiehlt es sich dringend, den Antrag spätesten vier Wochen nach der Mitteilung des Gerichts zu stellen, es beabsichtige nicht, weitere Ermittlungen anzustellen. Dasselbe gilt, wenn das Gericht ausdrücklich auf die Möglichkeit hinweist, den Antrag zu stellen.

In welcher Instanz ist der Antrag sinnvoll?

Es spricht in der Regel viel dafür, den Antrag erst in der zweiten Instanz zu stellen. Denn wenn dies bereits in der ersten Instanz geschieht, ist das Antragsrecht für das Berufungsverfahren verbraucht. Etwas anderes gilt nur, wenn für einen neuerlichen Antrag ganz besondere Gründe vorliegen. Etwa, weil der jetzt gewünschte Arzt über besondere Untersuchungsmethoden verfügt.

Was muss der Antrag enthalten?

Der Antrag muss

  • den Namen eines Arztes

sowie

  • ein Beweisthema

enthalten.

Name des Arztes 

Der Antrag muss auf die Anhörung eines bestimmten Arztes gerichtet sein. Dazu ist sein Name und seine Adresse anzugeben. Es ist aber auch möglich, eine Funktionsbestimmung - etwa „Leiter der Orthopädischen Klinik der Universität Tübingen“ - anzugeben. 

Ein Antrag auf Gutachten von Pflegekräften, Heilpraktikern oder Psychologen ist ausgeschlossen.

Ausgesprochen ratsam ist, mit dem ins Auge gefassten Arzt vorher abzuklären, ob er das Gutachten zeitnah erstellen kann und will. Sonst verzögert sich der Rechtsstreit unter Umständen, weil der Arzt dazu nicht bereit oder fähig ist.

Dringend abzuraten ist, den eigenen Hausarzt zu benennen. Denn die Sozialgerichte neigen zur Annahme eines Gefälligkeitsgutachtens und argumentieren überdies damit, dass das Gutachten eines Facharztes von vorne herein einen höheren Beweiswert habe.

Beweisthema

Im Antrag ist anzugeben, welche Tatsachen das Gutachten beweisen soll. Da sich das Beweisthema aber in der Regel durch Auslegung ermitteln lässt, stellen die Gerichte hier keine allzu strengen Anforderungen. Allerdings muss das Beweisthema für die Entscheidung des Gerichts von Bedeutung sein. Und es muss so beschaffen sein, dass ein Arzt in der Lage ist, eine Beurteilung abzugeben. Es kann also etwa keinen zulässigen Antrag auf eine (medizinische) Begutachtung der Frage geben, ob bestimmte Belastungen bei der Arbeit technisch korrekt ermittelt sind.

Welche Form erfordert der Antrag?

Kläger*innen können den Antrag schriftlich im Laufe des Verfahrens oder mündlich in der Gerichtsverhandlung stellen.

Wer trägt die Kosten für den/die Gutachter*in nach Wahl?

Zunächst einmal steht es im Ermessen des Gerichts, von den Kläger*innen einen Vorschuss auf die Gutachtenskosten zu verlangen, bevor es den gewünschten Arzt beauftragt.

Wer die Kosten letztlich zu tragen hat, kann das Gericht durch besonderen Beschluss entscheiden. Es muss aber nicht. Solange es einen solchen Beschluss nicht gibt, müssen die Kläger*innen das Gutachten bezahlen. Deshalb sollten sie unbedingt beim Gericht beantragen, dass die Staatskasse die Kosten übernimmt. Nach einem solchen Antrag muss das Gericht über die Kosten entscheiden. Dabei kommt es darauf an, ob das Gutachten die Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich gefördert hat.

Der Antrag der Kläger*innen ist nicht fristgebunden. Aber die prozessuale Erfahrung vieler Jahre zeigt, dass die Gerichte Ärger machen, wenn der Antrag auf Kostenübernahme durch die Staatskasse später als drei Monate nach Verkündung des Urteils bei Gericht eingeht.

Welchen Vorteil genießen Gewerkschaftsmitglieder?

Ihnen bleibt jedes finanzielle Risiko erspart. Die Gewerkschaft überprüft nach Rücksprache mit den Prozessvertreter*innen, ob ein weiteres Gutachten zu einem positiven Ergebnis des Prozesses für die Kläger*innen führen kann. Besteht eine solche Chance, übernimmt die Gewerkschaft für ihre Mitglieder nicht nur den Vorschuss, sondern sogar die gesamten Kosten des Gutachtens, wenn das Gericht beschließt, dass die Staatskasse nichts bezahlen muss. 

Rechtliche Grundlagen

§ 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG)


Sozialgerichtsgesetz (SGG)
§ 109
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.