Bundesfinanzhof: Vergütung für mehrjährige Überstundentätigkeiten rechtfertigt ermäßigte Besteuerung © Bundesfinanzhof: Guernica, Foto: Daniel Schvarcz
Bundesfinanzhof: Vergütung für mehrjährige Überstundentätigkeiten rechtfertigt ermäßigte Besteuerung © Bundesfinanzhof: Guernica, Foto: Daniel Schvarcz

Der Kläger hatte über drei Jahre in erheblichem Umfang Überstunden geleistet, die ihm im vierten Jahr in einer Summe bezahlt wurden. Das Finanzamt (FA) unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif.
Da der Kläger hiermit nicht einig ging, legte er Einspruch beim zuständigen FA ein dem nicht abgeholfen wurde und erhob sodann Klage beim Finanzgericht (FG) Münster.

Finanzgericht gibt der Klage statt

Mit Urteil vom 23. Mai 2019 folgte das FG der Rechtsauffassung des Klägers und entschied, dass die im Streitjahr ausgezahlten Vergütungen für 330 Überstunden nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) ermäßigt zu besteuern sind.

FA legt Revision ein

Das beklagte FA beharrte weiterhin darauf, dass eine Steuerermäßigung nicht möglich sei und legte Revision gegen die Entscheidung des FG beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

BFH: Auch für variable Lohnbestandteile gilt die Tarifermäßigung

In seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 stellte der BFH klar, dass für die Nachzahlung der über drei Jahre angesammelten Überstunden der ermäßigte Steuertarif gilt. Dies sei vom Gesetzgeber auch vorgesehen, um den Progressionseffekt der
Einkommenssteuer mit steigendem Einkommen bei einem „zusammengeballten Zufluss von Lohn“ abzumildern. Die von dem Kläger begehrte Tarifermäßigung sei nicht nur bei nachgezahlten Festlohnbestandteilen, sondern auch bei variablen Lohnbestandteilen anzuwenden.

Die Revision des FA gegen das Urteil des FG Münster vom 23. Mai 2019 wurde durch den BFH als unbegründet zurückgewiesen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des BFH vom 2.12.2021:

Rechtliche Grundlagen

§ 34 Absatz 2, Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG)

Einkommensteuergesetz (EStG)
§ 34 Außerordentliche Einkünfte
(1) 1Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. 2Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. 3Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer. 4Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1, wenn der Steuerpflichtige auf diese Einkünfte ganz oder teilweise § 6b oder § 6c anwendet.

F: (2) Als außerordentliche Einkünfte kommen nur in Betracht: F
1.
Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Absatz 1, der §§ 16 und 18 Absatz 3 mit Ausnahme des steuerpflichtigen Teils der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nummer 40 Buchstabe b in Verbindung mit § 3c Absatz 2 teilweise steuerbefreit sind;
2.
Entschädigungen im Sinne des § 24 Nummer 1;
3.
Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nummer 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden;
F: 4.
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten; mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. F

(3) 1Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 enthalten, so kann auf Antrag abweichend von Absatz 1 die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. 2Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 Prozent. 3Auf das um die in Satz 1 genannten Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) sind vorbehaltlich des Absatzes 1 die allgemeinen Tarifvorschriften anzuwenden. 4Die Ermäßigung nach den Sätzen 1 bis 3 kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen. 5Erzielt der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum mehr als einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn im Sinne des Satzes 1, kann er die Ermäßigung nach den Sätzen 1 bis 3 nur für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn beantragen. 6Absatz 1 Satz 4 ist entsprechend anzuwenden.