GdB ist die Abkürzung für den Grad der Behinderung. Er kann zwischen 20 und in Zehnerschritten bis 100 betragen. Es erfolgt ein Vergleich mit einem gesunden Menschen gleichen Alters. Wenn ein psychisches/seelisches oder körperliches Leiden länger als sechs Monate anhält, werden die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung bewertet. Ab einem Grad von 50 ist eine Schwerbehinderung anerkannt.
(Anmerkung: Im Text wird zur besseren Lesbarkeit statt "GdB von" auch der umgangssprachliche, juristisch nicht korrekte Begriff der Prozente verwendet.)
Wo und wie kann man den Antrag stellen?
Dies ist nach den Bundesländern unterschiedlich. In NRW sind es z.B. die Kreise oder kreisfreie Städte. Die Anträge können online gestellt werden.
Neumann trägt die Leiden ein, weswegen er meint, dass er behindert ist. Er hat „Rücken“ und „Knie“, ansonsten die normalen altersentsprechenden Zipperlein. Bei manchen Ärzten ist er nur zur Kontrolle. Bei unauffälligen Befunden muss er diese Ärzte auch nicht eintragen.
Da er nicht glaubt, eine Schwerbehinderung jetzt schon zu erreichen, kreuzt er die Merkzeichen nicht an, denn diese sind mindestens an einen GdB von 50 geknüpft.
Steuerfreibeträge bis 2020
Die Pauschbeträge sind Jahrzehnte nicht angepasst worden, daher finden sich auch noch 5er Schritte in den Tabellen des Einkommensteuergesetzes (§ 33b EStG).
Wer bisher einen GdB von 20 hatte, geht bei der Steuer leer aus. Ab 25 % gilt ein Steuerfreibetrag von 310 €, gestaffelt bis zu einem Betrag von 1.420 € bei einem GdB von 100.
Außerdem muss bei Behinderungen unter 50 % für einen Freibetrag festgestellt sein, dass eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vorliegt oder wegen der Behinderung eine Rente gezahlt wird.
Verdoppelte Steuerfreibeträge ab 2021
Beginnend ab einem GdB von 20 werden die Freibeträge zwischen 384 € bis zu 2.020 € betragen, also jeweils das Doppelte.
Weiter sollen die zusätzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung unter 50 % entfallen.
Wie wirkt sich der Steuerfreibetrag aus?
Neumann schaut auf seinen Steuerbescheid vom letzten Jahr. Auf der 2. Seite steht sein Steuersatz. Er beträgt rund 25 %. Ein Freibetrag von 310 € vermindert seine Steuerlast also um etwa 77 €.
Im nächsten Jahr wären das 154 €.
Vorteile einer anerkannten Schwerbehinderung
Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der in §§ 168-175 SGB IX geregelt ist. Sie sind aber nicht unkündbar, nur die Hürden für eine Kündigung sind höher. Es gibt eine Art notwendiges Vorverfahren. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung beim Integrationsamt beantragen und kann nur wirksam kündigen, wenn er diese auch erhält.
Bei den Integrationsämtern wird verhandelt, ob man z.B. mit Hilfen den Arbeitsplatz für den Behinderten erhalten kann. Bei Neumann wäre abzuklären, ob man die Krankheitszeiten etwa mit einer Hebehilfe zur Entlastung des Rückens und der Knie vermindern könnte.
Weiter sind Schwerbehinderte auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freizustellen (§ 207 SGB IX). Es besteht kein Verbot Mehrarbeit zu leisten. Die Regelung bezweckt, dass der Schwerbehinderte nicht gegen seinen Willen zusätzlich mit Mehrarbeit belastet werden soll.
Menschen die im ganzen Kalenderjahr als Schwerbehindert anerkannt sind, erhalten einen Zusatzurlaub von 5 Tagen (bei einer 5-Tage-Arbeitswoche, § 208 Absatz 1 SGB IX). Die zusätzlichen Urlaubstage sind dem gesetzlichen oder tariflichen Urlaub hinzuzurechnen.
Gleichstellungsantrag bei der Agentur für Arbeit
Neumann hat wegen seiner Knie recht viel gefehlt in letzter Zeit. Sein Arbeitgeber hat schon ein BEM-(Betriebliches-Eingliederungsmanagement) geführt. Da haben bei ihm die Alarmglocken geschrillt.
Bei einem GdB von 30 oder 40 kann er einen Antrag bei der Agentur für Arbeit mit dem Ziel stellen, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden. Die Aussichten dafür sind gut, wenn sein Arbeitsplatz aufgrund seiner Behinderung gefährdet ist. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber Arbeitsplätze abbaut, es muss ein Zusammenhang mit seiner gesundheitlichen Einschränkung bestehen.
Neumann wird die Gleichstellung gewährt. D.h., wenn sein Chef kündigen wollte, müsste er zuvor wie bei einem Schwerbehinderten die Zustimmung des Integrationsamtes erlangen.
Zusätzliche Urlaubsansprüche gibt es für die Gleichstellung nicht.
Gibt es eine Antragsfrist?
Es kann eng werden, wenn Neumann erst losrennt um den Antrag zu stellen, als er die Info vom Betriebsrat erhält, dass seine Kündigung geplant ist. Früher musste der Antrag nur vor Zugang der Kündigung gestellt sein, um das Verfahren für den Arbeitgeber „unsicher“ zu machen.
Nunmehr muss aber der Antrag auf Gleichstellung oder Schwerbehinderung mindestens 3 Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt sein. Auch muss er alles tun, damit die Behörden schnell entscheiden können.
Weitere Voraussetzung ist, dass sich Neumann innerhalb der 3-wöchigen Klagefrist gegen die Kündigung auf die Schwerbehinderung - oder hier auf die Gleichstellung - beruft und dies dem Arbeitgeber in der gleichen Frist zugeht.
Liegt eine Schwerbehinderung/Gleichstellung vor, wird die Kündigung vom Arbeitsgericht als unwirksam erklärt. Manche Arbeitgeber ziehen nach Kenntnis die Kündigung zurück und beschreiten dann den Weg über das Integrationsamt oder kündigen eine andere Person.
Früher in Rente
Schwerbehinderte können zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen als Gleichaltrige.
Die Regelaltersrente könnte Neumann mit 66 Jahren und 4 Monaten in Anspruch nehmen. Wird eine Schwerbehinderung anerkannt (Gleichstellung reicht nicht) kann er mit 64 Jahren und 4 Monaten abschlagsfreie in Rente gehen. Alternativ könnte er auch bis zu 3 Jahren früher in Rente gehen, hier mit 61 Jahren und 4 Monaten. Der Preis wäre dann ein Abschlag von 10,8 %.
Merkzeichen
Bei manchen Leiden kann darüber hinaus ein Merkzeichen beantragt werden. Bekannt ist das G (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), welches zu Steuererleichterung beim Kfz führt oder zur unentgeltlicher Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln gegen einen gewissen Eigenanteil. Es gibt aber noch einige andere Merzeichen z.B. für Menschen, die gehörlos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind.
Diese Merkzeichen werden dann im Ausweis aufgeführt.
Einen Antrag zu stellen, schadet nicht
Unabhängig von gesetzlichen Vorschriften räumen manche Unternehmen Rabatte ein, etwa beim Telefontarif oder beim Autokauf.
Von dem Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung erfährt der Arbeitgeber nur dann etwas, wenn Neumann ihm das Ergebnis mitteilt. Bei dem Antrag auf Gleichstellung ist der bei Antragstellung aktuelle Arbeitgeber betroffen und wird gehört.
Wichtig: Sofort nach einer Kündigung, müssen sich die Arbeitnehmer*innen nachweisbar auf die Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung oder auf den gestellten Antrag berufen.
Weitere Infos zum Thema:
Schwerbehindertenausweis beantragen: Soll ich oder soll ich besser nicht?
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Ratgeber für Menschen mit Behinderung: Was bringt mir welcher GdB?