Mit dieser Frage hat sich das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 4. April 2019 beschäftigt.
Schwerbehinderte Studentin beantragt Zuschuss zu Unterkunftskosten
Die Studentin ist wegen ihrer schweren Behinderung auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie lebt in einer Wohnung, die behindertengerecht ausgestattet ist. Ihre tatsächlichen Kosten für diese Unterkunft übersteigen denjenigen Anteil ihrer BAFöG-Leistungen, der für die Kosten der Unterkunft gedacht ist. Deshalb beantragte die Studentin, den Differenzbetrag als Zuschuss bei ihrem Jobcenter.
Kein Erfolg bei Verwaltung und Instanzgerichten
Das Jobcenter lehnte den Antrag der Studentin ab. Zu demselben Ergebnis kamen Sozial- und Landessozialgericht. Die Klägerin sei als BAFög-Empfängerin von laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ausgeschlossen. In Betracht komme lediglich ein Anspruch auf ein Darlehen, sofern bei ihr ein besonderer Härtefall vorliege.
Eine Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch IX komme ebenfalls nicht in Frage. Die Übernahme laufender Kosten für die Unterkunft gehöre nicht zu den Leistungen der Eingliederungshilfe, die eine soziale Teilhabe sicherstellen sollen.
Klägerin legt Revision ein
Das Bundessozialgericht vertritt die Auffassung, dass eine Wohnung unter anderem auch der sozialen Teilhabe diene. Denn nur, wer eine Wohnung habe, könne eine gesellschaftliche Ausgrenzung wirksam verhindern. Deshalb komme die Übernahme von Kosten der Unterkunft grundsätzlich auch als Eingliederungshilfe in Betracht. Das gelte allerdings nur, soweit diese Kosten nicht durch andere Sozialleistungen wie etwa BAFöG zu decken seien.
Sonderfall der Klägerin
Bei der Klägerin, entstehen zusätzliche Kosten für eine behindertengerechte Wohnung. Eine Übernahme der Mehrkosten - so das Bundessozialgericht -komme zur Sicherstellung einer gleichberechtigten Teilhabe als Zuschuss auch dann in Betracht, wenn gleichzeitig ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAFöG bestehe. Voraussetzung sei allerdings, das die Mehrkosten angemessen seien.
Noch keine endgültige Entscheidung
Das Landessozialgericht hat den Anspruch der Klägerin aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Deshalb hat es sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob und in welcher Höhe Zusatzkosten wegen der Behinderung der Klägerin entstanden sind. So konnte das Bundessozialgericht noch kein abschließendes Urteil fällen. Aber sollten aufgrund der Behinderung angemessene Zusatzkosten entstanden sein, dürfte die Klägerin mit ihrer Klage letztlich doch Erfolg haben.
Darüber hinaus musste das Bundessozialgericht das Verfahren deshalb an das Landessozialgericht zurückverweisen, weil das Berufungsgericht die Bundesagentur für Arbeit nicht am Verfahren beteiligt hatte.
Hier finden Sie den Terminbericht:
Bundessozialgericht, Urteil vom 4. April 2019; B 8 SO 12/17
Rechtliche Grundlagen
§ 38a Sozialgesetzbuch IX Unterstützte Beschäftigung
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist, behinderten Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten behinderte Menschen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der behinderten Menschen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.