Der schwerbehinderte Kläger hatte sich um einen Platz bei der öffentlichen Arbeitgeberin für ein duales Studium zum Verwaltungsinformatiker beworben. Die Voraussetzung hierfür war eine "mindestens vollwertige Fachhochschulreife", die  der Kläger erfüllt hatte. Der Kläger nahm an einem schriftlichen Eignungstest, teil den er nicht bestand. Daraufhin erhielt er eine Absage von der Beklagten. 

LAG: Verstoß des Arbeitgebers gegen „Besondere Pflichten der Öffentlichen Arbeitgeber“

Im Erhalt der Absage sah der Kläger eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung und nahm die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung im Anspruch. Seine Klage war vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) erfolgreich. 

Aufgrund einer vermuteten Diskriminierung wegen einer Behinderung wurde dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern zugesprochen.

In den Entscheidungsgründen kommen die Richter*innen der 3. Kammer des LAG zu dem Ergebnis, dass die Beklagte gegen ihre Pflicht verstoßen habe, wonach schwerbehinderte Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind.

Beklagte hat Indiz für eine Diskriminierung nicht widerlegt.

Eine Einladung ist nur dann entbehrlich ist, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Dem schwerbehinderten Bewerber soll im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs bei einem öffentlichen Arbeitgeber Gelegenheit gegeben werden, etwaige Defizite im Rahmen eines solchen Gesprächs auszugleichen. Dieser Pflicht kam die Beklagte nicht nach.

Die unterlassene Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch stellt deshalb ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung dar. Dieses Indiz hat die Beklagte nicht widerlegt.

Die vorgeschriebene Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Vorstellungsgespräch kann auch nicht durch einen schriftlichen, für alle Bewerber verbindlichen Auswahltest ersetzt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Bestehen des Eingangstests ausweislich der Ausschreibung keine Stellenanforderung, sondern bereits Teil des Auswahlverfahrens war.

Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 9.9.2015: 


Lesen Sie zu diesem Thema auch:

Abschreckende Einladung zum Vorstellungsgespräch diskriminiert behinderten Bewerber


Im Praxistipp:
§ 82 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber 

Rechtliche Grundlagen

§ 82 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX)
- Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -
§ 82 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Integrationsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.