Ein „Betriebliche Eingliederungsmanagement“ (BEM) kann für alle Beteiligten sinnvoll und hilfreich sein.
Ein „Betriebliche Eingliederungsmanagement“ (BEM) kann für alle Beteiligten sinnvoll und hilfreich sein.

Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Betriebliches Eingliederungsmanagement.

Gilt das BEM nur für schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen ?

Nein. Gesetzliche Grundlage ist zwar § 84 SGB IX, also eine Regelung im Gesetzbuch für Schwerbehinderte. Trotzdem gilt die Vorschrift für alle Arbeitnehmer*innen, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank sind.

Dabei kommt es nicht auf das Kalenderjahr an, sondern auf die letzten zwölf Monate. Es muss keine lange, zusammenhängende Krankheitsdauer sein. Auch mehrere Kurzzeit-Erkrankungen innerhalb der 12 Monate reichen aus, wenn insgesamt sechs Wochen überschritten werden.

Was ist Sinn und Zweck des BEM ?

Ziel des Verfahrens ist, den betroffenen Beschäftigten den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen bzw. weiteren Erkrankungen vorzubeugen.

Die betroffenen Arbeitnehmer*innen sollen möglichst arbeitsfähig bleiben und ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, insbesondere soll eine Kündigung vermieden werden.

Dazu ist festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlicher Einschränkungen und gegebenenfalls welcher betrieblichen Gegebenheiten es zu den Fehlzeiten in der Vergangenheit gekommen ist und wie diese künftig verhindert werden können.

Können betroffene Beschäftigte das BEM ablehnen ?

Ja. Das BEM ist für die Beschäftigten freiwillig.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine/n Arbeitnehmer*in, der/die länger als sechs Wochen in den letzten 12 Monaten arbeitsunfähig war, zu einem BEM - Gespräch einzuladen.

Der/die Betroffene muss diesem Verfahren aber zustimmen. Gegen den Willen der Betroffenen könnte ein solches Verfahren auch ohnehin nicht sinnvoll durchgeführt werden.

Gibt es klare Regeln, nach denen ein BEM ablaufen muss ?

Ja und nein:

einerseits nein - das Gesetz (SGB IX) sieht kein bestimmtes Ablaufschema vor.

Andererseits ja -

  • das Gesetz sieht vor, dass die zuständige Interessenvertretung (Betriebsrat / Personalrat) bei der Durchführung des BEM zu beteiligen ist.
  • Bei schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen ist zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt zu beteiligen.
  • Wenn erforderlich, soll auch die/der Betriebsarzt/ärztin beteiligt werden.
  • Die Rechtsprechung hat Mindeststandards entwickelt: gemeinsam muss eine Klärung ernsthaft versucht werden, sämtliche eingebrachten Vorschläge sind sachlich zu erörtern und keine Änderungs- oder Anpassungsmöglichkeiten dürfen grundsätzlich ausgeschlossen werden.


Darf der Arbeitgeber Erkenntnisse aus dem BEM anderweitig verwenden ?

Nein, das darf er nicht - wobei die Reichweite dieses Verbotes bisher in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ungeklärt ist.

Im Rahmen des BEM dürfen nur solche Daten erhoben werden, die den Zweck haben, Arbeitsplatzgefährdungen zu erkennen, abzustellen und Maßnahmen zum Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses zu ergreifen.

Dies gilt auch für das Verwenden der Daten und Informationen. Keinesfalls dürfen die Erkenntnisse für andere Zwecke verwendet werden, zum Beispiel um krankheitsbedingte Kündigungen oder andere Personalentscheidungen vorzubereiten.

Grundsätzlich sollten alle Beteiligten des BEM - Verfahrens in einer Datenschutzverpflichtung erklären, dass nicht unberechtigt auf personenbezogene BEM - Daten zugegriffen wird und die Datennutzung nur zu dem beabsichtigten Zweck des BEM erfolgt.

Die erhobenen Daten sollten in einer eigenen BEM - Akte aufbewahrt werden - räumlich getrennt von der Personalakte - und vor unbefugtem Zugriff geschützt werden.

Im Übrigen sind die betrieblichen Regelungen, die den Datenschutz im BEM - Verfahren konkretisieren mitbestimmungspflichtig!

Wichtig:

Betroffene Arbeitnehmer*innen sollten sich deshalb vor der Teilnahme an einem BEM - Verfahren beim Arbeitgeber und beim Betriebsrat genau nach den betrieblichen Regeln zum Ablauf des Verfahrens erkundigen.

Nur wenn das Verfahren transparent ist und die Einhaltung des Datenschutzes und der absoluten Vertraulichkeit der Daten gesichert ist, macht die Durchführung auch für die Beschäftigten Sinn.

Ist der Betriebsrat an jedem individuellen BEM zu beteiligen ?

Ja, hier hat der Betriebsrat eine wichtige Funktion:

Er muss darüber wachen, dass das BEM ordnungsgemäß abläuft und die Interessen der Beschäftigten gewahrt werden.

Die betroffenen Arbeitnehmer*innen können sich aber gegen eine Beteiligung des Betriebsrates entscheiden.

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, dass ihm alle Arbeitnehmer*innen namentlich benannt werden, die die gesetzlichen Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Diesem Anspruch stehen datenschutzrechtliche Erwägungen nach der Rechtsprechung nicht entgegen.

Hat der Betriebsrat ansonsten Mitbestimmungsrechte beim BEM ?

Ja, die hat er:

Die betriebliche Ausgestaltung des BEM berührt die Mitbestimmungsrechte. Der Betriebsrat muss deshalb umfassend eingebunden und beteiligt werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG).

In einem aktuellen Urteil vom 22.03.2016 hat das Bundesarbeitsgericht aber entschieden, dass das Mitbestimmungsrecht sich nicht auf die Umsetzung von Maßnahmen bezieht, die sich aus dem BEM ergeben, die Umsetzung bleibt Sache des Arbeitgebers. Die Rechte des Betriebsrates beschränken sich deshalb auf die betriebliche Regelung des Verfahrens.

Ist eine (krankheitsbedingte) Kündigung nur nach Durchführung eines BEM möglich ?

Nein, die Durchführung eines BEM ist keine Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.

Aber: Das Fehlen eines BEM hat Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzverfahren.

Ohne Durchführung eines (ordnungsgemäßen) BEM ist der Arbeitgeber dafür voll beweispflichtig, dass keinerlei Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, zum Beispiel durch Anpassung des Arbeitsplatzes oder Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz.

Lesen sie auch unserer weiteren Beiträge

Leidensgerechter Arbeitsplatz statt Kündigung
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Kranke Beschäftigte müssen nicht an einem Personalgespräch teilnehmen


Im Praxistipp: § 84 SGB IX "Prävention"

Rechtliche Grundlagen

§ 84 SGB IX

§ 84 Prävention
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.