

Mit Urteil vom 11.09.2017 hat das Sozialgericht (SG) Berlin entschieden, dass eine aus der Ukraine stammende hinterbliebene Ehefrau nach nur zwei Monaten Ehe Anspruch auf Witwenrente hat, obwohl am Hochzeitstag absehbar war, dass der krebskranke Ehemann sehr bald sterben würde.
Nach den Ermittlungen des SG war wesentlicher Grund für die späte Hochzeit, der Umstand, dass sich die Beschaffung von erforderlichen Papieren aus der Ukraine monatelang hingezogen hatte. Obwohl die Ehe von kurzer Dauer war, kamen die Richter*innen zu dem Ergebnis, dass nicht von einer Versorgungsehe auszugehen ist.
Witwenrente = Ersatz für Unterhaltsansprüche
Die gesetzliche Hinterbliebenenversorgung soll Unterhaltsansprüche gegen einen Ehepartner ersetzen, die durch dessen Tod weggefallen sind. Grundsätzliche Voraussetzung für eine Witwenrente/Witwerrente ist jedoch, dass die Ehe mit dem/der Versicherten mindestens ein Jahr gedauert hat.
Bei einer kürzeren Ehedauer wird vom Gesetz vermutet, dass die Ehe gezielt zum Zweck der Versorgung geschlossen wurde. Ein Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente ist dann ausgeschlossen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe kann jedoch widerlegt werden.
Im Jahre 2007 lernte die 1957 geborene Klägerin ihren späteren Ehemann kennen, der bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) versichert war. Anlässlich einer Krankenhausbehandlung im Dezember 2010 wurde bei ihm eine bereits fortgeschrittene Krebserkrankung festgestellt.
Im Februar 2011 beantragten beide die Eheschließung beim Standesamt, Ende März heirateten sie in Berlin. Bereits zwei Monate später, Anfang Juni 2011, starb der Versicherte.
Antrag auf Gewährung von Witwenrente von Rentenversicherungsträger abgelehnt.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die beklagte DRV ab. Sie vertrat die Auffassung, dass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt worden sei.
Mit der Vorbereitung der Eheschließung sei erst begonnen worden, als der lebensbedrohliche Zustand des Versicherten unübersehbar geworden sei. Unbeachtlich sei, dass die Klägerin den Versicherten bereits 2007 kennen gelernt habe.
Gesamtbetrachtung der Umstände entscheidend für Feststellung einer Versorgungsehe
Gegen die Entscheidung der DRV erhob die Klägerin im Januar 2016 Klage. In der vom SG Berlin anberaumten mündlichen Verhandlung hörte das Gericht vier Zeuginnen aus dem Umfeld der Eheleute an.
Im Ergebnis gab es der Klägerin Recht und verpflichtete die Beklagte zur Gewährung einer Witwenrente. Das Gericht führte zur Begründung aus, dass zur Prüfung, ob eine Versorgungsehe vorliege, eine Gesamtbetrachtung anzustellen sei.
Immer dann, wenn für eine Heirat andere Beweggründe als eine Versorgungsabsicht überwiegen würden oder zumindest gleichwertig seien, sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht gerechtfertigt.
Das Vorliegen anderer Beweggründe müsse der hinterbliebene Ehegatte beweisen. Eine gewichtige Bedeutung komme hierbei dem Krankheitsbild des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Je offensichtlicher die Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit gewesen sei, desto größer seien die Zweifel daran, dass die Ehe nicht mit dem Ziel der Versorgungsabsicherung geschlossen worden sei.
Nicht ausschlaggebend sei hingegen, wie lange eine Liebesbeziehung bereits bestanden habe. Im Gegenteil spreche eine lange Partnerschaft ohne Trauschein vielmehr dafür, dass eigentlich gar keine Eheschließung beabsichtigt war.
Beschaffung notwendiger Papieren aus der Ukraine erwies sich als langwierig und schwierig
Darüber, dass die lebensbedrohliche Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Hochzeit weit fortgeschritten sei, waren sich die Eheleute völlig im Klaren.
Die Ermittlungen des Gerichts hätten jedoch ergeben, dass konkrete und ernsthafte Heiratsabsichten schon mehrere Monate bestanden hätten, bevor beim Versicherten im Dezember 2010 die tödliche Krankheit festgestellt wurde. So hätten sich sowohl der Versicherte als auch die Klägerin bereits im Laufe des Jahres 2010 um die Beschaffung der erforderlichen Papiere bemüht.
Dies sei deshalb besonders schwierig gewesen, weil beide Eheleute zuvor schon einmal verheiratet gewesen seien. Monatelang habe die Klägerin auf Unterlagen aus der Ukraine warten müssen. Das zuständige Standesamt habe bestätigt, dass bei der Eheschließung mit einer ausländischen Staatsangehörigen zwischen einer ersten Auskunft über die erforderlichen Papiere bis zu deren Beschaffung im Allgemeinen mehrere Monate vergingen.