Bundessozialgericht zu verspätet abgelehntem Therapie-Antrag: Leistung durch Schweigen bewilligt.
Bundessozialgericht zu verspätet abgelehntem Therapie-Antrag: Leistung durch Schweigen bewilligt.

Wenig bekannt ist eine seit Ende 2013 in Kraft getretene gesetzliche Regelung, wonach Anträge an Krankenkassen dann als genehmigt gelten, wenn über diese nicht rechtzeitig entschieden wurde. Wenn kein Gutachten eingeholt werden muss, hat die Krankenkasse spätestens drei Wochen nach Eingang des Antrags zu entscheiden. Wird ein Gutachten in Auftrag gegeben ist binnen fünf Wochen zu entscheiden.

Nach Fristablauf greift Bewilligungsfunktion

In seiner Entscheidung vom 08. März 2016 stellte der 1. Senat des Bundessozialgerichts unmissverständlich klar, dass es für die Bewilligungsfiktion ausreicht, wenn die Kasse nicht binnen drei Wochen über den gestellten Antrag entscheidet, ohne dafür Gründe mitzuteilen.

In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall lehnte die beklagte Krankenkasse einen Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für 25 psychotherapeutische Sitzungen erst nach knapp sechs Wochen ab. Über die Einholung eines Gutachtens seitens der Krankenkasse wurde der Kläger nicht informiert.

Der Kläger zahlte die für die psychotherapeutische Behandlung notwendigen Kosten in Höhe von 2.200 Euro selbst und verlangte Kostenerstattung durch die Krankenkasse, was von dieser abgelehnt wurde. 

Aufgrund der Einschätzung seiner Therapeutin durfte der Kläger die Therapie für erforderlich halten

Hierauf erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht, welches ihm den begehrten Anspruch zuerkannte. Die von der Krankenkasse eingelegte Berufung gegen die für den Kläger günstige erstinstanzliche Entscheidung wies das Landessozialgericht zurück. 

Die beklagte Krankenkasse legte gegen die zweite negative Entscheidung Revision beim Bundessozialgericht ein.

Die Revision der Krankenkasse wies das Bundessozialgericht zurück und bejahte den Anspruch des Klägers auf Erstattung der von ihm verauslagten 2.200 Euro. Aufgrund der Einschätzung seiner Therapeutin durfte der Kläger die Therapie, die nicht außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, für erforderlich halten. 

Beklagte entschied über den Antrag auf Kostenübernahme nicht binnen drei Wochen. Schweigen der Krankenkasse = fingierte Genehmigung!

Da die Krankenkasse nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung entschied ohne hierfür Gründe mitzuteilen, konnte der Kläger von einer fingierten Genehmigung ausgehen und hat Anspruch auf die Erstattung der durch die notwendige Psychotherapie entstandenen Kosten.

Anmerkung: 

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts, die sich wohl noch nicht bei allen Krankenkassen herumgesprochen hat, ist sehr zu begrüßen. In der Vergangenheit wurden Anträge der Versicherten oftmals „auf die lange Bank geschoben“. 

Pauschale Verzögerungsbegründungen ziehen nicht mehr!

Häufige Begründungen für lange Bearbeitungszeiten waren und sind es bei manchen Krankenkassen auch heute noch: „Überlastung, Gutachten muss noch erstellt werden“ usw.

Sollte es ausnahmsweise mal zu der Verzögerung einer Entscheidung kommen, so sind dem Versicherten die Gründe mitzuteilen. Gründe die auf einer mangelhaften Organisation oder der in der Vergangenheit immer wieder ins Feld geführten Überlastung beruhen, sind unerheblich. Sie können nicht als Entschuldigung herhalten, die gesetzlichen Fristen nicht einzuhalten. 

Die Krankenkassen haben für eine gesetzeskonforme Organisation zu sorgen. Sind sie hierzu nicht imstande, darf es nicht verwundern, wenn die Versicherten sich bei nicht fristgemäßer Entscheidung über ihre Anträge auf § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch V berufen, wonach der Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen kann und die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet ist.


Es ist zu hoffen, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts von den Krankenkassen die ihr gebührende Beachtung findet und zukünftig „bewilligte Leistungen durch Schweigen“ die Ausnahme sein werden.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 08.03.2016:


Im Praxistipp: 
§ 13 Abs. 3a (Kostenerstattung) Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung