Die Ehe älterer Menschen muss nicht immer nur der Versorgung dienen. © Adobe Stock: Monkey Business
Die Ehe älterer Menschen muss nicht immer nur der Versorgung dienen. © Adobe Stock: Monkey Business

Nach gescheiterten Ehen finden auch ältere Menschen noch einmal ein spätes Glück. Bevor die Scheidung durch ist, können sie nicht wieder heiraten – selbst wenn sie sich das bereits zu einem frühen Zeitpunkt versprochen hatten. Plötzlich diagnostizierte schwere Krankheiten erschweren die Situation zusätzlich.

 

Die Klägerin und ihr Lebenspartner, der schwer an Krebs erkrankte, zweifelten nicht. Beide hatten eine Scheidung hinter sich und lebten schon länger gemeinsam in dem nach ihren Vorstellungen renovierten Einfamilienhaus in Ostfriesland. Sie hatten sich vorgenommen, ihre Hochzeit mit dem 50. Geburtstag der Frau bzw. dem 60. Geburtstag des Mannes zu feiern, die zeitlich eng beieinander lagen.

 

Den Entschluss zur Ehe fassten beide frühzeitig

 

Der Umbau des Hauses war im Mai 2014 abgeschlossen. Beide trugen die laufenden Kosten je zur Hälfte. Während eines nachfolgenden Urlaubes machten sie weitere Pläne für die Heirat und die dazugehörige Feier, die für das Jahr 2016 vorgesehen war. Obwohl der Mann die Diagnose eines unheilbaren Krebses erhielt, blieben die Heiratspläne unverändert weiter bestehen. Mitte 2015 war es dem Mann noch ziemlich gut gegangen, der Tumor hatte einen Stillstand erreicht. Beide beschlossen daher ohne Familie oder Freunde und auch ohne große Feier im Dezember 2015 zu heiraten.

 

Der Mann erkrankte anschließend noch einmal so schwer, dass er im August 2016 verstarb. Die Hinterbliebene beantragte Witwenrente. Die Rentenversicherung lehnte mit der Begründung ab, die Ehe habe weniger als ein Jahr lang bestanden. Es sei von einer sogenannten „Versorgungehe“ auszugehen. In diesem Fall bestehe ein Anspruch auf Witwenrente nur dann, wenn besondere Umstände dafür nachgewiesen seien, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht in der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung bestanden habe.

 

Die Ausweglosigkeit der Krankheit stand zum Zeitpunkt der Hochzeit fest

 

Die Ärzte hatten im Verfahren bescheinigt, dass die gesundheitliche Situation des Verstorbenen frühzeitig bekannt gewesen sei. Im Dezember 2015 habe man von einer palliativen Behandlungssituation ausgehen müssen, ein baldiger Tod des Mannes sei aber nicht abzusehen gewesen.

 

Die Prozessbevollmächtigten der Witwe aus dem Rechtschutzbüro Bremen wiesen im Gerichtsverfahren darauf hin, dass es der Klägerin und deren verstorbenen Ehemann möglich gewesen wäre, früher zu heiraten, hätten die finanziellen Interessen im Vordergrund gestanden. Schon 2011 habe es einen tiefen Bindungswillen und eine gemeinsame Planung der Zukunft und der Hochzeit gegeben.  

 

Die Klägerin konnte den notwendigen Beweis führen

 

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ging in seiner Entscheidung nicht von einer Versorgungsehe aus. Das Gesetz vermute bei diese zwar einer Ehedauer von weniger als einem Jahr. Diese Vermutung könne jedoch widerlegt werden. Dazu bedürfe es besondere Umstände des Einzelfalls, die gegen eine Versorgungsehe sprächen. Beweisen müsse das der*die Witwe*r. Gelinge das nicht, sei der Gegenbeweis nicht erbracht. Die Rentenversicherung müsse die Witwenrente dann nicht zahlen.

 

Das Gesetz fordere den vollen Beweis des Gegenteils einer Versorgungsehe. Das setze jedoch keine absolute Gewissheit voraus. Diese lasse sich so gut wie nie erzielen, insbesondere wenn die Motivation für ein Handeln ermittelt werden müsse.

 

Eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit reiche aus. Dabei müssten die zu beweisenden Tatsachen in so hohem Maße wahrscheinlich sein, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses die Richter überzeugen könnten.

 

Trotz schwerer Krankheit des Versicherten sah das LSG keine Versorgungsehe

 

Im Fall der Klägerin sah der Senat des Landessozialgerichts keinen Anlass zur Annahme, die Klägerin habe den Verstorbenen allein oder überwiegend geheiratet, um ihren Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die von der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten geschilderten Umstände des Einzelfalles ließen diesen Rückschluss nicht zu.

 

Einige wichtige Bedeutung komme dem Gesundheitszustand des Verstorbenen zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Vermutung einer Versorgungsehe in der Regel dann nicht widerlegt, wenn der Versicherte bei der Heirat offensichtlich schon an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Gleichzeitig könne auch bei einer schweren Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose und Kenntnis des Ehegatten nicht ausgeschlossen sein, dass bei der Eheschließung Versorgungsgründe nicht im Vordergrund stünden.

 

Heiratsentschluss muss trotz Krankheit konsequent verfolgt worden sein

 

Bei der Kenntnis von einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung müsse erwiesen sein, dass die Heirat die konsequente Verwirklichung eines Heiratsentschlusses darstelle.

Dieser müsse bereits vor dem Zeitpunkt entstanden sein, als die lebensbedrohliche Erkrankung bekannt wurde.      

 

Sei eine lebensbedrohlichen Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt, spreche das nicht zwingend ausschließlich dafür, dass die Ehe als Versorgungsehe gemeint war. Allerdings seien dann die Anforderungen an den Beweis des Gegenteils höher.

 

Dies bedeute, dass die Klägerin die konsequente Verwirklichung eines bereits zuvor gefassten Heiratsentschlusses beweisen müsse. Gelinge das nicht, liege die Annahme nahe, dass die Ehe angesichts des bevorstehenden Todes zur späteren Versorgung geschlossen worden sei.

 

Der Entschluss zu heiraten reichte bis ins Jahr 2011 zurück

 

Im Fall des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sei die medizinische Lage eindeutig gewesen. Die Klägerin habe ausführliche Angaben zu einer seit 2011 bestehenden Partnerschaft und einem langjährigen Zusammenleben gemacht. Das reichte jedoch noch nicht aus, denn die Annahme einer Versorgungsehe könne gerade dann naheliegen, wenn die Ehepartner trotz langjähriger Partnerschaft erst nach der Diagnose einer schweren Erkrankung heirateten.

 

Allerdings stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass schon lange vor Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung des Verstorbenen Heiratsabsichten zwischen ihm und der Klägerin bestanden hatten. Zeugen hätten frühe Heiratsabsichten im Gerichtstermin auch bestätigt. Die Klägerin habe sich im Krankenhaus den Ärzten als Ehefrau und nicht lediglich als Freundin des Versicherten vorstellen wollen.

 

Nach außen hin sei durchweg klar gewesen, dass beide nach ihrer Scheidung heiraten wollten. Lange zuvor habe man einen Zeitpunkt um ihre Runden Geburtstage avisiert. Der Umbau des Eigenheims sollte vor der Eheschließung fertig gestellt werden. Die Aussagen der Zeugen und der Klägerin hierzu hielt das Gericht für glaubwürdig.

 

Der Rahmen der Hochzeit spielt keine Rolle

 

Dass die Eheschließung letztlich möglicherweise in Anbetracht des gesundheitlichen Zustandes des Versicherten vorgezogen worden sei und in einem anderen Rahmen stattgefunden habe als ursprünglich geplant - nämlich ohne Familienangehörige und Freunde, statt mit einer anschließenden größeren Feier - stehe der Widerlegung einer Versorgungsehe nicht entgegen. Das Gesetz stelle auf das Motiv für die Heirat ab, nicht auf das Motiv für den konkreten Termin und die Ausgestaltung der Hochzeit sowie etwaiger Feierlichkeiten.

 

Fast sechs Jahre musste die Witwe auf die ihr zustehende Witwenrente warten. Nun hat das Warten ein Ende, sie wird Nachzahlungen der Rentenversicherung rückwirkend ab 2016 erhalten. Trösten wird sie das im Nachhinein sicher nur eingeschränkt.

Das sagen wir dazu:

Zur Frage, wann keine Versorgungsehe vorliegt und damit Ansprüche auf Witwen*er-Renten bestehen, gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. Allen Urteilen ist gleich, dass die jeweiligen Hinterbliebenen des*der Versicherten besondere Umstände für die kurz vor dem Tod eingegangene Ehe beweisen müssen, um die gewünschte Rente bekommen zu können.

Mehr zum Thema lesen Sie hier:

Versorgungsehe: Ja oder Nein?

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Für Beamt*innen gilt nichts anderes. Lesen Sie dazu:

Heirat erst zwei Monate vor dem Tod des Mannes, dennoch Anspruch auf Witwengeld

Langjährige Lebensgefährt*innen gehen demgegenüber leer aus:

Keine Witwenrente für langjährige Geliebte

Rechtliche Grundlagen

§ 46 Abs. 2a SGB VI

§ 46 Witwenrente und Witwerrente

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3. erwerbsgemindert sind.

Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.