In dem Fall ging es um eine Abfindung, die eine gekündigte Mitarbeiterin nicht als Einmalzahlung erhalten hatte, sondern monatlich. Zunächst zahlte der Ex-Arbeitgeber 1.569 €, später 3.132 €. Die Zahlungen waren als »Zeitrente« und als eine »Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes« benannt.

Konzernbetriebsvereinbarung regelt Überbrückungszeitraum

Grundlage für das gezahlte Überbrückungsgeld war eine Betriebsvereinbarung (Konzernbetriebsvereinbarung 4/2003, BV) über die vorzeitige Pensionierungen von Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben – das traf auf die gekündigte Arbeitnehmerin zu.


In der BV war unter anderem folgendes geregelt: »Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren Arbeitsplatz wegfällt, ohne dass die Möglichkeit einer Versetzung besteht, wird das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt. Der Mitarbeiter erhält eine Leistungszusage nach dieser Regelung.«


Zur Übergangszeit hieß es: »Übergangszeit ist die Zeit ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres. Für die Dauer der Übergangszeit wird der Mitarbeiter, der monatliche Übergangsbezüge erhält, wirtschaftlich so gestellt, dass er 60 % seines letzten monatlichen Brutto-Regeleinkommens erhält. […] Mitarbeiter können sich anstelle der monatlichen Übergangsbezüge für eine einmalige Abfindung entscheiden. Die auf die Übergangsbezüge bzw. Abfindung anfallenden Steuern bzw. Krankenkassenbeiträge trägt der Mitarbeiter.«

Krankenkasse fordert Beiträge für Überbrückungsgeld

Im Rechtsstreit ging es um die Frage, ob die Krankenkasse der Frau Beiträge für die gestaffelte Abfindungszahlung erheben durfte. 


Das Bundessozialgericht folgte der Auffassung der Vorinstanzen und verneinte die Zulässigkeit der Beitragserhebung. Die von der früheren Arbeitgeberin zugewandten Übergangsbezüge seien keine Versorgungsbezüge, auf die Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz zu erheben wären. 


Es handele sich bei den Übergangsbezügen nicht um eine Rente der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs 1 S. 1 Nr 5 SGB V. Die Auszahlung des Überbrückungsgeldes sei keine mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Einnahme. 

Bundessozialgericht und Bundesarbeitsgericht wenden die selben Grundsätze an

Der Senat betont in seiner Entscheidung, dass er sich »für das Beitragsrecht der GKV den vom BAG zur Abgrenzung so genannter Überbrückungsgelder von Renten der betrieblichen Altersversorgung entwickelten Grundsätzen« anschließt. 


Das heißt: Der eine Betriebsrente kennzeichnende Altersversorgungszweck ist nur bei einem Leistungsbeginn gewährleistet, der nach der Verkehrsanschauung als Beginn des Ruhestandes gilt. Die Vorstellungen der Arbeitsvertragsparteien über die Einordnung der Leistung und deren Beweggründe seien nicht maßgeblich.


In Anwendung dieser Grundsätze geht das Gericht davon aus, dass die in der Konzernbetriebsvereinbarung in Aussicht gestellten Übergangsbezüge keine Einnahmen zur Altersversorgung sind. Sie dienten einem Überbrückungszweck, der den Betroffenen den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder in den Ruhestand erleichtern solle. 


Dafür spreche der frühestmögliche Leistungsbeginn (Vollendung des 55. Lebensjahres) und die Befristung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres beziehungsweise bis zur Erlangung des Anspruchs auf Altersrente – diese Zeiten lägen eindeutig vor dem Zeitpunkt, in dem typischerweise mit einem Ausscheiden aus dem Berufs- oder Erwerbsleben gerechnet werden muss.

Folgen für die Praxis: Wie gelingt der Ausstieg aus dem Arbeitsleben?

Für viele Beschäftigte ist die Aussicht, nicht bis zur Regelaltersrente zu arbeiten sondern vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden zu können durchaus verlockend. Altersteilzeitmodelle bieten hierfür einen akzeptablen Rahmen. Zwar geht der Übergang regelmäßig mit zeitlich begrenzten finanziellen Einbußen einher, die aber durch geänderte Lebensumstände aufgefangen werden können.


Bei betriebsbedingten Kündigungen älterer Arbeitnehmer kann der Betriebsrat durch Betriebsvereinbarungen darauf hinwirken, dass der zu überbrückende Zeitraum durch Zahlungen des Arbeitgebers sozialverträglich gestaltet wird. In der Regel erhalten die ausgeschiedenen Beschäftigten zusätzlich auch Arbeitslosengeld. 


Auch die Klägerin im nun entschiedenen Fall kam so auf 60 % ihres letzten monatlichen Bruttoeinkommens. Während der Zahlung von Überbrückungsgeld war sie freiwillig krankenversichert ohne Anspruch auf Krankengeld. In diesem Fall ist ein ermäßigter Beitragssatz von derzeit 14,0 % vom Bruttogehalt durch die Krankenkasse zu erheben.

Sozialversicherungsrechtliche Belastungen verhindern!

Die beklagte Krankenkasse hingegen ging davon aus, dass es sich hierbei um Versorgungsbezüge im Sinne einer betrieblichen Altersversorgung handelte und erhob den vollen allgemeinen Beitragssatz in der gesetzl. KV (aktuell 14,6 %). Dies ist bei Betriebsrenten üblich.


Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung der Klägerin, da das Überbrückungsgeld keine Versorgungsbezüge darstellt. Zahlungen mit einem »Überbrückungszweck« fließen nur, um den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis bzw. in die Rente zu erleichtern. 


Mit Erreichen des Ruhestands enden die Leistungen. Eine Absicherung fürs Alter im Sinne von Versorgungsbezügen liegt hingegen nur dann vor, wenn die Leistung von Beginn des Ruhestands an gezahlt wird. Für den Fall, dass der Beschäftigte von der Arbeit lediglich freigestellt wird, ist dies anders zu beurteilen. Besteht das Beschäftigungsverhältnis fort und wird »Übergangsgeld« gezahlt, darf die Krankenkasse den vollen allgemeinen Beitragssatz erheben.


Werden Betriebsvereinbarungen zum Übergang in die Rente mit Überbrückungszahlungen vereinbart, ist also darauf zu achten, dass die sozialversicherungsrechtlichen Belastungen möglichst gering gehalten werden. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 16 vom 18. September 2015, www.ab-web)

  • Im Praxistipp: § 229 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen)

Rechtliche Grundlagen

§ 229 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen)

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

§ 229 Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen


(1) Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden,
1. Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen; außer Betracht bleiben
a) lediglich übergangsweise gewährte Bezüge,
b) unfallbedingte Leistungen und Leistungen der Beschädigtenversorgung,
c) bei einer Unfallversorgung ein Betrag von 20 vom Hundert des Zahlbetrags und
d) bei einer erhöhten Unfallversorgung der Unterschiedsbetrag zum Zahlbetrag der Normalversorgung, mindestens 20 vom Hundert des Zahlbetrags der erhöhten Unfallversorgung,
2. Bezüge aus der Versorgung der Abgeordneten, Parlamentarischen Staatssekretäre und Minister,
3. Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind,
4. Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte mit Ausnahme einer Übergangshilfe,
5. Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.
Satz 1 gilt auch, wenn Leistungen dieser Art aus dem Ausland oder von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung bezogen werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
(2) Für Nachzahlungen von Versorgungsbezügen gilt § 228 Abs. 2 entsprechend.