© Adobe Stock - Von sokko_natalia
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Der Kläger, Gewerkschaftsmitglied bei der IG BCE, leidet unter einer hochgradigen obstruktiven Schlafapnoe. Er muss im privaten und im beruflichen Bereich ein CPAP-Gerät nutzen. Im häuslichen Bereich war und ist der Kläger bereits zu Lasten seiner Krankenkasse mit einem solchen Gerät versorgt.

 

Kläger arbeitet als Lokführer im Güterverkehr

 

Als Lokführer im Dreischichtbetrieb fallen im Einsatzbereich des Klägers Übernachtungen an. Da er im Gü­terverkehr tätig ist, muss er zum Teil kilometerweit über und entlang der Bahngleise gehen. Deshalb ist es nicht möglich, das normale, also stationäre CPAP-Gerät In einem Rollkoffer mitzunehmen. Der Kläger nutzt stattdessen einen Rucksack, in dem er betriebliche Gegenstände wie Tablet, Taschenlampe, Warnweste, Ordner mit betrieblichen Weisungen und einen großen Schlüsselbund für verschiedene Loks transportiert. Der Rucksack wiegt etwa 25 kg. Er hat außerdem eine weitere Tasche dabei für die Dinge, der er für eine Übernachtung im Hotel braucht sowie seine Verpflegung.

 

Das CPAP-Gerät, das der Kläger zuhause benutzt, hat mit Tasche die Maße 35 cm x 30 cm x 14 cm. Dem Kläger ist es nicht möglich, diese Tasche zusätzlich zu tragen oder das Gerät in der Übernachtungstasche zu transportieren.

Zudem ist das stationäre Gerät empfindlich und kann nicht dauernd transportiert werden, da es sonst beschädigt wird; der Kläger hat bereits das dritte Gerät im Gebrauch.

 

Antrag auf Übernahme der Kosten für ein portables CPAP-Gerät

 

Im Herbst 2020 beantragte der Lokführer bei seiner Rentenversicherung, die Kosten für ein portables CPAP-Gerät zu übernehmen. Das wurde abgelehnt. Da sich Widerspruchs- und Klageverfahren hinzogen, erwarb der Kläger mit einem rückzahlbaren Vorschuss des Arbeitgebers im Februar 2022 das portable Gerät. Der Arbeitgeber hatte ihn aufgrund der Diagnose zunächst nur noch im Tagdienst eingeteilt, was dann aber nicht länger machbar war.

 

Auch nachdem der Kläger das portable Gerät angeschafft hat, nutzte er für Urlaube das stationäre Gerät, das er dann im Rollkoffer transportiert. Grund dafür ist, dass das mobile Gerät mit dem stationären Gerät nicht vergleichbar ist. Das Gerät für den Heimgebrauch ist größer und verfügt über einen Wasserbehälter. Dies sorgt für eine bessere - weil befeuchtete - Luftzufuhr. Das portable Gerät hat demgegenüber nur einen sehr kleinen Speicher und kommt nicht an die Leistung des stationären Gerätes heran. Er nimmt das portable Gerät auch deshalb nicht mit auf Reisen, weil er dies nicht über mehrere Tage einsetzen kann.

 

Versorgung ausschließlich zur aus beruflichen Gründen notwendig?

 

Die Rentenversicherung hatte die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt, da sie nur dann zur Leistung verpflichtet sei, wenn das portable CPAP-Gerät ausschließlich und unmittelbar aus beruflichen Gründen notwendig sei, also der Kläger ohne dieses Hilfsmittel seine Tätigkeit nicht länger ausüben könne.

 

Hierbei sei auf den konkreten Arbeitsplatz abzustellen. Hilfsmittel, die sich an einem medizinischen Zweck ausrichteten, unabhängig von dem Lebensbereich, in dem der Versicherte sie einsetze (privat, gesellschaftlich, beruflich) fielen stets in die Zu­ständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei dem beantragten tragbaren CPAP-Gerät liege kein ausschließlicher Gebrauch am Arbeitsplatz vor, da dieses Gerät auch im privaten Bereich eingesetzt werden könne.

 

Dass es nach dem Schwerbehindertenvertreter zwingend erforderlich sei, den Kläger mit dem portablen Gerät auszustatten, beeindruckte die Rentenversicherung nicht. Auch nicht, dass der Kläger teilweise Strecken zurücklegen muss, die in einiger Entfernung zum Bahnhof liegen und er an den Gleisen unbefestigte Wege nutzen sowie die Lokomotive über einen nicht einfach zu erklimmenden Einstieg besteigen muss. Auch das hatte die Schwerbehindertenvertretung bestätigt.

 

Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

 

Die persönliche Voraussetzung für Leistungen zur Teilhabe ist, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist. Bei erheblicher Gefährdung muss eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden können. Bei geminderter Erwerbsfähigkeit muss diese durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden können.

 

Diese Voraussetzungen sieht das Sozialgericht als erfüllt, weil der Kläger unter einer hochgradigen obstruktiven Schlafapnoe leidet und sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich auf die Versorgung mit einem CPAP-Gerät mit Zubehör angewiesen ist. Im beruflichen Bereich ergebe sich dies, weil seine Tätigkeit als Lokführer üblicherweise mit Übernachtungen verbunden ist.

Darüber konnte sich das Gericht Gewissheit verschaffen durch den Arbeitsvertrag des Klägers und einer Betriebsvereinbarung, die für das Arbeitsverhältnis gilt. Danach sind zehn Übernachtungen im Monat zulässig. Auch die Strecken, die der Kläger fahren musste, und seine Dienstpläne schaute sich das Gericht an.

 

Zweitgerät für die beruflich bedingten Übernachtungen erforderlich

 

Besteht im beruflichen Bereich die Notwendigkeit zu übernachten, besteht auch die Erforderlichkeit der Versorgung mit einem leichten, portablen CPAP-Gerät, so die klare Einschätzung des Gerichts.

Denn nach den überzeugenden schriftlichen und mündlichen Schilderungen des Klägers sei der erforderliche Transport des größeren, von der Krankenversicherung bewilligten CPAP-Gerätes wegen der Größe, des Gewichts und der Gefahr der Beschädigung dieses Geräts nicht möglich.

 

Dem Anspruch stehe auch nicht eine vorrangige Leistungspflicht der Krankenversicherung entgegen.

 

Dabei berücksichtigte das Sozialgericht eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Danach gehört es zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, weshalb die Krankenversicherung die für die Berufsausübung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen Ausgleich einer Behinderung zur Verfügung zu stellen hat.

 

Kläger braucht das portable CPAP-Gerät für seine spezielle Tätigkeit

 

Entscheidend sei dabei aber die Frage, ob der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form (irgend)einer Berufsausübung bestehe. Dabei sei es unerheblich, ob das Hilfsmittel berufs- oder arbeitsplatzbezogen ausgestattet ist bzw. ausschließlich am Arbeitsplatz benötigt wird. Sei

ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung nur für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw. nur für eine ganz spezielle Form einer Berufsausübung erforderlich und werde dieses Hilfsmittel bei anderen beruflichen Tätigkeiten nicht benötigt, bestehe der erforderliche enge berufsspezifische Zusammenhang. Dann bestehe keine Leistungspflicht der Krankenkasse, sondern der beruflichen Rehabilitation.

 

Gericht bejaht den erforderlichen berufsspezifischen Zusammenhang 

 

Für ihn sei das portable CPAP-Gerät allein erforderlich für die Tätigkeit als Lokführer, die mit Übernachtungen verbunden ist; er benötige das Zweitgerät nicht, um überhaupt irgendeinen Beruf ausüben zu können.

 

Die Aufgaben der Krankenversicherung seien am medizinischen Zweck der Leistungen ausgerichtet und danach begrenzt. Sei ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, komme es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt könne ein Hilfsmittelanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

Der Kläger benötige das portable Gerät zwar nicht unmittelbar bei der Ausübung der Lokführertätigkeit. Grenze man aber die beschriebenen Aufgaben der Krankenversicherung ab, liege nach Auffassung des Gerichts gleichwohl der erforderliche enge berufsspezifische Zusammenhang vor.