Wer krank in Rente geht sollte prüfen lassen, ob er noch einen Urlaubsanspruch hat, der noch auszuzahlen ist.
Wer krank in Rente geht sollte prüfen lassen, ob er noch einen Urlaubsanspruch hat, der noch auszuzahlen ist.


Oft ziehen sich Rentenverfahren lange hin, wenn entschieden werden muss, ob gesundheitliche Gründe vorliegen, die zu einer vollen Erwerbsminderungsrente berechtigen. Mit Widerspruch und Sozialgerichtsverfahren gehen gerne eineinhalb Jahre ins Land.
 

Von der Krankheit in die Erwerbsminderungsrente

 
Meist ist der/die Betroffene, wir nennen ihn /sie Neumann, bereits eine gewisse Zeit krankgeschrieben bis er/sie einen Rentenantrag stellt. Wovon also soll er/sie leben während der Laufzeit des Verfahrens?
 
Der Verlauf ist meist ähnlich: Eine langwierige Erkrankung tritt auf, in der Neumann zunächst Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber hat. Dann schließt sich ein Anspruch auf Krankengeld an.
 
Krankengeld wird längstens für 18 Monate für dieselbe oder hinzutretende Erkrankungen gewährt. Hierzu zählt auch der Zeitraum der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Meist wird eine Reha absolviert, für diesen Zeitraum gibt es Übergangsgeld von der Rentenversicherung.
 
Bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit verlängert sich durch das Übergangsgeld der Bezugszeitraum für das Krankengeld nicht.
 
Da Rentenanträge oft erst nach Monaten, in denen diverse Behandlungen, vielleicht Krankenhausaufenthalte und oder Reha-Maßnahmen stattgefunden haben, gestellt werden, reicht die Bezugsdauer des Krankengeldes oft nicht bis zur letztlichen Entscheidung im Rentenverfahren.
 

Arbeitslosengeld trotz bestehenden Arbeitsverhältnisses

 
Dann kommt es zu der eigentümlich anmutenden Situation, dass Neumann Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Und zwar auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht. Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass jemand, über dessen Rentenantrag noch nicht entschieden ist, nicht durchs soziale Netz fallen soll.
 
Arbeitgeber verhalten sich in dieser Lage oft passiv. Das Gesetz ermöglicht krankheitsbedingte Kündigungen. Aber diese Art der Kündigung ist für den Arbeitgeber sehr unsicher. Meist weiß er ja nicht genau, welche Erkrankungen der langen Fehlzeit zugrunde liegen.
 
Spricht er eine Kündigung aus, schließt sich oft ein Arbeitsgerichtsprozess an, in dem es dann häufig auf Abfindungszahlungen hinausläuft. Die Taktik des Arbeitgebers ist daher abwarten und hoffen, dass sich das Problem durch die Rentengewährung erledigt und er sich ohne weitere Kosten von seinem Arbeitnehmer trennen kann.
 

Rente durch, was jetzt?

 
In unserem Beispiel ist Neumann seit Mitte 2015 arbeitsunfähig und konnte 15 der 30 Tage Jahresurlaub 2015 nicht mehr nehmen. Der Rentenbescheid datiert von Januar 2017. Neumann erhält rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Januar 2016 und das - wie gesetzlich vorgesehen auf Zeit  - hier bis Ende 2018.
 
Ist das Arbeitsverhältnis damit automatisch zu Ende? Hier muss man schon genau hinschauen, ob der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag eine Regelung enthält, die etwas darüber aussagt, wann das Arbeitsverhältnis beendet ist.
 
Nur wenige Tarifverträge oder auch einzelne Arbeitsverträge sehen vor, dass Arbeitsverhältnisse bei Eintritt des Rentenfalls automatisch beendet sind. Wenn doch, lauern hier Fristen.
 
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden, dass eventuell bestehende Urlaubsabgeltungsansprüche verfallen, falls entsprechende Verfallfristen bestehen und nicht eingehalten worden sind. Die Aussage „Ich habe das nicht gewusst“ hemmt in der Regel keinen Anspruch vor dem Verfall.
 

Neurentner sollten sich über ihre Ansprüche beraten lassen

 
Eine Beratung kann sich - wie bei Neumann - lohnen. Bei Neumann bestand keine Regelung dazu, dass das Arbeitsverhältnis bei Renteneintritt automatisch beendet ist. Das bedeutet, das Arbeitsverhältnis besteht - wie eine Hülle fort. Leistungen hat Neumann aber nicht zu erwarten.
 
Soll Neumann selber sein Arbeitsverhältnis kündigen? Es kann für ihn vorteilhaft sein, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, um dadurch Urlaubsabgeltungsansprüche zu erlangen. Denn Urlaub darf nur „ausbezahlt“ werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Erst dann sind Urlaubsabgeltungsansprüche fällig.
 
Also muss Neumann überlegen, ob er am Arbeitsverhältnis festhalten will, etwa weil er an seine Genesung glaubt. Ist daran nicht zu denken, sollte er aktiv werden.
 

Nach Rechtsprechung verfällt Urlaub aus dem Vorvorjahr zum 31. März

 
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie daran anknüpfende auch des Bundesarbeitsgerichts hat den 31. März als Verfallsdatum festgelegt. Bei lang andauernder Erkrankung verfallen zu diesem Zeitpunkt die Ansprüche aus dem Vorvorjahr.
 
Für Neumann heißt das: Die 15 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2015 verfallen am 31. März 2017. Neumann erwägt also das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017 zu kündigen. Und genau hier lauern Fallstricke. So einen Fall hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Oktober 2014 entschieden.
 
Der Urlaubsanspruch des Vorvorjahres entfällt nämlich mit Ablauf des 31. März, 24. 00 Uhr. Kündigt Neumann das Arbeitsverhältnis zum 31. März, so entsteht der Abgeltungsanspruch auch erst um 0 Uhr, dies kann er aber nicht, da er bereits vorher verfallen ist.
 

Arbeitsverhältnis rechtzeitig kündigen

 
Wenn Neumann also die 15 Tage aus 2015 bezahlt haben möchte, sollte er so kündigen, dass das Arbeitsverhältnis vor dem 31. März 2017 endet. Auch bei langjährigem Arbeitsverhältnis verlängern sich gesetzlich nur die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber.
 
Da bei Neumann auch hinsichtlich der Kündigungsfrist keine Regelung getroffen wurde, kann er unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende kündigen.
 
Für Kündigungen gilt nach wie vor die Schriftform. Das heißt eine Kündigung per Mail reicht nicht aus. Die ist zwar schriftlich, aber unter Schriftform versteht man ein Original unterschriebenes Dokument. Da Urlaubsansprüche nur für volle Kalendermonate entstehen, kündigt er zum 28. Februar 2017
 

Welche Ansprüche hat Neumann, wenn das Arbeitsverhältnis am 28. Februar 2017 endet?

 
Also schreibt Neumann an den Arbeitgeber: „Ich kündige mein Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28.2.2017“, unterschreibt dies und lässt es seinem Arbeitgeber so zukommen, dass die Kündigungsfrist eingehalten ist.
 
Weil er einen tariflichen Anspruch auf insgesamt 30 Urlaubstage im Jahr hat, hat Neumann bei Kündigung zum 28. Februar folgende Ansprüche:
 

  • Resturlaub 2015 -> 15 Tage    
  • Urlaub 2016 -> 30 Tage    
  • Urlaub 2017 (anteilig 1/6) -> 05 Tage    
  • Gesamt -> 50 Tage    

 
Neumann hat auch immer ein zusätzliches Urlaubsgeld erhalten. Hat er das jeweils dann erhalten, wenn er auch tatsächlich Urlaub genommen hat, ist es akzessorisch zum Urlaubsanspruch, teilt also dessen Schicksal und steht ihm auch noch zu.
 

Fazit

 
Wenn er einfach gar nichts tut, verschenkt Neumann viel Geld. Falls nämlich das Arbeitsverhältnis doch aufgrund Regelungen des Tarif- oder Arbeitsvertrages beendet ist, greifen eventuell Verfallfristen ein. Werden diese nicht eingehalten, lassen sich Ansprüche später nicht mehr durchsetzen.
 
Kündigt er zum falschen Zeitpunkt also zum 31. März oder später, dann sind die Ansprüche für 2015 nicht mehr durchsetzbar. Neurentner sollten also dringend zeitnah abklären lassen, ob Ansprüche bestehen.
 
Um eine konkrete, fallbezogene Beratung zu gewährleisten, sollten Unterlagen wie Arbeitsvertrag, alte Abrechnungen mit Urlaubsgeld und zuletzt bezogenem Lohn zur Beratung mitgebracht werden.


Urteil des LAG Hamm


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Rechtliche Grundlagen

§ 7 BUrlG

Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.