Beschäftigte unterliegt aufgrund der Ausgestaltung der Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht

 

Mit Urteil vom 11.03.2016 kamen die Richter*innen der 34. Kammer des Sozialgerichts Dortmund zu dem Ergebnis, dass die Pädagogische Mitarbeiterin einer Frühförderstelle für behinderte Kinder keine selbständige Honorarkraft ist. Sie ist Beschäftigte und unterliegt als solche der Sozialversicherungspflicht.


Die Pädagogische Mitarbeiterin arbeitete als Sozial- und Heilpädagogin in einer Frühförderstelle im Rahmen eines Vertrages über freie Mitarbeit. Ihre Tätigkeit versah sie in Fördereinheiten für behinderte Kinder. Im Rahmen eines sogenannten Statusfeststellungsantrags entschied die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund, dass die Pädagogin abhängig beschäftigt sei und der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterliege.

 

Freie Mitarbeit sieht anders aus - Sozialgericht geht von abhängiger Beschäftigung aus!

 

Der Träger der Frühförderstelle erhob gegen die Entscheidung der DRV Klage, die nicht von Erfolg gekrönt war.


Als maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung wertete das Sozialgericht Dortmund, dass die Pädagogin ihre Tätigkeit nach Maßgabe der inhaltlichen Konzeption und organisatorischen Vorgaben der Einrichtung verrichtet habe.


Die Pädagogin sei den behinderten Kindern und ihren Eltern wie eine Bedienstete der Frühförderstelle gegenüber aufgetreten. Wesentliche Arbeitsmittel und Räumlichkeiten seien gestellt worden. Von einer überwiegend frei gestalteten Arbeitsleistung könne damit nicht die Rede sein. Im Übrigen sei die Pädagogische Mitarbeiterin eng in die Arbeitsorganisation der Frühförderstelle eingebunden gewesen.

 

Vertragsgestaltung ist nicht entscheidend, sondern die tatsächliche Tätigkeit

 

In seiner Entscheidung wies das Sozialgericht darauf hin, dass der Abschluss eines Vertrages über eine freie Mitarbeit es nicht rechtfertige, die Mitarbeiterin dem Schutz des Sozialversicherungsrechts zu entziehen. Denn es komme nicht auf die Vertragsgestaltung, sondern auf die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit an.

Anmerkung:


Scheinselbstständigkeit ist in Deutschland verboten. Scheinselbstständigkeit bezeichnet ein Arbeitsverhältnis, bei dem eine Person als selbständige Unternehmerin auftritt, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her Arbeitnehmerin ist. Immer wieder versuchen damit Arbeitgeber in Deutschland Abgabenzahlungen und Rechte von Beschäftigten zu umgehen, die durch das Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht vorgegeben sind.

Was passiert, wenn die Behörden feststellen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt?

 

Stellen die Behörden Scheinselbstständigkeit fest und erfolgt nachträglich die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft, dann muss der Auftraggeber rückwirkend alle Sozialversicherungsabgaben, das heißt Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, sowie die Lohnsteuern bezahlen.
Der ehemalige Scheinselbständige muss den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen. Die Verpflichtung zur Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge ist aber begrenzt, auf die letzten drei Monate der Beschäftigung. Es kann auch passieren, dass der ehemalige Scheinselbständige eine Geldbuße wegen Ordnungswidrigkeit bezahlen muss. Dem Auftraggeber droht eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro.

Pressemitteilung des Sozialgerichts Dortmund vom 2.5.2016 zum Urteil vom 11.03.2016 - S 34 R 2052/12:

Rechtliche Grundlagen

Was bin ich? Selbstständig oder abhängig Beschäftigter?

Das Statusfeststellungsverfahren dient der Feststellung, ob ein Auftragnehmer seine Tätigkeit für einen Auftraggeber im Einzelfall selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt.

Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse!

Nicht in jedem Fall ist ein Selbständiger auch tatsächlich selbständig. Handelt ein „Selbstständiger“ wie ein Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis, gilt er als scheinselbständig und ist tatsächlich abhängig beschäftigt. Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag existiert, aus der sich eine Selbständigkeit ergibt. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse!

Woran erkennt man eine Scheinselbständigkeit?

Je mehr der folgenden Merkmale auf die Tätigkeit eines „Selbstständigen“ zutreffen, je wahrscheinlicher ist es, dass eine Scheinselbständigkeit vorliegt:

- Es besteht eine uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten;
- Bestimmte Arbeitszeiten sind einhalten;
- Es besteht die Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen zu lassen;
- Die Arbeit wird in den Räumen des Auftraggebers oder an von ihm bestimmten Orten erbracht;
- Es besteht die Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind.

Eine tatsächliche Selbständigkeit ist nur dann gegeben, wenn das unternehmerische Risiko in vollem Umfang selbst getragen wird und die Arbeitszeit frei gestaltet werden kann.

Zweifel an der Scheinselbständigkeit?

Sollte der Auftraggeber oder Auftragnehmer zweifeln, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit handelt, kann bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund der sozialversicherungsrechtliche Status überprüft werden. Insbesondere bei Erwerbstätigen, die dauerhaft fast vollständig nur für einen Auftraggeber arbeiten, schützt eine Prüfung vor späteren Unstimmigkeiten.

Die Prüfung ist zu beantragen. Antragsvordrucke gibt es bei den örtlichen Beratungsstellen der DRV, den Versicherungsämtern oder den Versichertenberatern und Versichertenältesten in.

Wie geht es nach der Prüfung weiter?

Ergibt die Prüfung, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, beginnt die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich mit dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Die Versicherungspflicht kann aber auch erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung eintreten, wenn

- der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt
- dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zugestimmt wird

und für den Zeitraum zwischen Beschäftigungsbeginn und der Bekanntgabe der Entscheidung eine Absicherung gegen Krankheit und eine Altersvorsorge bestand. Vom Leistungsumfang her muss diese Vorsorge der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entsprechen.

Anträge zur Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens finden Sie hier

Da die Scheinselbständigkeit in immer größeren Umfang feststellbar ist, finden Sie hier Anträge der Deutschen Rentenversicherung zur Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens, von denen Sie dann Gebrauch machen können, wenn Sie sich vertraglich verpflichtet haben als Selbständiger für einen Auftraggeber zu arbeiten, tatsächlich aber die Merkmale erfüllen, wie diese vorstehend unter „Merkmale einer Scheinselbständigkeit“ abzulesen sind:

http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/04_formulare_und_antraege/01_versicherte/01_vor_der_rente/_DRV_Paket_Versicherung_Statusfeststellung.html