Scheinselbständigkeit: Bankinstitut muss Sozialversicherungsbeiträge für externe Reinigungskraft nachzahlen
Scheinselbständigkeit: Bankinstitut muss Sozialversicherungsbeiträge für externe Reinigungskraft nachzahlen

Klassisches Outsourcing ?

Das Kreditinstitut aus Baden-Württemberg wollte seine Reinigungsarbeiten „flexibilisieren“ und hat die Stellen angestellter Reinigungskräfte drastisch abgebaut. Stattdessen sollten die Arbeiten fremd vergeben werden.

Für zwei Filialen wurde in diesem Zusammenhang ein Reinigungsmitarbeiter beauftragt, der als eigenes Gewerbe „Treppenhausreinigung und Hausmeisterservice“ angemeldet hatte. Dieser sollte - als Selbständiger - täglich die beiden Filialen für einen Stundensatz von 13 € reinigen. Er hatte die Aufgabe persönlich auszuführen, beschäftigte auch keine eigenen Arbeitnehmer*innen und ist durch die Filialleitung kontrolliert worden.

Im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 rechnete er dafür gegenüber der Bank monatlich durchschnittlich 700 € netto ab.

Betriebsprüfung durch die Sozialversicherung

Diese Vertragsgestaltung und Abrechnungspraxis fiel der Deutschen Rentenversicherung bei einer Betriebsprüfung auf. Bei dem Auftragsverhältnis handelte es sich nach Einschätzung der Sozialversicherung um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, so dass das abgerechnete Entgelt sozialversicherungspflichtig war.

Die Rentenversicherung hat daraufhin von der Bank die gesamten Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Arbeitnehmeranteile von über 13.000 € nachgefordert.

Dagegen hat die Bank vor dem Sozialgericht geklagt und zunächst gewonnen. Das Landessozialgericht hat die Entscheidung jedoch aufgehoben und entschieden, dass die Nachforderung rechtmäßig ist.

Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit

Nach der Rechtsprechung sowohl der Arbeits- als auch der Sozialgerichte besteht ein Beschäftigungsverhältnis und keine selbständige Tätigkeit, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber „persönlich abhängig“ ist.

Das bedeutet, dass der Beschäftigte in den -fremden- Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt - nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung.

Demgegenüber zeichnet sich eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit und Arbeitszeit aus.

Bei der Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, welche Merkmale im konkreten Einzelfall überwiegen.
Wenn die ursprüngliche Vertragsgestaltung der Beschäftigung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, kommt es dabei auf die Handhabung in der Praxis an.

Selbständig nur auf dem Papier

Im hier entschiedenen Fall ist das Landessozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Reinigungsmitarbeiter abhängig beschäftigt gewesen ist. Er hatte genau die Tätigkeit praktisch unverändert fortgeführt, die zuvor eine fest angestellte Reinigungskraft ausgeübt hatte. Sowohl zeitlich als auch von den Aufgaben her wurde er im gleichen Umfang beschäftigt. Reinigungsmittel bzw. -geräte wurden ihm von der Bank gestellt oder zusätzlich erstattet.

Der „selbständige“ Mitarbeiter verfügte über keine eigene Arbeitsorganisation, sondern war planmäßig in den Betriebsablauf der Bank eingebunden. Zeitlich war er eingeschränkt durch die Öffnungszeiten der Filiale und im Hinblick auf die Art und Weise der Reinigung war er den Vorgaben der Bank praktisch unterworfen und damit weisungsabhängig. Ein eigener Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters bei der Erbringung dieser Leistung war nicht zu erkennen.

Auch ein nennenswertes Unternehmerrisiko hat der Mitarbeiter nicht getragen. Ein Selbständiger trägt in der Regel das Risiko, dass der Einsatz eigenen Kapitals oder der eigenen Arbeitskraft auch umsonst sein kann, dass der Erfolg des Einsatzes ungewiss ist. Ein solches Risiko bestand hier aber nicht: die Bank hat die Reinigungsgeräte und -mittel zur Verfügung gestellt, andere Betriebsmittel setzte der Mitarbeiter nicht ein.

In der Gesamtbetrachtung haben danach die Kriterien einer abhängigen Beschäftigung deutlich überwogen. Das Gericht hat demnach die Bank verurteilt, die geforderten Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.

Anmerkung der Redaktion:

Der Bereich der Scheinselbständigkeit ist ein rechtlicher Graubereich, so dass es hierzu auch überraschend wenige gerichtliche - insbesondere arbeitsgerichtliche - Entscheidungen gibt. Das liegt in der Natur der Sache, wenn, wie häufig, beide Vertragsparteien mit der Einordnung als „selbständige“ Tätigkeit einverstanden sind, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Hier hat zumindest das Sozialrecht aber die Sanktionsmöglichkeit der Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die für den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber insgesamt ca. 40 % der Vergütung ausmachen.

Hier geht`s zum vollständigen Urteil des Landessozialgericht Baden Württemberg vom 10.06.2016, Az.: L 4 R 903/15.

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