Dozenten selbständig oder abhängig beschäftigt?
Dozenten selbständig oder abhängig beschäftigt?


Geklagt hatte ein Ausbildungsträger, dem die Deutsche Rentenversicherung bescheinigt hatte, dass einer ihrer Dozenten als Arbeitnehmer zu behandeln ist. Der Dozent nahm als Beigeladener am Prozess teil.
 

Freiberuflicher Dozent beantragt Feststellung als abhängig Beschäftigter


Die Klägerin ist ein gemeinnütziger Aus- und Weiterbildungsdienstleister. Mit einem sogenannten "Trainerpool", der fast 400 Trainer umfasst, führt die Klägerin an ihren Standorten Lehrgänge durch.

Der beigeladene Dozent war von 2009 bis 2010 für die Klägerin im Rahmen eines Lehrgangs als freiberuflicher Dozent tätig. Im Jahr 2013 bezog er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) . Daraufhin führte er bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund ein Statusfeststellungsverfahren.

Er begehrte die Feststellung, dass er bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist. Die beklagte DRV Bund folgte diesem Antrag und stellte die abhängige Beschäftigung des Dozenten fest.
 

Sozialgericht bestätigt Rechtsauffassung der Klägerin


Entgegen der Auffassung des Beigeladenen und der DRV Bund kam das Sozialgericht (SG) Stuttgart zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Dozent im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit verrichtet hat.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Tätigkeit als Dozent sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden könne.

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, so die Richter*innen der 5. Kammer des Stuttgarter SG, unterscheide sich - ebenso wie ein Arbeitsverhältnis - von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befinde.

Nicht jede Anpassung an Betriebsabläufe stellt Eingliederung in Arbeitsorganisation dar


Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Beigeladene nicht in dem Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Die Beachtung von Lehrplänen der Klägerin begründe in fachlicher Hinsicht keine Weisungsabhängigkeit.

Dies gelte auf jeden Fall, solange auf der Grundlage dieser allgemeinen Regelungen die selbständige Unterrichtsgestaltung der Lehrkräfte erhalten bleibe. Auch folge eine organisatorische Eingliederung des Beigeladenen in den Schulbetrieb nicht daraus, dass die Schulorganisation in den Händen der Klägerin gelegen habe.

Nach den Feststellungen des SG Stuttgart stellt nicht jede Anpassung an die Betriebsabläufe des Auftraggebers eine Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation dar. Auch habe der Beigeladene keine Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, keine Pausenaufsicht zu machen und auch keine Vertretungen für verhinderte Kollegen wahrzunehmen gehabt.

Überdies habe die Klägerin ihn weder für andere Kurse einsetzen noch seine Teilnahme an Konferenzen, Sprechtagen und Veranstaltungen anordnen oder von ihm die Erfüllung sonstiger Nebenpflichten verlangen können.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Sozialgericht Stuttgart vom 16.8.2017:
 
Für Interessierte:

Hier geht zu einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12.02.2004, Az: B 12 KR 26/02 R zum Thema „Dozententätigkeit selbstständige oder abhängig beschäftigte Tätigkeit?

Das sagen wir dazu:

Selbstständig oder abhängig beschäftigt?

Für die Gruppe von Dozenten/Lehrern gilt grundsätzlich Folgendes:

Die Gesetzgebung anerkennt, dass der Beruf eines Dozenten/Lehrers sowohl in Form abhängiger Beschäftigung als auch in Form selbständiger Tätigkeit ausgeübt werden kann. § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI ordnet für selbständig tätige Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung an.
Als abhängig Beschäftigte sind Lehrkräfte anzusehen, die im Rahmen schulischer Lehrgänge an allgemeinbildenden Schulen tätig werden. Für Lehrkräfte, die für Volkshochschulen oder andere Bildungsträger einzelne, zeitlich und thematisch abgegrenzte Kurse erteilen, ist die rechtliche Einordnung nach den Besonderheiten des Einzelfalles vorzunehmen. Für eine Selbstständigkeit können folgende Merkmale sprechen:

  • Honorarverträge werden einzeln, semesterweise abgeschlossen,
  • Verträge werden für mehrere Fächer unabhängig voneinander abgeschlossen,
  • das Honorar wird pro nachgewiesener Unterrichtsstunde gezahlt,
  • bei Unterrichtsausfall kein Anspruch auf Entschädigung
  • bei Teilnahme an Konferenzen wird ggf. ein Zusatzhonorar gezahlt,
  • es besteht keine Verpflichtung, andere Kollegen zu vertreten,
  • es werden keine anderen Kenntnisse vermittelt, außer die das eigene Fach betreffenden,
  • ein Kurs findet nur bei hinreichender Teilnehmerzahl statt,
  • Vertretung wird im Dozententeam unter einander geregelt,
  • keine Pflicht zur Teilnahme an Fortbildungen.

Wenn der Dozent verpflichtet ist, mehrere Fächer zu unterrichten und angewiesen ist, einen vorgegebenen Stundenplan einzuhalten spricht dies gegen eine Selbstständigkeit. Auch spricht es für eine Abhängigkeit, wenn ein Dozent zur Vertretung ausfallender Kollegen verpflichtet werden kann.

Die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit von Dozenten/Lehren um selbstständige oder eine abhängige handelt lässt sich nicht durch pauschale Feststellungen klären. Jeder Fall ist ein Einzelfall und bedarf umfassender Feststellungen.

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI

§ 2 Sozialgesetzbuch VI - Selbständig Tätige

Versicherungspflichtig sind selbständig tätige

1. Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,

2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,

3. Hebammen und Entbindungspfleger,

4. Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen,

5. Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,

6. Hausgewerbetreibende,

7. Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen,

8. Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben; ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt,

9. Personen, die

a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und

b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1, 2, 7 und 9 gelten

1. auch Personen, die berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen beruflicher Bildung erwerben,

2. nicht Personen, die geringfügig beschäftigt sind,

3. für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.