Vertraglich zugesagte Altersversorgung muss im Vergleich zu kollektivem Versorgungssystem annähernd gleichwertig sein
Vertraglich zugesagte Altersversorgung muss im Vergleich zu kollektivem Versorgungssystem annähernd gleichwertig sein

Arbeitnehmer*innen, denen bereits einzelvertraglich eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde, dürfen nur dann unter bestimmten Voraussetzungen vollständig von einem auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden kollektiven Versorgungssystem des Arbeitgebers ausgenommen werden.

Die Betriebsparteien müssen im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen können, dass diese Arbeitnehmer*innen im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten.

Zu diesem Ergebnis kam der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 19.07.2016, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen möglich

Dem Kläger wurden 1987 einzelvertraglich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse zugesagt. 1988 trat bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung in Kraft. Ab einem bestimmten Stichtag wurden allen Arbeitnehmer*innen, so auch dem Kläger, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Direktzusage versprochen.

In den Folgejahren wurde die Betriebsvereinbarung wiederholt abgelöst, letztmalig im Jahr 2007. Diese zuletzt gültige Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Arbeitnehmer*innen, die eine einzelvertragliche Zusage erhalten haben, nicht in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallen.

Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, dass dem Kläger eine Altersrente nach der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 zustehe. Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Bundesarbeitsgericht: Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung steht nicht fest

Nach Auffassung der Richter*innen des Dritten Senats stehe noch nicht fest, ob die zuletzt gültige Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit einzelvertraglicher Zusage führt.

Eine Ungleichbehandlung könne sich daraus ergeben, dass Arbeitnehmer*innen, die eine einzelvertragliche Zusage erhalten haben, nicht in den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallen.

Das Landesarbeitsgericht habe daher zu klären, ob die von der Beklagten erteilten einzelvertraglichen Zusagen annähernd gleichwertig sind.

Anmerkung:

In der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2014 kamen die Berufungsrichter*innen zu dem Ergebnis, dass nach dem Günstigkeitsprinzip ein Anspruchsverzicht (hier: Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung) in einer Individualvereinbarung dann unwirksam ist, wenn diese nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers wirkt. Abzustellen sei dabei bezüglich des Vergleichs der individualrechtlichen mit der kollektivrechtlichen Regelung auf den Zeitpunkt, zu dem sich Betriebsvereinbarung und einzelvertragliche Abrede erstmals konkurrierend gegenüber stehen. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass die von der Betriebsvereinbarung abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist.

Offenkundig gingen die Richter*innen der Zweiten Instanz davon aus, dass die zuletzt gültige Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung des Klägers führt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ließ das Hessische Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Da für die Erfurter Richter*innen des Dritten Senats nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellbar war, ob die zuletzt gültige Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2007 zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit einzelvertraglicher Zusage führt, wurde die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Man darf auf den weiteren Verfahrensgang und dem endgültigen Ausgang des Verfahrens gespannt sein.

Zu hoffen ist, dass über die Sache des jetzt 64 Jahre alten Klägers alsbald eine rechtskräftige Entscheidung in dem von ihm erhofften Sinne ergeht und nicht ein erneuter Weg durch die Instanzen (Landesarbeitsgericht und ggfs. erneut Bundesarbeitsgericht) ihn erwartet.

 

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht vom 19.07.2016

Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgericht vom 22.10.2014 - Az: 6 Sa 106/14