Ehrenamtliche Tätigkeiten sind grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig.
Ehrenamtliche Tätigkeiten sind grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig.


Das Bundessozialgericht hatte eine Rechtsstreitigkeit zu entscheiden, bei der eine Kreishandwerkerschaft gegen die Deutsche Rentenversicherung geklagt hat.
 

Ehrenamtliche Leitung der Kreishandwerkerschaft

 
Eine Kreishandwerkerschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Handwerksinnungen eines Bezirks. Die Leitung der Kreishandwerkerschaft übernahm ein ehrenamtlich tätiger Handwerksmeister.
 
Dafür erhielt er eine pauschale Entschädigung, die nicht dem tatsächlichen Aufwand entsprach. Die Deutsche Rentenversicherung war der Meinung, es liege ein geringfügiges, versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
 
Deshalb verlangte sie von der Kreishandwerkerschaft Rentenversicherungsbeiträge. Dagegen klagte die Kreishandwerkerschaft. Hierbei war zu klären, ob die ehrenamtliche Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters der Sozialversicherung unterlag.
 

Rechtlicher Rahmen

 
Eine Sozialversicherungspflicht entsteht, wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis besteht. Abzugrenzen ist ein solches Beschäftigungsverhältnis von einer selbstständigen Tätigkeit mit frei gestalteter Arbeitszeit und Tätigkeit.
 
Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sind ein Weisungsrecht des Arbeitgebers, das sich auf die Zeit, die Dauer, den Ort und die Ausführung der Tätigkeit des Arbeitnehmers bezieht und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
 
Für den Ausgang des Prozesses kam es also darauf an, ob sich der ehrenamtlich tätige Kreishandwerksmeister in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befand.
 

Sozialgericht: Tätigkeit von weisungsfreien Aufgaben geprägt

 
Das Sozialgericht entschied zugunsten der Kreishandwerkerschaft und gab der Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts sind für ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis die tatsächlichen Verhältnisse der ehrenamtlichen Tätigkeit maßgebend.
 
Es sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dies erfordert eine Feststellung, welche konkreten Tätigkeiten für das Ehrenamt prägend sind. Hierzu ist erforderlich, die einzelnen Tätigkeitsfelder in quantitativer und qualitativer Weise zu vergleichen.
 
Das Sozialgericht stellte hierbei fest, dass das Aufgabengebiet des Kreishandwerksmeisters vorwiegend von weisungsfreien Repräsentationsaufgaben geprägt sei. Nach den geltenden Satzungsbestimmungen der Kreishandwerkerschaft führe er in geringem Umfang auch weisungsgebundene Verwaltungsaufgaben aus. Diese dienen der Überwachung und Einflussnahme auf die Geschäftsführung. Hierunter zählen beispielsweise die Einsichtnahme in die Post sowie die  Einladungen zu Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen.
 
Da den Verwaltungsaufgaben lediglich eine untergeordnete Rolle zukomme und die weisungsfreien Repräsentationsaufgaben das Ehrenamt prägen, liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Nach Auffassung des Gerichts waren daher für die Aufwandsentschädigung keine Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen.
 
Ob der ehrenamtlich Tätige nach den Satzungsbestimmungen rechtlich verpflichtet ist, weisungsgebundenen Aufgaben auszuführen, ist nach Auffassung des Sozialgerichts unerheblich.
 

Landessozialgericht: Grad der Verpflichtung ist entscheidend

 
Die Deutsche Rentenversicherung legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Das Landessozialgericht schloss sich der Auffassung der Deutschen Rentenversicherung an.
 
Nach Ansicht des Landessozialgerichts sind nicht die rein faktischen Verhältnisse der ehrenamtlichen Tätigkeit maßgebend. Eine Beurteilung anhand der tatsächlichen Umstände widerspräche dem Grundsatz, dass die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen vorhersehbar und beständig sein muss. Die tatsächlichen Verhältnisse der ehrenamtlichen Tätigkeit könnten sich jedoch jederzeit und wiederholt ändern.
 
Das Landessozialgericht war daher der Meinung, dass eine Sozialversicherungspflicht entsteht, wenn die Aufgaben, die der Ehrenamtliche ausübt, für diesen vertraglich bzw. rechtlich verpflichtend sind.
 
Der Kreishandwerksmeister ist nach der geltenden Satzung der Kreishandwerkerschaft zur Ausübung von weisungsabhängigen Verwaltungsaufgaben verpflichtet.
 
Deshalb ging das Landessozialgericht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Beitragsverpflichtung aus. Ob die Verwaltungstätigkeiten tatsächlich ausgeübt wurden, war nach dem Berufungsgericht unerheblich. Entscheidend sei die bestehende Kompetenz zur Übernahme dieser Tätigkeiten.
 

Bundessozialgericht: Kein erwerbsorientiertes Beschäftigungsverhältnis

 
Das Bundessozialgericht sprach sich in letzter Instanz für die Einschätzung des Sozialgerichts aus und hob auf die Revision der Kreishandwerkerschaft das Urteil des Landessozialgerichts auf. Eine Beitragsverpflichtung der Kreishandwerkerschaft bestand somit nicht.
 
Die ehrenamtliche Tätigkeit des Kreishandwerksmeisters erfüllt nicht die Kriterien eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Im abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gegen Entgelt zu Erwerbszwecken.
 
Hiervon sei bei der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht auszugehen. Diese werde unentgeltlich und nicht zu Erwerbszwecken oder in Erwartung einer finanziellen Gegenleistung ausgeübt. Ehrenamtliche Tätigkeiten seien von ideellen und gemeinnützigen Zwecken geprägt. Diesbezüglich unterschieden sie sich von erwerbsorientierten und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
 
Die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ändere hieran nichts, denn hierdurch werde lediglich die Bereitschaft gefördert, ein Ehrenamt auszuüben.
 
Nicht relevant sei ebenfalls, ob und in welchem Umfang der Ehrenamtliche weisungsgebundene Verwaltungsaufgaben erbringt, soweit diese unmittelbar mit dem Ehrenamt verbunden sind.
 
Das Bundessozialgericht hat hiermit abschließend entschieden, dass Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter grundsätzlich nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Links:
 
Hier geht's zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 16.08.2017 zum Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R

Rechtliche Grundlagen

§ 7 SGB IV (Beschäftigung)

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist.Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Inland werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.