Die Musikschullehrerin war an die Rahmenlehrpläne des Verbandes deutscher Musikschulen gebunden. © Adobe Stock: M-Production
Die Musikschullehrerin war an die Rahmenlehrpläne des Verbandes deutscher Musikschulen gebunden. © Adobe Stock: M-Production

Eine seit Jahren mit Honorarverträgen beschäftigte Musikschullehrerin unterrichtete bei ihrer Arbeitgeberin, einer Stadt in Baden-Württemberg, im Fach Klavier/Keyboard. Sie erhielt ein festgelegtes Honorar pro Unterrichtsstunde, musste die Räume und das Klavier der Musikschule nutzen und sich bei ihrem Unterricht an den Rahmenlehrplänen, die der Verband der Musikschulen vorgibt, orientieren. Auch in zeitlicher Hinsicht war die Frau an die Weisungen ihrer Arbeitgeberin gebunden. Mindestens einmal jährlich musste sie Schülervorspiele durch Proben vorbereiten und durchführen sowie zweimal jährlich an Konferenzen teilnehmen, die sie separat vergütet erhielt.

 

Der Rechtsstreit zog sich durch die Instanzen

 

Die Rentenversicherung stellte Sozialversicherungspflicht fest und forderte die Arbeitgeberin auf, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Die Stadt war nicht einverstanden und klagte beim Sozialgericht, verlor jedoch den Prozess. Das Verfahren ging zum Landessozialgericht, das die Rechtslage anders bewertete. Ein Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zur Stadt bestehe nicht und infolgedessen auch keine Versicherungspflicht, heißt es im Urteil. Die Revision zum Bundessozialgericht ließ das Landessozialgericht nicht zu.

 

Stadt und Rentenversicherung waren mit dem Urteil einverstanden. Die Musikschullehrerin, als Betroffene im Verfahren nur beigeladen, demgegenüber nicht. Doch auch Beigeladen dürfen Rechtsmittel einlegen. Thomas Kohlrausch vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht setzte sich für die Frau erfolgreich ein.

 

Dies geschah zunächst über eine Nichtzulassungsbeschwerde und danach in einem Revisionsverfahren.

         

Mit seinem Urteil vom 28. Juni 2022 bestätigte das Bundessozialgericht im Wesentlichen die Entscheidung des Sozialgerichts. Die Musikschullehrerin sei aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig in allen Versicherungszweigen.

 

Unternehmerische Möglichkeiten hatte die Lehrerin nicht

 

Ihre Tätigkeit sei nicht nur durch die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung in festgelegten Räumen gekennzeichnet, so das Bundessozialgericht. Die Beigeladene sei auch in prägender Weise in die Organisationsabläufe der Musikschule eingegliedert gewesen.

 

Eine Dienstleistung könne fremdbestimmt sein, wenn die Ordnung eines fremden Betriebes sie präge. Rahmenvorgaben oder reduzierte Weisungsrechte würden in solchen Fällen erst dann für eine Selbstständigkeit sprechen, wenn die Tätigkeit auch typische unternehmerische Freiheiten mit unternehmerischem Handeln und entsprechenden Risiken beinhalte.

 

Daran fehle es bei der Beigeladenen. Diese habe keinerlei unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten und könne im Rahmen des Vertragsverhältnisses weder eigene Schüler*innen akquirieren bzw. auf eigene Rechnung unterrichten.

 

Rechtstreite um eine Sozialversicherungspflicht sind nicht selten

 

Ein gar nicht so außergewöhnlicher Fall kam damit zu einem positiven Ende. Die Sozialversicherungspflicht gilt nun rückwirkend und bringt Sicherheit für die Zukunft.

 

Thomas Kohlrausch, Rechtsschutzsekretär vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht meint dazu:

 

„Unsere Mandantin war beigeladen und hat in dieser Rolle die Revision eingelegt, Klägerin in dem Verfahren war die Stadt, bei der sie beschäftigt ist. Die sind aber gar nicht zum Termin beim BSG erschienen. Es war also schon eine interessante Prozesskonstellation, zumal die Rentenversicherung als Beklagte weder vorgetragen noch Anträge gestellt hat.“

 

 Hier geht es zum Urteil des Bundessozialgerichts.