Fuß kaputt – wer zahlt die Fahrt zur Behandlung? © Adobe Stock: Andrey Popov
Fuß kaputt – wer zahlt die Fahrt zur Behandlung? © Adobe Stock: Andrey Popov

Der 55-jährige Kläger hatte sich eine schwere Fraktur des linken Fußes zugezogen. Weil es für ihn zu Hause Versorgungsprobleme gab, er sich an Unterarmgehstützen nur schlecht fortbewegen konnte und noch ein epileptischer Anfall hinzu kam, wurde der Kläger zunächst stationär im Krankenhaus behandelt. Nach seiner Entlassung stellte der behandelnde Arzt ihm einen Beförderungsschein für die weitere Behandlung im Krankenhaus aus.

 

Wer zahlt das Taxi?

 

Im Verfahren vor dem Sozialgericht Braunschweig stritt der Kläger anschließend um die Übernahme der Kosten einer Fahrt ins Krankenhaus mit dem Taxi. Die Krankenkasse wollte nicht zahlen. Es liege kein Ausnahmefall nach den Krankentransport-Richtlinien vor.

 

Vertreten durch Beate Bartels vom Rechtsschutzbüro Braunschweig wies der Kläger darauf hin, dass er öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen könne und eine andere Person für die Fahrt nicht zur Verfügung stehe. Sein Arzt habe ihm den Beförderungsschein ausgestellt, sodass die Kasse verpflichtet sei, die Kosten für den notwendigen Transport zu übernehmen. Dadurch wären der Krankenkasse Kosten für einen weiteren unvermeidlichen Krankenhausaufenthalt inklusive Notfalltransport erspart geblieben.

 

Das Sozialgericht verurteilt die Kasse

 

Vor dem Sozialgericht Braunschweig gewann der Kläger seinen Prozess. Das Gericht weist im Urteil darauf hin, dass die Krankenkasse die Kosten für Fahrten übernehmen müsse, wenn die Fahrt im Zusammenhang mit der Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig gewesen sei. Insbesondere müsse sie Fahrtkosten übernehmen, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werde.

 

Bei der Fahrt des Klägers zum Krankenhaus habe es sich um eine Fahrt zu einer ambulanten Behandlung gehandelt. Der Krankenkasse sei insofern zuzustimmen, dass hier eine Übernahme der Fahrtkosten nur in den besonderen Ausnahmefällen möglich sei, die der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien festgelegt habe. Dazu bedürfe es einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse.

 

Der Kläger verfügte nicht über die notwendige Genehmigung

 

Eine solche vorherige Genehmigung sei im Fall des Klägers nicht erfolgt. Der Kläger habe diese Genehmigung jedoch nicht rechtzeitig einholen können. Der Behandlungstermin sei bereits für einen Tag unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus vereinbart gewesen. Unter diesen Umständen benötige er eine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse zumindest dann nicht, wenn diese bei rechtzeitiger Antragstellung hätte erteilt werden müssen. So liege der Fall hier.

 

Nach der Krankentransport-Richtlinie müssten Krankenkassen Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen übernehmen, wenn Betroffene über einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" verfügten. Gleiches gelte bei der Anerkennung eines Pflegegrades von wenigstens 3, wenn eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität eine Beförderung notwendig mache.

 

Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger zwar nicht vor, dennoch müsse die Kasse die Fahrtkosten übernehmen.

 

Die schwere Gehbeeinträchtigung des Klägers gab den Ausschlag

 

Der Kläger habe eine Fußwurzelfraktur erlitten. Seinen Fuß habe er nicht belasten dürfen. Eine Mobilisation an Unterarmgehstützen sei mit maximal 15 kg Teilbelastung erfolgt. Der Kläger leide darüber hinaus an einer Epilepsie. Erst wenige Tage zuvor habe er einen Anfall erlitten, der notfallmäßig behandelt werden musste.

 

Aufgrund des ungünstigen Zusammenwirkens der fehlenden Belastbarkeit und der Epilepsie mit der Folge einer erhöhten Anfalls- und Sturzneigung sei der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt zumindest vorübergehend ähnlich schwer in seiner Mobilität eingeschränkt, wie es auch das Merkzeichen "aG" voraussetze.

 

Öffentliche Verkehrsmittel waren keine Alternative

 

Davon war das Gericht ebenso überzeugt wie von der zwingenden medizinischen Notwendigkeit der Beförderung mit einem Taxi. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel hielt das Sozialgericht im Fall des Klägers für unzumutbar. In Ermangelung einer privaten Mitfahrgelegenheit sei deshalb nur die Fahrt mit dem Taxi infrage gekommen.

 

Der Kläger habe zwar nur die Übernahme der Kosten für eine einzige Fahrt geltend gemacht, obwohl die Krankentransport-Richtlinie die Notwendigkeit einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum voraussetze. Das Gericht hatte jedoch keinen Zweifel daran, dass die Behandlung des Klägers mit der einmaligen Fahrt keineswegs vollständig abgeschlossen war. Die Art der Verletzung und die durchgeführte Diagnostik belegten einen länger dauernden Behandlungsbedarf. So dürfe es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn er tatsächlich nur einmalig die Fahrtkostenübernahme beantragte.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Braunschweig.

 

Das sagen wir dazu:

Beate Bartels lässt uns zu dem Urteil wissen, dass die Richterin des Verfahrens die Rechtslage ihr gegenüber in der 40-minütigen Verhandlung zunächst anders gesehen hatte, sogar auf eine Klagerücknahme drängte. Letztlich sorgten die ehrenamtlichen Richter für das positive Urteil.

 

Das Verfahren ist damit ein sehr gutes Beispiel dafür, dass ehrenamtliche Richter*innen sehr wohl bei der Entscheidungsfindung in einem gerichtlichen Verfahren Gewicht haben und einiges bewirken können.

 

Der Kläger führte noch ein weiteres Verfahren gegen die Krankenkasse.

Dort ging es um die Kostenerstattung für häusliche Krankenpflege. Auch hier hat der DGB Rechtsschutz trotz zunächst geäußerter schlechter Erfolgsaussichten obsiegt. Die Urteilsgründe stehen noch aus.

Rechtliche Grundlagen

§ 60 SGB V

(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 und nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse. Für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung gilt die Genehmigung nach Satz 4 als erteilt, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
1. ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“,
2. eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder
3. bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.

(2) Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages
1. bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus,
2. bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist,
3. bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport),
4. bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.
Soweit Fahrten nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden, zieht die Krankenkasse die Zuzahlung in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt von dem Versicherten ein.

(3) Als Fahrkosten werden anerkannt
1. bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen,
2. bei Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
3. bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
4. bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.

(4) Die Kosten des Rücktransports in das Inland werden nicht übernommen. § 18 bleibt unberührt.

(5) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden Reisekosten nach § 73 Absatz 1 und 3 des Neunten Buches übernommen. Zu den Reisekosten nach Satz 1 gehören bei pflegenden Angehörigen auch die Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Versorgung Pflegebedürftiger nach § 40 Absatz 3 Satz 2 und 3 entstehen. Die Reisekosten von Pflegebedürftigen, die gemäß § 40 Absatz 3 Satz 3 während einer stationären Rehabilitation ihres pflegenden Angehörigen eine Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches erhalten, hat die Pflegekasse des Pflegebedürftigen der Krankenkasse des pflegenden Angehörigen zu erstatten.