Bei Schulden nicht den Kopf in den Sand stecken! Copyright by Adobe Stock/fotomek
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  Neumann weiß eigentlich nicht wie es so weit hatte kommen können. Sein Arbeitgeber hatte die Beiträge an die Krankenkasse gezahlt. Er verdiente dann zu viel für die Pflichtversicherung und wurde zum Selbstzahler. Der Kasse fielen die ausbleibenden Beträge zunächst nicht auf, ihm irgendwie auch nicht und zack waren 20.000 € Schulden entstanden.
 
Die Kasse will das Geld zurück und macht Druck.
 

Sinn und Zweck von Säumniszuschlägen

Das Sozialsystem funktioniert nur, wenn die Beiträge, auf die es gerechnet ist, auch gezahlt werden. Für Pflichtversicherte werden die Arbeitnehmerbeiträge direkt vom Lohn einbehalten und mit den Arbeitgeberbeiträgen an die Kassen gezahlt. Die Krankenkassen sind Einzugsstelle für die gesamten Sozialversicherungsbeiträge. Wer für die Pflichtversicherung zu viel verdient und freiwillig gesetzlich versichert ist, Selbständige, Freiberufler, Studenten, die nicht mehr in der studentischen Krankenversicherung versichert sind, oder auch Rentner, die nicht entsprechende Vorsicherungszeiten haben, sind Selbstzahler.
 
Ein Säumniszuschlag verfolgt das Ziel, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten. Neben einer Straffunktion ist auch eine angemessene Verzinsung der Forderung gewollt. Des Weiteren soll der Zuschlag die Mehrkosten decken, die durch Mahn- und Überwachungsarbeiten entstehen.
 

Wucherzuschläge durch Gesetz gestoppt

Soweit die Krankenkasse die fälligen Beiträge nicht pünktlich erhält, muss sie einen Säumniszuschlag erheben. Bis August 2013 fiel bei Säumnis für jeden Monat der Verspätung ein Zuschlag von 5 % der Forderung an. Klingt erstmal nicht bedrohlich, das galt aber pro Monat, nicht pro Jahr. Wenn Neumann mit 20.000 € ein Jahr in Rückstand ist, sind das 12.000 € allein an Säumniszuschlägen.
 
Das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden hat diese Regelung zum Glück gekippt.
 

Beitragsrückstand vor Corona

Der Säumniszuschlag wird seitdem für jeden angefangenen Monat der Säumnis berechnet und beträgt 1 % des auf 50 € abgerundeten rückständigen Betrags pro Monat. Die Krankenkasse kann zudem  - wenn in der Satzung der Kasse vorgesehen  - eine Mahngebühr in Rechnung stellen.
 
Ob sie Säumniszuschläge erhebt oder nicht, liegt grundsätzlich nicht im Ermessen der Einzugsstelle, da die Säumniszuschläge aufgrund der gesetzlichen Regelung ohne Zutun der Beteiligten entstehen.
In unserem Beispiel macht das dann pro Jahr immer noch 2.400 € an Säumniszuschlägen (20.000 € x 1 % x 12 Monate). Mit kleinen Raten ist von den Schulden nicht runterzukommen.
 

Stundungsvereinbarung möglich

Neumann möchte die Erstattung regeln. Er bietet seiner Krankenkasse die Zahlung von Raten im Rahmen seiner Möglichkeiten an und schließt mit der Kasse eine Stundungsvereinbarung.
 
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen GKV hat 2010 zur Beitragserhebung eine einheitliche Regelung erlassen. Die Beitragsrückstände dürfen danach nur gestundet werden, wenn der Anspruch nicht gefährdet ist. Eine Stundung ist also letztlich dann zu bewilligen, wenn Neumann nur vorrübergehend einen wirtschaftlichen Engpass hat. Ein Ratenzahlungsplan ist aufzustellen und eine Verzinsung aufzunehmen.
 

Verzinsung beträgt 0,5 % pro Monat

Für jeden angefangenen Monat sind Zinsen zu verlangen. Der Zinssatz beträgt 0,5 % des gestundeten und auf volle 50 € nach unten abgerundeten Stundungsbetrages.
Nur bei Unbilligkeit, und durch die Zinsen schwerer Schädigung des Säumigen, kann eine Krankenkasse auf die Einziehung von Zinsen verzichten.
In unserem Beispiel - ohne zurückgezahlte Raten zu berücksichtigen - heißt das:  20.000 € x 0,5 % x 12 Monate = 1.200 € Zinsen, also halb so viel wie Säumniszuschläge, aber immerhin noch 6 % Jahreszins.
 

Stundungsvertrag enthält 0,5 % Zinsen ohne Hinweis auf welchen Zeitraum

Neumann hat das mit den 0,5 % Zinsen gelesen. Er hatte Bankzinsen im Kopf, die immer jährlich ausgewiesen wurden und staunt nicht schlecht, als die Kasse jetzt 0,5 % pro Monat haben will.
Auf seinen Protest verwies die Krankenkasse auf die o.g. Regelung. Ein Verzicht sei nicht möglich.
 
Neumann wandte sich an das Bundesamt für Soziale Sicherung. Dieses machte gegenüber der Krankenkasse einen Fehler in der Stundungsvereinbarung geltend. Denn es fehlte der Hinweis, dass die Zinsen für jeden angefangenen Monat der Stundung 0,5 % betragen. Daraufhin lenkte die Kasse ein und sagte zu, nur 0,5 % pro Jahr zu berechnen. Da es sich um Altschulden handelte, spart Neumann eine Menge Zinsen, denn die Rückzahlung in Raten dauert bei dieser Summe lange.
20.000 € x 0,5 % = 100 €. Das sind nur 100 € Zinsen im Jahr Zinsen statt 1.200 €. Da hat Neumann Glück gehabt.
 

Vereinfachte Stundung für Beitragsrückstände in Coronazeiten

Hier hat der GKV auf die Pandemie und die Krise reagiert. Am 19.5.2020 wurde eine vereinfachte Stundung für Beiträge aus März bis Mai 2020 für Arbeitgeber und auch für Selbstzahler zugelassen. Eine Stundung ist danach möglich, wenn die finanzielle Krise durch Corona entstanden ist und anderweitige Hilfsprogramme in Anspruch genommen wurden. Also müssen die Beitragsschuldner erst anderweitig versuchen, den durch Corona entstandenen finanziellen Engpass zu regeln. Misslingt dies oder besteht er trotzdem fort, ist die Stundung möglich.
 
Bei Stundung fallen keine Kosten an, keine Säumniszuschläge und auch keine Stundungszinsen.
 
Für Beiträge aus Juni bis September 2020 wird zwar wieder aufs Regelverfahren abgestellt, Stundungszinsen können aber entfallen, wenn Ratenzahlungen vereinbart und pünktlich geleistet werden. Wer dem nicht nachkommt, wird nicht begünstigt und hat regulär die 0,5 % Zinsen pro Monat zu zahlen.
 

Keine Leistungsverweigerung bei pünktlicher Ratenzahlung

Negative Folge der Beitragsschulden ist, dass die meisten Leistungen der Kasse ruhen. Das gesetzlich geregelte Ruhen der Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung soll einen Anreiz für säumige Versicherte schaffen, ihre Raten regelmäßig zu zahlen. Dabei ruht nicht die Mitgliedschaft als solche, sondern nur der volle Leistungsanspruch. Beim Ruhen übernimmt die Kasse nur Kosten für Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten. Für alles, was die Kasse als aufschiebbar ansieht, übernimmt sie keine Kosten.
 
Ratenzahlungsvereinbarung und pünktliche Zahlung der Raten beenden das Ruhen. Dann stehen wieder alle Kassenleistungen zur Verfügung.
 

Bei Schulden nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern aktiv werden

In allen Bereichen wird nur auf Antrag gestundet. Es gilt realistische Raten zu vereinbaren und diese dann auch einzuhalten. Sonst drohen neben der Anhäufung von Schulden auch Vollstreckungsmaßnahmen.

Rechtliche Grundlagen

Einheitliche Grundsätze zur Erhebung von Beiträgen, zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass sowie zum Vergleich von Beitragsansprüchen (Beitragserhebungsgrundsätze):
§ 3 Stundung
(1) Beitragsansprüche dürfen nur gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. (…)
(2) Eine erhebliche Härte im Sinne des Absatzes 1 ist anzunehmen, wenn der Anspruchsgegner sich aufgrund ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Falle der sofortigen Einziehung in diese geraten würde.
(3) Die Realisierung des Beitragsanspruchs ist gefährdet, wenn sich der Anspruchsgegner in nicht nur vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten befindet oder eine Überschuldung in absehbarer Zeit offensichtlich nicht abgebaut werden kann.
(4) Die Stundung soll gegen eine angemessene Verzinsung (§ 4) und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung (§ 5) gewährt werden. Eine Stundung ohne Teilzahlung ist in der Regel maximal für die Dauer eines Jahres zulässig.
(5) Die Stundung setzt einen Antrag des Anspruchsgegners voraus. Der Anspruchsgegner hat das Vorliegen der Voraussetzungen der Stundung im Rahmen seiner Möglichkeiten zu belegen und dadurch glaubhaft zu machen.
(…)
§ 4 Stundungszinsen
(1) Für jeden angefangenen Monat der Stundung sind Zinsen zu verlangen. Der Zinssatz beträgt regelmäßig 0,5 vom Hundert des gestundeten und auf volle 50 EUR nach unten abgerundeten Stundungsbetrages.
(2) (…)
(3) Die Erhebung von Zinsen kann unterbleiben, wenn
1. die Kosten der Feststellung und der Einziehung in keinem angemessenen Verhältnis zum Zinsbetrag stehen oder
2. die Einziehung nach Lage des Einzelfalles für den Anspruchsgegner unbillig wäre.
(4) Eine Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einziehung von Zinsen die Zahlungsschwierigkeiten des Anspruchsgegners verschärfen und dieser dadurch in seiner wirtschaftlichen Lage schwer geschädigt würde.