Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkasse für Oberarmstraffung? Copyright by Adobe Stock/ Alessandro Grandini
Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkasse für Oberarmstraffung? Copyright by Adobe Stock/ Alessandro Grandini

Eine gesetzlich krankenversicherte Frau nahm nach einer Schlauchmagenoperation bis zu 50 kg ab. Durch diese extreme Gewichtsabnahme kam es zu einem massiven Hautüberschuss beider Oberarme, was eine Asymmetrie des Erscheinungsbildes von Ober- und Unterarm mit sich brachte. Obwohl sie unauffällige, weitgeschnittene und lockere Alltagskleidung trug, lag diese im Bereich der Oberarme sehr eng an, während sie sich im Bereich der Unterarme wie eine „Fahne im Wind“ bewegte. Bei ihrer Krankenkasse beantragte die Frau, durch Vorlage eines Schreibens der behandelnden Ärzte, im März 2011 die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung. Darin wurde auf die durchgeführte Schlauchmagenoperation verwiesen. Seither habe die Klägerin 50 kg an Gewicht verloren und halte dieses seit Monaten stabil. Der massive Hautüberschuss beider Oberarme beeinträchtige die als Briefzustellerin tätige Antragstellerin in deren Bewegungsausmaß und auch in der Hygiene. Die Krankenkasse beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser führte am 1. April 2011 auf die Anfrage der Krankenkasse, ob eine Kostenübernahme in Frage kommt, kurz und knapp aus: „Nein, Kosmetik.“
 

Krankenkasse verweigert Kostenübernahme

Mit Bescheid vom 5. April 2011 lehnte die Krankenkasse den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass es sich um eine kosmetische Indikation handele. Der Widerspruch gegen die Entscheidung blieb erfolglos. Hieraufhin erhob die Frau Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig.
 

Sozialgericht entscheidet nach fast achtjähriger Verfahrensdauer!!!

Über die 2011 beim SG eingereichte Klage entschieden die erstinstanzlichen Richter*innen im Februar 2018. Die Klage wurde nach fast achtjähriger „Sachaufklärung“ abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass bei der Klägerin keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege. Von einer Beeinträchtigung der Körperfunktion sei nicht auszugehen. Auftretende Hautbeschwerden könne die Klägerin mit einer Creme behandeln. Auch könne nicht von einer Entstellung ausgegangen werden. Dies habe der persönliche Eindruck während der mündlichen Verhandlung ergeben. Denn die Form der Oberarme hätten sich nicht bereits im Vorbeigehen so bemerkbar gemacht, dass das Interesse darauf fixiert werde. Dies gelte selbst bei ärmellosen Kleidungsstücken. Da die Klägerin sich mit der Begründung des SG nicht anfreunden konnte, legte sie im April 2018 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein.
 

Landessozialgericht erkennt korrekturbedürftige Entstellungen

Das LSG Niedersachsen-Bremen entschied zu Gunsten der Klägerin und hob die Entscheidung des SG auf. Der Anspruch der Klägerin, so das Berufungsgericht, ergebe sich aus der entstellenden Wirkung des Erscheinungsbildes der Oberarme. Eine Entstellung liege vor, wenn eine körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sei, dass sie sich schon bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führe. Eben hiervon sei im Fall der Klägerin auszugehen. Mithin die beklagte Krankenkasse verurteilt wurde, die Klägerin mit einer beiderseitigen Oberarmstraffung zu versorgen.
 
Die Revision zum Bundessozialgericht hat das LSG nicht zugelassen.
 
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7.11.2020